Lies, Damn Lies, and Statistics

In der demographischen Debatte wird gern das Beispiel Frankreichs mit seiner hervorragenden Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr herangezogen, um die höhere Geburtenrate zu erklären. Werfen wir einen kleinen Blick auf die Fakten:

The overall French TFR* is 1.85; however, the TFR of French Muslims is approximately 3 to 4 (the French government does not collect official statistics on religion) while the non-Muslim TFR is only 1.4. Thus, while Muslims make up only 7% of the French population, they constitute 25-30% of the population under 25. Clearly, unless major changes occur (if it is not already too late), France is facing major cultural changes in the next 50 years, especially because the mainstream French culture has generally left its Muslim immigrants underrepresented and unassimilated.

Womit diese Lebenslüge ausgeräumt sein dürfte. Für die im Vergleich zu Deutschland höhere Geburtenrate in Frankreich sorgt allein die muslimische Bevölkerung. Nicht etwa die bessere Kinderbetreuung. Die Geburtenrate im nicht-muslimischen Teil liegt fast exakt auf dem gleichen Niveau wie in Deutschland (1,36).

Schön auch, dass sich der französische Staat mit dem Verzicht auf statistische Erhebungen zur Religionszugehörigkeit selbst die Augen zuhält. Das ist in Deutschland auch nicht viel besser.

*TFR steht für total fertility rate, also die Geburtenrate. Bei einer Geburtenrate von 2,1 bleibt die Bevölkerungszahl stabil.

Vatikanische PR-Arbeit

Der Spiegel 47/2006: Der Fehlbare

Alexander Smoltczyk rekonstruiert im Spiegel vom kommenden Montag unter der mäßig originellen und vom Text inhaltlich kaum gedeckten Überschrift „Der Fehlbare“ die Ereignisse rund um die Regensburger Vorlesung von Benedikt XVI. Der Text liest sich stellenweise wie ein Krimi – und ist doch in großen Teilen eine Analyse der vatikanischen PR-Arbeit. Lesenswert.

Nonsens

Noch einmal Rahner/Vorgrimler, diesmal zur Frage der liturgischen Sprache:

Es ist heute, nachdem die nachkonziliare liturgische Arbeit in der Sprachenfrage entschlossen vorgegangen ist, leicht, die Forderung einer arkanen Sakralsprache als Nonsens und diese selbst als museales Relikt und als Widerspruch gegen das kommunikative Wesen der Sprache zu entlarven. […] Freilich sind bisher die sprachlichen Probleme noch nicht gelöst, denn die bloße Übersetzung des in Jahrhunderten erstarrten liturgischen Textes hat erst recht neue Schwierigkeiten aufgeworfen.

Hier wird so langsam die zerstörerische Gewalt des liturgiereformerischen Impetus‘ sichtbar. Und die Radikalität des angestrebten Umbaus.

Tragikomische Randfiguren

Um nun endlich über die Liturgiekonstitution schreiben zu können, muss ich sie erst einmal lesen. Und was sehe ich in der Einleitung von Rahner/Vorgrimler? Diesen Seitenhieb, den sich die beiden Theologen offensichtlich nicht verkneifen konnten, als sie (1966) über die Liturgiereform schrieben:

Widerstände ergeben sich aus sogenannten akademischen Kreisen, deren Angehörige ihre Unfähigkeit zur Kommunikation, ihren Bildungsdünkel und ihr steriles Verhältnis zur Geschichte hinter dem Anspruch besonderer Kirchlichkeit zu tarnen suchen, indem sie ihre Ressentiments als Maßstab des Katholischen ausgeben. Dem Konzil war es leichter, als dies einzelnen Bischofskonferenzen und Bischöfen geworden wäre, diese wortstarken und teilweise einflußreichen, aber in der Humanität gescheiterten tragikomischen Randfiguren der Kirche völlig außer Acht zu lassen.

Und übergangslos schreiten die beiden Autoren nach diesen Sätzen in der Kurzbeschreibung der Liturgiekonstitution fort.

Keine Zwei-Riten-Kirche

Warum gehört zur Vollendung der Liturgiereform auch die Wiederzulassung des Missale von 1962, fragt Georg, und fügt hinzu, dass das Messbuch Pauls VI. keinen Bruch innerhalb der römischen Liturgie darstelle und daher zu fragen sei, welche Berechtigung zwei offizielle Versionen der römischen Liturgie haben sollen.

Die These, das Messbuch von 1969/1970 sei kein Bruch innerhalb der römischen Liturgie, ist zumindest umstritten. Aber nehmen wir an, sie stimme – dann wäre doch eher zu fragen, warum das Missale von 1962 nun nicht mehr zugelassen sein sollte, handelt es sich doch dann nur um eine frühere Fassung desselben Ritus.

Die Nichtzulassung jenes Missale ist aus meiner Sicht einer der entscheidenden Schwachpunkte der nachkonziliaren Reform. Denn sie wirft erst die Frage auf, ob es sich um zwei verschiedene Riten handelt. Und wer diese Frage bejaht, der muss konsequenterweise das Messbuch von 1969/1970 verwerfen, weil es dann ein Bruch mit 500 Jahren Tradition wäre.

Ist das Messbuch von 1969/1970 aber kein Traditionsbruch (und dieser Annahme stimme ich zu), dann gibt es auch keinen Grund, ein älteres Missale zu verbieten. Mit der Zulassung des Missale von 1962 wäre dieses Thema mehr oder weniger vom Tisch. Einige der weiteren Gründe dafür hatte ich schon vor einiger Zeit genannt.

Insofern finde ich Sätze wie jene, mit denen heute der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann zitiert wird, wenig glücklich. „Wir wollen keine Zwei-Riten-Kirche“, sagt er. Meint er wirklich, was er sagt?

Eher wegen des Karmas

Jack Nicholson berichtet in einem Gespräch mit dem Regisseur Peter Bogdanovich im SZ-Magazin, dass seine angebliche Schwester June in Wahrheit seine Mutter und seine angebliche Mutter seine Großmutter war.

Deshalb kann ich auch nicht so ganz locker und liberal, wie ich’s gern täte, für das Recht auf Abtreibung plädieren. In der Welt von heute gäbe es mich nicht. Verstehst du, was ich meine?

Du meinst, deine Mutter hätte abgetrieben?
Ja. June war erst 16 – und ziemlich erfolgreich. Es wäre also anzunehmen. Weißt du, es gibt Ansichten, die man nie ändert. Zumindest glaubt man das. Ich hab meine Ansicht zu diesem Thema geändert. Nicht aus Vernunftgründen – eher wegen des Karmas.

Vollendung der Reform

Die Vorzüge des Missale Romanum, wie es Paul VI. 1969 promulgiert hat, hält Georg in einer Reihe von Thesen fest.

Nun sind allerdings die meisten der aufgezählten nachkonziliaren Errungenschaften bereits früheren Stadien der Liturgiereform zu verdanken. Dies beginnt mit der Zulassung der Muttersprache und deren vernehmlichem Gebrauch, insbesondere im Wortgottesdienst, dem wiederhergestellten Allgemeinen Gebet der Gläubigen und der Streichung einiger liturgischer Doppelungen (1964) und reicht bis zum hörbar gesprochenen Canon Missae (1967). Einzig die Gabenbereitung ist eine ureigene Frucht des Missale von 1969/1970.

Meine aktuelle These ist, dass die im vergangenen Jahrhundert begonnene, vom Konzil bestätigte und mit einer klaren Zielvorgabe ausgestattete Liturgiereform noch nicht vollendet ist. Denn einige der in „Sacrosanctum Concilium“ benannten Ziele sind noch nicht erreicht und stattdessen einige Fehlentwicklungen eingetreten.

Insofern steht weniger eine Reform der Reform an als deren Vollendung. Dazu gehört die Wiederzulassung des Missale von 1962 ebenso als notwendiger Schritt wie dessen Revision, die Wiederherstellung eines einheitlichen liturgischen Kalenders und der Zelebration ad orientem sowie die Revision der vielfach unzureichenden Messbuchübersetzungen.

Doch dazu später mehr. Zunächst muss der mehrfach angekündigte Beitrag zur Liturgiekonstitution folgen.

Der hölzerne Volksaltar

Bei der Rekonstruktion der Liturgiereform ließ ich mich bislang von der Annahme leiten, das große Kirchenumbauprogramm sei erst auf das Missale von 1969/1970 gefolgt. Inzwischen weiß ich aber, dass die gotische Hallenkirche meiner Heimatstadt schon sehr viel früher den neuen Choraltar erhielt. Er wurde bereits am 8. September 1965 durch Bischof Heinrich Maria Janssen geweiht.

Insofern stimmt die bislang angenommene Reihenfolge der Ereignisse nicht und kann auch die eingangs formulierte These so nicht stimmen. Das Messbuch Pauls VI. war, so scheint es mir nun, viel eher ein Akt der Reaktion auf eine außer Rand und Band geratene Liturgiereform als deren Ursache.

Mein Vater berichtet, dass in jener Kirche schon in den 40er Jahren regelmäßige „Gemeinschaftsmessen“ an einem hölzernen Volksaltar ad orientem zelebriert wurden. Dieser Altar stand etwa dort, wo später der marmorne Volksaltar errichtet wurde, und wurde nach jeder Gemeinschaftsmesse wieder demontiert.

Die Zelebration versus populum hingegen bringt mein Vater erst mit dem Konzil in zeitlichen Zusammenhang. Wahrscheinlich ging mit der Weihe des Choraltars der Wechsel der Zelebrationsrichtung einher.

Und in der Tat – die Zelebration versus populum entspricht der Reform von 1965, wie sie Adam Barnette in seinem Blog „The Mass of Vatican II“ beschrieben hat. Seiner Meinung nach spricht Einiges dafür, dass mit dieser Reform die zehn Jahre zuvor von Pius XII. mit der Neuordnung der Karwoche begonnene Liturgiereform im Sinne der Konstitution „Sacrosanctum Concilium“ abgeschlossen war.

Der dieser Konstitution gewidmete vierte Teil meiner kleinen Reihe zur Liturgie steht noch aus. Danach wird eine zweite Runde folgen:

  1. Die Neuordnung der Karwoche (1955)
  2. Die Reformen Johannes‘ XXIII. (1960 bis 1962)
  3. Die Liturgiekonstitution (1963)
  4. „Inter Oecumenici“ (1964) und die Reform von 1965
  5. „Tres abhinc annos“ (1967)
  6. Die apostolische Konstitution „Missale Romanum“ (1969)
  7. Das Missale von 1969/1970

Roe v. Wade distorts everything

Joseph Bottum kommentiert in First Things die Kongresswahlen in den USA:

The way the right in America thinks about the war in Iraq is not comparable to the way the right thinks about abortion. Let’s leave aside the question of whether opposition to abortion is properly a conservative issue. The process by which the Republicans became the pro-life party and the Democrats became the pro-abortion party is one of the most bizarre in our history. Roe v. Wade distorts everything it touches, including American politics. Still, opposition to abortion is now a fixed part of the conservative world, and, for deep-red-state Republicans, to cease to be pro-life would require a fundamental rethinking of everything it currently means to be a conservative. To cease to support the war in Iraq requires only a change of mind about a particular attempt to carry out one initiative of foreign policy.

Das Missale von 1969/1970

Teil 3 meiner kleinen Reihe zur Liturgie (Teil 1: Die heutige liturgische Praxis, Teil 2: Die Liturgiereform)

Zu den größten liturgischen Schätzen gehören die Orationen des Römischen Messbuches. Der größte Teil von ihnen

ist in den Sakramentarien des 5.-7. Jahrhunderts überliefert. In all diesen Texten ist – zumal unter dem eigentlichen literarischen Gesichtspunkt – die Substanz des Missale Romanum gegeben: Schöpfungen von hoher theologischer Aussagekraft, nach den Regeln spätlateinischer Kunstprosa gestaltet. Gebilde von monumentaler Einfachheit und bestechender Präzision. Sie sind von einer solchen Vollendung, daß sie, im wesentlichen unverändert bewahrt, bis heute die Gebetsform der katholischen Kirche geblieben sind. (Kindlers Literaturlexikon Bd IV, 1968, Sp. 2721; zit. nach Martin Mosebach: Häresie der Formlosigkeit, S. 112)

Der Autor dieser Zeilen, der Laacher Benediktiner Burkhard Neunheuser, schrieb zwanzig Jahre später im nämlichen Lexikon (Art. Missale romanum Bd. 19 der Studienausgabe, 125; zit. nach Gunda Brüske: Mosebachs Essays im Kontext von Jugendbewegung und liturgischer Erneuerung. Ein illegitimer Sproß der liturgischen Bewegung? in: konturen. Rothenfelser Burgbrief 02/03) dem Missale von 1969/1970

die Erschließung des ganzen Reichtums der Orationen und Präfationen aus den klassischen römischen Sakramentaren

zu. Es mag durchaus sein, dass dies die Intention der Schöpfer jenes Messbuches war, zu denen auch Neunheuser gehörte. Doch ob das Werk gelungen ist, darüber gibt es verschiedene Meinungen. Nehmen wir als Beispiel die Oration vom ersten Adventssonntag. Bis 1968 lautete sie:

Excita, quæsumus, Domine, potentiam tuam, et veni: ut ab imminentibus peccatorum nostrorum periculis, te mereamur protegente eripi, te liberante salvari: Qui vivis et regnas cum Deo Patre in unitate Spiritus Sancti Deus: per omnia sæcula sæculorum. Amen.

Robert Ketelhohn übersetzt so:

Erwecke, so bitten wir, Herr, deine Macht, und komm, auf daß wir den drohenden Gefahren unserer Sünden durch deinen Schutz entrissen und durch deine Befreiungstat gerettet zu werden verdienen, der du lebst und herrschest mit Gott dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Die Konstitution über die heilige Liturgie „Sacrosanctum Concilium“ wurde am 4. Dezember 1963 verkündet. Papst Paul VI. promulgierte das neue Missale am 3. April 1969, auf den Tag drei Monate vor meiner Geburt, und am ersten Adventssonntag des gleichen Jahres trat es in Kraft. Nur etwas mehr als fünf Jahre vergingen also zwischen diesen beiden Meilensteinen des liturgischen Umbruchs.

Seit Advent 1969 lautet die gleiche Oration:

Herr, unser Gott, alles steht in deiner Macht; du schenkst das Wollen und das Vollbringen. Hilf uns, daß wir auf dem Weg der Gerechtigkeit Christus entgegengehen und uns durch Taten der Liebe auf seine Ankunft vorbereiten, damit wir den Platz zu seiner Rechten erhalten, wenn er wiederkommt in Herrlichkeit. Er, der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit. ‹Amen.›

Robert kommentiert die Neuerung so:

Die Oration beginnt im neuen deutschen Meßbuch nicht mit dem »Maranatha« – »komm, Herr!« –, sondern mit einer unverbindlichen Feststellung. »Alles steht in deiner Macht« – na und? Der alte Text schrie nach Gott: »Komm, Herr, komm her und greif ein mit all deiner Macht!«

Und weiter: »Wir sind in tödlicher Gefahr durch unsere Sünden. Komm, Herr, du allein hast die Macht dazu: Reiß uns heraus, befreie uns aus den Banden der Hölle und rette uns!« Dagegen der neue Text: »Wir sind gerecht und gehen Christus entgegen, hurra! Aber hilf uns ein wenig dabei. Auch bei den guten Werken, die wir ja tun. Dafür steht uns dann der Platz zur Rechten Christi zu.«

Im übrigen fällt auf, daß das Gebet sich nicht mehr – wie in der alten Fassung – an Christus richtet, sondern an Gott Vater. Im Gebetsschluß wird auf deutsch weggelassen, was mit Sicherheit auch noch im lateinischen Text des neuen Meßbuchs steht: Die Akklamation Christi als Deus, als Gott: »… lebt und herrscht ‹als› Gott …«

Man lese Roberts Ausführungen im Zusammenhang – er befasst sich in gleicher Weise auch mit Graduale/Alleluia, Offertorium/Secreta, Communio und Postcommunio sowie den Texten des zweiten Adventssonntages, mit weiteren Sonntagsorationen sowie einigen Werktagsorationen zur Fastenzeit und kommt zu diesem Ergebnis:

Wenn du mal die Orationen des alten und des neuen Ordo Missæ vergleichst, dann wird dir vielleicht auffallen, daß darin heute ein anderer Geist herrscht. Die Rede von unserer Sünde, unserer Schwachheit und unserm Unvermögen ebenso wie der flehentliche Ruf um das Erbarmen Gottes wurden weitgehend eliminiert zugunsten frommen Selbstbewußtseins, das auf eigene Kraft und Gutheit setzt und gelegentlich, wenn uns nicht alles gleich ganz leicht gelingt, Gott um etwas Hilfe bittet, er möge uns doch mal eben zur Hand gehen.

Und an anderer Stelle:

Schaust du eine einzelne der neuen Sonntagsorationen an – zumal da du daran gewöhnt bist –, so fällt dir nichts weiter auf. Nein, häretisch ist sie nicht. Vergleichst du sie aber mit ihrer Vorgängerin aus dem alten Ritus, so bemerkst du auffällige Änderungen. Nimmst du dir alle Sonntagsorationen auf diese Weise vor, so findest du dieselbe Weise immer wieder. Man hat konsequent bereinigt, ein semipelagianischer Geist hat klammheimlich Einzug gehalten.

Ob dieser Vorwurf zutrifft oder nicht, mögen andere entscheiden. Schwer zu leugnen scheint mir indes der sprachliche Verfall im direkten Vergleich. Viele, allzuviele neue oder erneuerte Texte des Messbuches von 1969/1970 bleiben weit hinter ihren Vorgängern zurück. Und sie sind, das ist fast das Schlimmste, zwar platter, aber dadurch keinesfalls verständlicher geworden.

Das Bemühen um Verständlichkeit der Liturgie ist ohnehin mit äußerster Vorsicht zu üben. Denn es gehört geradezu zu ihrem Wesen, dass nicht alles verständlich, manches sogar äußerst unverständlich ist und erst in der Wiederholung langsam einzuleuchten beginnt. Moderne Plattheiten erleichtern keinesfalls das Verständnis, denn sie richten den Blick weg vom Geheimnis, dem Mittelpunkt aller Liturgie.

Das Messbuch Pauls VI. hat die Struktur der Messe deutlich verändert, einige Teile gestrichen (Stufengebet, Schlussevangelium), andere hinzugefügt (Fürbitten, Friedensgruß). Es hat an die Stelle des Canon Missae eine Vielzahl von Hochgebeten höchst unterschiedlichen Charakters gesetzt. Und es hat zahllose Wahlmöglichkeiten geschaffen – und damit der liturgischen Kreativität erst den Raum verschafft, die, so schreibt Ratzinger in „Der Geist der Liturgie“,

keine authentische Kategorie des Liturgischen sein kann. Ohnedies ist dieses Wort im Bereich der marxistischen Weltsicht gewachsen. Kreativität bedeutet, daß in einer an sich sinnlosen, durch blinde Evolution entstandenen Welt der Mensch nun schöpferisch eine neue und bessere Welt erschafft.

Was das Messbuch angeht, so wird nichts anderes bleiben als weitere Revisionen. Vom Missale Pius‘ V., promulgiert am 14. Juli 1570, bis zur ersten Revision vergingen nur 34 Jahre. Das Missale Johannes Pauls II., promulgiert am 20. April 2000 und damit gut dreißig Jahre nach 1969/1970, hat den deutschen Sprachraum noch gar nicht erreicht.

Das Missale Benedikts XVI. könnte ein revidiertes Messbuch von 1962 sein, das den Faden der Liturgiereformen von Pius X. und Pius XII. aufnimmt und weiterführt – wie es die Intention von „Sacrosanctum Concilium“ war.

Teil 4: Die Liturgiekonstitution