Weiber zu Hyänen

Der Spiegel 48/2006 (Ausriss)

Noch einmal der Spiegel dieser Woche. In der Autorenzeile unter dieser plumpen Schmähung steht selbstverständlich der Name einer Frau. Liebe Frauen, so wird das nie was mit der Emanzipation.

Völkerverständigung

Der Papst ist zu Gast in der Türkei. Wie es aussieht: eine große Reise in Sachen Völkerverständigung. Es ist im Grunde das zweite Mal, dass der Papst bei Türken zu Besuch ist, nach dem Weltjugendtag hier in Köln.

Benedikt XVI. hat gesagt: Er wünscht der Türkei viel Glück bei den Beitrittsverhandlungen mit der EU. Die EU auch.

Harald Schmidt, 29. November 2006

Tätige Teilnahme 1.0

Papst Pius XII., auch schon Liturgiereformer des zwanzigsten Jahrhunderts, stellt 1947 in seiner Enzyklika „Mediator Dei“ lapidar fest, was Neben- und was Hauptsache ist:

Von der Wahrheit und vom geraden Wege der Vernunft weichen auch jene ab, die von irrigen Ansichten verleitet jene Nebensachen so hoch einschätzen, daß sie sich zur Behauptung versteigen, ohne sie könne die heilige Handlung das ihr gesteckte Ziel nicht erreichen. Eine nicht geringe Zahl der Gläubigen ist ja nicht einmal imstande, sich des „Römischen Meßbuches“ zu bedienen, selbst wenn es in ihre Muttersprache übersetzt ist; es sind auch nicht alle fähig, die liturgischen Riten und Formeln recht und gebührend zu verstehen. Geist, Charakter und Anlage der Menschen sind so verschieden und mannigfaltig, daß nicht alle in gleicher Weise beeinflußt und geleitet werden können durch gemeinsam verrichtete Gebete, Gesänge und heilige Handlungen. Außerdem sind die seelischen Bedürfnisse und Anliegen nicht bei allen dieselben, noch bleiben sie bei jedem einzelnen immer die gleichen. Wer möchte darum aus einem solchen Vorurteil heraus behaupten, daß all diese Christen nicht am eucharistischen Opfer teilnehmen noch dessen Segnungen erfahren können? Sie können es fürwahr auf andere Weise, die manchen leichter fällt, z. B. durch frommes Nachdenken über die Geheimnisse Jesu Christi oder durch andere Andachtsübungen und mit anderen Gebeten, die, obgleich in der Form verschieden von den heiligen Riten, ihrem Wesen nach doch damit übereinstimmen.

Das Konzil hat dann natürlich diese überholte Sichtweise der tätigen Teilnahme vollständig geändert. Ist ja klar.

Fasten im Advent

Advent ist im Dezember. Stimmt natürlich, greift aber zu kurz. Fragen wir deshalb eine Institution, die sich mit sowas auskennt:

During this time the faithful are admonished

  • to prepare themselves worthily to celebrate the anniversary of the Lord’s coming into the world as the incarnate God of love,
  • thus to make their souls fitting abodes for the Redeemer coming in Holy Communion and through grace, and
  • thereby to make themselves ready for His final coming as judge, at death and at the end of the world.

Große und schöne Ziele, aber wenig konkret unterfüttert. Wie wäre es mit der altbewährten Methode des Fastens, um diesen Zielen etwas näher zu kommen?

Ähnliche Gedanken beschäftigen gerade den Beisassen im Kirchlein, und er befindet sich damit in bester Tradition. Auch wenn diese in neuerer Zeit etwas verschüttet wurde.

Hermeneutik der Diskontinuität

Gestern vor 125 Jahren wurde Papst Johannes XXIII. geboren. Im Kalenderblatt von Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur pflegte Peter Hertel aus diesem Anlass liebgewonnene Legenden.

Johannes XXIII. starb Pfingsten 1963. Nach seinem Tode gewannen jene Unglückspropheten, die Johannes XXIII. in die Schranken gewiesen hatte, wieder die Oberhand. Die Restauration hielt Einzug im Vatikan.

Falls es noch ein Beispiel gebraucht hätte für jene Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruches

Leicht wie die Spatzen

Kein Interview mit Harald Schmidt, das ohne die Erwähnung des Namens Ratzinger auskommt. So auch in der Zeit:

ZEIT: Welches ist das wichtigste der Zehn Gebote?

Schmidt: Du sollst nicht töten.

ZEIT: Welches kommt dann?

Schmidt: Ehrlich gesagt, ich habe die zehn gar nicht abrufbereit. Im Zweifelsfalle: Du sollst Vater und Mutter ehren.

ZEIT: Sie haben das getan?

Schmidt: Ja, habe ich, tue ich immer noch.

ZEIT: Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?

Schmidt: Ja. Im guten alten Ratzinger-Sinn: »Da werden wir leicht wie die Spatzen…« Das ist für mich hundertprozentig eine Sache, an die ich glaube.

ZEIT: Und: Kommen Sie eher nach oben oder eher nach unten?

Schmidt: Da bin ich mir nicht so sicher.

ZEIT: Ihre Begabung, andere Leute zu beleidigen, könnte da von Nachteil sein.

Schmidt: Stimmt, andererseits, wenn der Herr fragt: Was hast du aus deinen Talenten gemacht?, kann ich sagen: alles, alles. Ich wüsste nicht, was ich hätte brachliegen lassen.

Vatikanischer Geldautomat

Der Spiegel 48/2006 (Ausschnitt)

Viel interessanter ist, was Henryk M. Broder über seinen Besuch beim päpstlichen Chefhistoriker berichtet. Und über den Geldautomaten mit lateinischer Benutzerführung.

Kleine Zwischenbilanz

Liturgische Wochen im Notizbuch. Bevor ich in der zweiten Runde weiter ins Detail gehe, zunächst ein paar Zwischenergebnisse und Thesen.

  1. Die Liturgiekonstitution stand nicht am Anfang der Liturgiereform des 20. Jahrhunderts, sondern inmitten eines schon geraume Zeit vorher begonnenen Prozesses. Sie diente als höchstinstanzliche Legitimation für eine Reform, die sie weder intendiert noch initiiert hatte.
  2. Trotzdem könnte sie heute als Leitbild und Regelwerk für die Erneuerung der römischen Liturgie dienen. Dazu müsste eine Hermeneutik der Reform an die Stelle jener Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruches treten, mit der „Sacrosanctum Concilium“ und mit ihr alle anderen Konzilstexte häufig gelesen werden.
  3. Die Vollendung der Reform erfordert drei Schritte: Die heutige liturgische Praxis sollte korrigiert, das Missale von 1962 wieder uneingeschränkt zugelassen und schließlich das Messbuch von 2000/2002 und alle anderen nachkonziliaren liturgischen Bücher einer weiteren Revision unterzogen werden.
  4. Während der erste der drei Schritte vermutlich keiner weiteren Begründung bedarf, ist vor allem der zweite umstritten. Der Rückgriff auf den Stand von 1962 ist für einen sauberen Neustart notwendig. Mit der Wiederzulassung beginnt eine vermutlich längere Phase, mindestens von der Dauer einer Generation, in der die beiden Messbücher im Wettbewerb miteinander stehen. Der altehrwürdige römische Ritus bleibt dadurch späteren Generationen lebendig erhalten, aber auch das Messbuch von 1969/1970 und seine Nachfolger behalten ihren Platz.
  5. Die Vollendung der Reform ist ein langfristiges Projekt. Sie wird rein praktisch vor allem aus Revisionen sowohl des Missale von 1962 als auch des nachkonziliaren Messbuches bestehen. Während das Missale von 1962 nur aktualisiert werden muss (dies betrifft vor allem den liturgischen Kalender), bedarf das neue Messbuch einer umfassenden Rekonstruktion – die wohl am besten mit dem Stand von 1962 beginnt.

In diesem Sinne ist die Wiederzulassung des Missale von 1962 tatsächlich ein Druck auf den liturgischen Reset-Knopf. Alles auf Anfang, „Sacrosanctum Concilium“ neu lesen und an die Erneuerungsarbeit!

Die Liturgiekonstitution

Teil 4 meiner kleinen Reihe zur Liturgie (Teil 1: Die heutige liturgische Praxis, Teil 2: Die Liturgiereform, Teil 3: Das Missale von 1969/1970)

Konzilsdokumente sind meistens eine recht trockene Sache. So ein Konzil, das sich gewaschen hat, legt den rechten, katholischen und apostolischen Glauben dar, um anschließend in gebotener Kürze die jeweiligen Irrtümer der Zeit zu verwerfen und ihre Anhänger auszuschließen, mit jener berühmten Formel des anathema sit.

Nicht so „unser Konzil“, wie ich neulich das Zweite Vaticanum bezeichnet hörte. Seine Texte sind anders. Zwar auch zäher Stoff, aber recht ausführlich, um nicht zu sagen: geschwätzig.

Die Konzilsväter legten offensichtlich viel Wert auf den Entwurf einer positiv formulierten Vision für die Kirche. Viele Texte und auch einzelne Abschnitte beginnen fast hymnisch mit einem emphatischen Ausblick auf das große Ganze.

Verzichtet haben sie dafür auf die Abgrenzung ihrer Lehre zum Irrtum und auf dessen Verwerfung. Das mag durchaus zum Schaden der nachkonziliaren Rezeption gewesen sein und die Vielfalt seiner Interpretation wie auch die fehlgeleitete Berufung auf den ominösen Geist des Konzils begünstigt haben.

Die Liturgiekonstitution ist nicht zufällig als erstes Dokument verabschiedet worden, und der selbstreferentielle Name ist Programm: Sacrosanctum Concilium, das Heilige Konzil. Die Liturgie war das wichtigste Anliegen der Konzilsväter, und mehr als das, wie Joseph Ratzinger schreibt:

Daß sie am Anfang stand, hatte zunächst pragmatische Gründe. Aber rückschauend muß man sagen, daß dies in der Architektur des Konzils einen guten Sinn hat: Am Anfang steht die Anbetung. Und damit Gott. Dieser Anfang entspricht dem Wort der Benedikt-Regel (XLIII,3): Operi Dei nihil praeponatur. Die Kirchenkonstitution, die dann als zweiter Text des Konzils folgt, sollte man damit innerlich verklammert sehen. Die Kirche leitet sich aus der Anbetung her, aus dem Auftrag, Gott zu verherrlichen.

Die Liturgiekonstitution verwendet viel Mühe darauf, Sinn und Geist der Liturgie sowie ihren logischen Ort im Leben der Kirche zu erläutern. Erneuerung und Pflege der Liturgie ist ihr Doppelthema, „die dem Wechsel unterworfenen Einrichtungen“ seien „den Notwendigkeiten unseres Zeitalters besser anzupassen“, heißt es schon im Vorwort. Die Seelsorger sollen

bei liturgischen Handlungen darüber wachen, daß nicht bloß die Gesetze des gültigen und erlaubten Vollzugs beachtet werden, sondern auch daß die Gläubigen bewußt, tätig und mit geistlichem Gewinn daran teilnehmen. (11)

Hier klingt zum ersten Mal jenes zum Schlagwort gewordene Motto an, das der Text vielfach wiederholt und das zur Rechtfertigung und Parole allen möglichen Umbaus geworden ist: actuosa participatio, die tätige Teilnahme der Gläubigen. Sie ist in der Tat das neue Element, das neben die Rubriken und liturgischen Gesetze tritt und sie – entgegen dem Willen des Konzils – in der Praxis bald weitgehend verdrängen wird.

Die Konzilsväter verzichten auf eine konzise Definition der tätigen Teilnahme und stellen stattdessen einige Regeln für die gewünschte Erneuerung der Liturgie auf (21-46). Dass viele dieser Regeln im Laufe der nachkonziliaren Entwicklung weitgehend ignoriert wurden, bedarf vermutlich keiner besonderen Erwähnung mehr.

Man kann den Verzicht auf eine Definition der actuosa participatio durchaus als die zentrale Schwäche der Liturgiekonstitution ansehen. Denn dieser Verzicht hat dem aktionistischen Missverständnis Tür und Tor geöffnet, dass

möglichst viele möglichst oft für alle sichtbar in Aktion treten müßten. (Ratzinger, Der Geist der Liturgie, 147)

Die eigentliche actio der Liturgie, schreibt Ratzinger, ist indes das Hochgebet, die oratio, die den Kern der Eucharistiefeier bildet.

Die eigentliche „Aktion“ in der Liturgie, an der wir alle teilhaben sollen, ist Handeln Gottes selbst. […] Die Einzigartigkeit der eucharistischen Liturgie besteht eben darin, daß Gott selbst handelt und daß wir in dieses Handeln Gottes hineingezogen werden.

Oder um Scipio zu zitieren:

dann besteht meine aktive Teilnahme, meine participatio actuosa vor allen liturgischen Einzelaktivitäten darin, IHn mich gestalten zu lassen, SEine Verheutigung in Brot und Wein und im Wort der Heiligen Schrift mit wachem, hingegebenem, horchendem, gehorsamem Herzen wahr-zu-nehmen, entgegenzunehmen.

Kleiner Einschub in diesem überlangen Beitrag: Da ist sie wieder, die theologische Bindestrich-Macke, mit der harmlose Wörter in ihre Einzelteile zerlegt werden. Sie findet sich auch reichlich in Ratzinger-Texten.

Zurück zum Thema: Selbstverständlich setzt „Sacrosanctum Concilium“ ein solches Verständnis von tätiger Teilnahme voraus, es scheint an vielen Stellen durch. Aber der Verzicht auf eine Klarstellung dürfte zur verheerenden Wirkungsgeschichte dieser Konstitution erheblich beigetragen haben.

Ich könnte mich jetzt ausführlich mit den Grundsätzen und Regelungen für die gewünschte Liturgiereform befassen und darlegen, wo sie nicht eingehalten wurden. Zahlreiche Beispiele finden sich anderswo zur Genüge.

Stattdessen begnüge ich mich mit der Bemerkung, dass die in „Sacrosanctum Concilium“ formulierte große Vision für die Liturgie der Kirche heute weiter von der Verwirklichung entfernt ist als vor 43 Jahren – und dass an entscheidenden Punkten präzisere Formulierungen womöglich hilfreich und nützlich gewesen wären.