Ein ästhetischer Gottesbeweis

Zwei aufregende Texte binnen weniger Tage. Zuerst Armin Schwibach furios im KOMMA-Magazin: Absurdes Theater oder teuflisches Spiel? Apostasie und die Kirche

Jahrzehnte lang wurde jeder auch noch so extremen Form von Missbräuchen der Liturgie schweigend stattgegeben. Die Missbräuche sind heute aber nicht mehr zu verbergen. Im Zeitalter des „World Wide Web“ wimmelt es nur so von bildlichen Belegen dessen, was bisher einfach unter den Tisch gekehrt werden oder als „Übertreibung“ bezeichnet werden konnte. Entsakralisierte Mätzchen einer verlorenen Kirchengemeinde sind nun sichtbar für alle Welt. Das „Messopfer“ wurde zu einer „Gemeindefeier des Mahles“, die Sakralität des Geschehens, die Sakralität des wirklich und wahrhaft gegenwärtigen Christus geriet ins Hintertreffen.

Dann Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz in ihrer [via Scipio] Festrede zum 60-jährigen Bestehen der Tagespost: Die Postmoderne ist offen für die Religion

Die Behauptung von Strauß, dass „die Mitternacht der Abwesenheit überschritten ist“(13), provoziert eine unglaubliche Hoffnung für die gegenwärtig, zum Sinnlosen nivellierte, im Leeren triumphierende Kultur. Eucharistie ist die Sprengung des Geschwätzes, ist Erweis von Wirklichkeit durch das Wort – trotzend der „reinen Selbstreferenz der Diskurse, dem nihilistischen Vertexten von Texten“(14). Es ist „nur“ ein ästhetischer Gottesbeweis – aber vielleicht der heute nötige?

Zugewanderte haben mehr Kinder

Bei der OECD, wie zunächst vermutet, wurde ich zwar nicht fündig. Aber Herwig Birg konnte helfen:

Das durchschnittliche Niveau der Lebendgeborenen pro Frau beträgt bei den Deutschen 1,25, bei den Zugewanderten 1,64. […] Wenn sowohl die Mutter als auch der Vater eine ausländische Staatsangehörigkeit haben, beträgt die Zahl der Lebendgeborenen pro Frau 1,5. Wenn dagegen nur die Mutter eine ausländische und der Vater eine ausländische oder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, sind es 1,9 Lebendgeborene pro Frau. (Quelle)

Zum Vergleich hier Zahlen aus Frankreich.

Ministerin mit selektiver Wahrnehmung

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 685.000 Kinder geboren. Das sind immerhin 12.000 mehr als 2006. Die durchschnittliche Kinderzahl je Frau stieg von 1,33 im Jahr 2006 auf 1,37. Sie nahm damit 2007 erstmals seit 2004 wieder zu. Einen höheren Wert hatte die durchschnittliche Kinderzahl je Frau zuletzt 2000 er­reicht (1,38).

Die Familienministerin jubelt:

„Ich freue mich sehr über den Anstieg der Geburten und vor allem darüber, dass die jungen Eltern allmählich wieder die Kinder bekommen, die sie sich wünschen“, sagt Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen zu den heute [am 20. August] veröffentlichten Zahlen.

Interessant ist, dass vor allem Frauen im Alter von 33 bis 37 Jahren wieder mehr Kinder bekommen. „Das scheint darauf hin zu deuten, dass sich die Perspektiven für diese Frauen, die schon mitten im Berufsleben stehen, verbessern“, sagt von der Leyen.

Sie unterschlägt, dass die durchschnittliche Zahl der Geburten bei jüngeren Frauen („die jungen Eltern“?) auch 2007 zurückging. Und verliert keine Silbe darüber, dass die Zahl der Geburten 2006 ein historisches Tief erreicht hatte. Sie erwähnt nicht, dass das Geburtendefizit (Zahl der Geburten abzüglich der Sterbefälle) bei 142.000 lag. Und dass die Zahl der Eheschließungen weiter gesunken ist.

Aber das passt wahrscheinlich nicht ins Bild.

Die Kirche hat eine Bestandsgarantie

Tu es Petrus
et super hanc petram ædificabo ecclesiam meam
et portæ inferi non prævalebunt adversus eam.

Ein großartiges Versprechen stellt uns das heutige Sonntagsevangelium vor Augen. Die Kirche hat eine Bestandsgarantie von höchster Stelle. Wenn wir uns also, berechtigt oder unberechtigt, um die Kirche sorgen, dann können wir sicher sein, dass sie nicht untergehen wird.

Allerdings gilt das nicht für einzelne Gemeinden oder Bistümer. Gemeinden entstehen und vergehen, auch ganze Bistümer werden gegründet und wieder aufgehoben. Heutzutage geschieht das vor allem, wenn der Nachwuchs ausbleibt, wenn Gemeinden und Bistümer schrumpfen und vergreisen, wenn die Berufungen zum Priester- und Ordensleben ausbleiben (oder überhört werden).

Es ist nicht ohne Ironie, dass die Kirche dort am schnellsten und heftigsten schrumpft und vergreist, wo sie sich am weitesten vom rechten Glauben entfernt. Die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen, aber wo die Kirche kleingläubig wird, da verschwindet sie.

Der liberale Normalbürger als Maß aller Dinge

Der gestern bereits erwähnte FAZ-Kommentar von Peter Lückemeier zur Absetzung des Wetzlarer Dekans ist zwar kein besonders intelligentes Stück Zeitungsprosa. Dennoch will ich mir die Mühe einer Replik machen.

Wahrscheinlich ist der am Niederrhein erzkatholisch sozialisierte neue Bischof von Limburg sich nicht im Klaren darüber, wie abstoßend, mitleidslos, realitätsfern seine Maßregelung des Wetzlarer Dekans aufs großstädtische Publikum wirken muss.

Wahrscheinlich ist er sich sehr wohl im Klaren darüber, wie wenig sich ein großstädtisches Publikum um Gott, Glaube, Kirche und Bischof schert. Und wie es höchstens dann Notiz nimmt, wenn es Widerspruch vernimmt.

Homosexuelle Lebenspartnerschaften werden in Frankfurt, Darmstadt oder Wiesbaden anders bewertet als im Westerwald.

Tatsächlich? Ich fürchte, das war einmal.

Der liberale Normalbürger wird sich sagen: Du liebe Güte, da lebt ein homosexuelles Paar seit langem zusammen, besiegelt diesen Bund vor dem Standesamt für immer und erbittet dazu göttlichen Segen – warum sollte die Kirche solch einen Akt des Wohlwollens verweigern?

Seit wann ist der liberale Normalbürger das Maß kirchlicher Dinge? Viel zu oft ist er es, aber er sollte es definitiv nicht sein. Dass homosexuelle Paare vor das Standesamt treten und dort eine Heirat simulieren können, mag zwar dem Normalbürger normal erscheinen. Aber gut und richtig ist es deshalb noch lange nicht.

Doch Bischof Tebartz-van Elst sieht die Sache anders, und zum größten Teil muss er sie so sehen, auch sein Vorgänger Franz Kamphaus hätte kaum anders handeln können. Denn Ehe und Familie stehen nicht nur laut Grundgesetz unter besonderem Schutz des Staates, die katholische Ehe zwischen Mann und Frau ist sogar ein Sakrament, allerdings gespendet von den beiden Beteiligten.

Korrekt.

In diesem Lichte kann es nicht angehen, dass die Ehe, die nach kirchlicher Sicht dem Zwecke dient, Kinder zu zeugen, gleichrangig mit einer homosexuellen Partnerschaft behandelt wird.

Der Hauptsatz ist korrekt, der die Ehe erläuternde Relativsatz ist mindestens verkürzt. Die Ehe dient nicht allein dem Zwecke, Kinder zu zeugen.

Überdies hat der Bischof in der Bestrafung des bisherigen Dekans die mildeste Form gewählt, die ihm zur Verfügung stand, denn der Wetzlarer Priester bleibt im Amt, wird weder abgesetzt noch versetzt.

Das ist richtig und ein Zeichen bischöflicher Klugheit.

Das eigentliche Problem aber bleibt ungelöst. Es lautet: Wie soll die Kirche, Repräsentant eines liebenden Gottes, mit Homosexuellen umgehen, zumal mit homosexuellen Gläubigen? Die offizielle Linie der römischen Glaubenskongregation, Homosexualität an sich sei keine Sünde, nur ihre Ausübung sei es, muss als haarspalterischer Theologismus verstanden werden.

Nur für den, der sich weder mit Theologie noch mit Moral beschäftigen möchte. Den Sünder lieben, die Sünde hassen. Das ist wirklich keine Neuigkeit.

Die katholische Kirche täte gut daran, für seriöse dauerhafte gleichgeschlechtliche Partnerschaften, die sich nicht nur die Billigung des Staates, sondern auch die Sympathie ihrer Kirche wünschen, einen Akt, eine symbolische kirchliche Handlung oder eine Feier auszudenken.

Wohl kaum. Die Sympathie der Kirche wird ein wenig frommer Wunsch bleiben.

Dass Gott die Qualität eines Menschen nach dessen sexuellen Präferenzen beurteilen könnte, muss als unwahrscheinlich gelten.

Diesen sinnlosen Satz hätte der Schlussredakteur besser gestrichen.

Und damit soll es dann auch gut sein. Ab morgen wieder andere Themen.

Ökumenisches Simultandesaster

Relativ ruhig, sachlich und unaufgeregt, so scheint es, wird die Absetzung des Wetzlarer Dekans aufgenommen. Die FAZ berichtet nun einige interessante Fakten.

So ist der Wetzlarer Dom eine Simultankirche mit einer katholischen und einer evangelischen Gemeinde. Geistliche beider Konfessionen haben an der Segnung mitgewirkt. Jürgen Erbach, einer der beiden Partner, für die die Zeremonie gestaltet worden war, Professor für Immobilienmanagement, sagte laut FAZ, dass es auch in der evangelischen Gemeinde Bedenken hinsichtlich der Feier für ihn und seinen Partner Kristof Heil gegeben habe.

Deshalb habe man sich für den evangelischen Part darauf verständigt, dass ein Gastpfarrer die Zeremonie im Gotteshaus mitgestaltet und auch nicht im Talar auftritt. Der katholische Pfarrer Kollas, der als Vertreter von Erbachs Partner an der ökumenischen Zeremonie teilnahm, hatte seine Segensworte indes im Talar gesprochen.

Im Talar? Also einem schwarzen liturgischen Untergewand mit Rochett? Und Stola? Oder wie?

Erbach sagte im Gespräch weiter, er und sein Partner hätten die Nachricht vom Vorgehen des Bischofs „mit Bestürzung“ zur Kenntnis genommen. Hätten er und sein Partner die Konsequenz für Kollas vorhersehen können, „hätten wir auf die Zeremonie in dieser Form verzichtet“, erklärte Erbach. Man habe Kollas keinen Schaden zufügen wollen.

Hat man nun aber. Und der dem Limburger Bischof wenig freundlich gesinnte Kommentar von Peter Lückemeier weist immerhin darauf hin, dass der Bischof

in der Bestrafung des bisherigen Dekans die mildeste Form gewählt hat, die ihm zur Verfügung stand, denn der Wetzlarer Priester bleibt im Amt, wird weder abgesetzt noch versetzt.

Obwohl Ab- oder Versetzung, wenn das Vertrauensverhältnis tatsächlich zerstört sein sollte, wohl nicht unangebracht wäre.

Zum Einspruch verpflichtet

Der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst hat dem Wetzlarer Bezirksdekan Peter Kollas sein Amt entzogen, nachdem dieser im Wetzlarer Dom zwei Homosexuelle gesegnet hatte, die zuvor ihre Partnerschaft hatten amtlich eintragen lassen (was vulgo heute als Hochzeit gilt). Dies berichtet die FAZ auf Basis einer Pressemitteilung des Bistums, die deutliche Worte findet:

Nach der Lehre der katholischen Kirche sind alle Gläubigen verpflichtet, gegen die rechtliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften Einspruch zu erheben. Aus diesem Grund ist es in katholischen Kirchen unmöglich, eingetragene Lebenspartnerschaften zu segnen. Es gibt nach Angaben des Bistums „keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn.“

Der Limburger Bischof wird sich damit in weiten Teilen der (ver)öffentlich(t)en Meinung keine Freunde machen. Doch wo er Recht hat, hat er Recht.

Sehr schön übrigens ein Satz bei Focus online:

Die Segnung löste auch unter Proteststanten empörte Proteste aus.

Was sollen sie sonst auch machen, die Protestanten, außer protestieren? Ein Kalauer, ich weiß. Den Tippfehler übersehe ich mal.