Binäres Denken

Der linksautoritäre Habitus, der zahllose Diskursverbote zu verhängen trachtet, hat uns ein binäres Denken beschert, früher auch als Schwarz-Weiß-Denken oder Lagerdenken bekannt.

Es gibt nur noch gut oder böse, Freund oder Feind, Gutmensch oder Nazi, richtig oder falsch, politisch korrekt oder Hetze. Für Grauzonen und Zwischentöne ist kein Platz mehr. Schlimmer aber: Es gibt nur noch eine vermeintlich legitime Art zu denken und zu diskutieren, alles andere ist Autobahn.

Political_chart_DEWie konnte es dazu kommen? Zunächst einmal hat die Ausgrenzung des rechten und des liberalen Sektors dazu geführt, dass tendenziell bis zu 75 Prozent aller Wähler sich plötzlich außerhalb des vermeintlich akzeptablen Bereiches wiederfinden.

Auf diese Weise bastelt man sich seinen Rechtsruck selbst. Man erklärt das linksautoritäre Politikfeld zum Dogma und alles andere zur „rechten“ Häresie, und schon befindet man sich im Kampf mit der Mehrheit der Gesellschaft, die erstaunlicherweise nun irgendwie alle zu Nazis geworden sind. So muss man sich in der linksautoritären Wagenburg einmauern wie die Gallier bei Asterix in ihrem Dorf.

Spätestens an dieser Stelle bricht der offene Diskurs ab. Von nun an dominiert Freund-Feind-Denken. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Wer das linksautoritäre Dogma leugnet, ist Nazi. Diese Grenze verläuft inzwischen mitten durch die Gesellschaft und führt zu absurdesten Debatten. Vor allem führt sie aber zu einer grotesken Polarisierung.

Wo normalerweise die Mitte der Gesellschaft ist, verläuft nun eine Kampflinie, die dort nicht hingehört. Abgrenzungen sind an den Rändern der Gesellschaft nötig, und zwar zum Rechts- wie zum Linksfaschismus und zu latent oder offen gewaltbereiten Gruppen. Aber nicht in der Mitte.

Wer hingegen versucht, einen Keil mitten in die Gesellschaft zu treiben, der kann eigentlich nur verlieren. Jedenfalls in einer funktionierenden Demokratie wie der unsrigen. Denn in einer solchen lassen sich allenfalls Minderheiten ausgrenzen (und auch das halte ich für keine gute Idee), nicht aber die Mehrheit.

Binäres Denken muss aber auch deshalb scheitern, weil es die Unterscheidung zwischen Person und Argument aufgibt. Wer dem falschen Lager angehört, der kann sagen, was er will, es kann nur falsch sein. Umgekehrt muss alles richtig sein, was von den richtigen Leuten kommt. Es ist leicht zu erkennen, dass beides nicht stimmen kann.

Ähnlich verhält es sich mit der Zuordnung von Personen zu Lagern. Bestimmte Aussagen führen quasi automatisch zur Einordnung in ein bestimmtes politisches Lager. Damit verbunden ist die Unterstellung, auch andere diesem Lager zugeordnete Aussagen zu teilen. Für differenzierte Positionen bleibt da wenig Platz. Es fehlt an der Bereitschaft, Argumente ohne Ansehen der Person zu betrachten und offen, an der Sache und nicht an vermeintlichen Lagern orientiert zu argumentieren.

Es muss nicht eigens betont werden, wie schädlich dieses binäre Denken für eine freie, demokratische Gesellschaft ist. Es fließt sehr viel Energie in Abgrenzungen und Scheindebatten, in einen Kampf zwischen zwei Lagern, die eigentlich durchlässig wären. Wenn nicht eine lautstarke linksautoritäre Minderheit die Polarisierung vorantriebe.

Man muss nicht alles gut finden, was sich in den vier Sektoren des politischen Feldes bewegt. Keine Frage. Das meiste bewegt sich aber im Rahmen dessen, was in einer Demokratie gedacht und gesagt werden darf.

Und übrigens auch sollte, denn der Ausschluss relevanter Bevölkerungsgruppen und ihrer Themen schadet der Demokratie selbst. Mit außerparlamentarischer Opposition hat dieses Land noch niemals gute Erfahrungen gemacht. Wenn relevante Bevölkerungsgruppen ihre Interessen nicht mehr parlamentarisch vertreten sehen, erodiert die Demokratie.

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Diskursverbote

Was mich am linksautoritären Habitus, der sich seiner selbst nicht bewusst ist, fast am meisten nervt, ist die lange und immer länger werdende Liste von Diskursverboten, die er verhängt. Mehr und mehr Positionen, Publikationen und Publizisten werden auf den Index gesetzt und aus dem legitimen Meinungsspektrum auszugrenzen versucht. Dies verengt die Debatte völlig unnötigerweise und steht in keiner guten Tradition.

Die katholische Kirche kannte bis in die 60er Jahre hinein den Index Librorum Prohibitorum. 1933 wurden in Deutschland Bücher verbrannt, wie auch, ebenfalls im 20. Jahrhundert, in der Sowjetunion. Die katholische Kirche hatte immerhin gute Gründe, nämlich das Seelenheil, was sich von linken und rechten Sozialisten nicht gerade behaupten lässt.

Political_chart_DEHeute trifft es sowohl liberale als auch rechte Positionen, also praktisch alles, was nicht dem links-autoritären Dogma gehorcht oder sich wenigstens noch irgendwie in der ominösen Mitte bewegt. Doch selbst die Mitte ist ein gefährlicher Ort geworden, da zu ihr auch (gemäßigt) rechtsautoritäre, rechtsliberale und linksliberale Anteile gehören.

Am härtesten geht der linksautoritäre Habitus mit profilierten rechtsliberalen Positionen ins Gericht. Das ist klar, weil sich hier auf beiden Achsen Abstoßungsreaktionen zeigen. Dem Linken ist der Rechte nicht geheuer, und dem Autoritären missfällt der Liberale.

Das prominenteste Beispiel dafür ist die Junge Freiheit, zugleich ein gutes Beispiel, weil sie sowohl relativ weit rechts als auch relativ liberal positioniert ist. Diese beiden Positionierungsmerkmale schließen sich tatsächlich nicht aus, auch wenn das linksautoritäre Dogma dafür blind ist.

Dieses Dogma glaubt im Kern an den starken Sozialstaat, dem sich die freie Gesellschaft ebenso unterzuordnen hat wie Recht und Ordnung sowie die freie wirtschaftliche Betätigung der Bürger. Die liberale Idee der Meinungsfreiheit ist dem linksautoritären Dogma ein Greuel, jedenfalls soweit sie andere Meinungen als die eigene betrifft.

Ein typisches liberal-konservatives Blatt ist der Cicero, dem zwischenzeitlich sogar einmal ein Linksruck bescheinigt wurde und der neuerdings eines Rechtsrucks bezichtigt wird. Die taz, die diesen Vorwurf erhebt, ist selbst eher ein Projekt des linksautoritären Habitus mit entsprechendem Standbein, hatte aber immer auch ein linksliberales Spielbein.

The European wird in der englischsprachigen Wikipedia als „moderate“ geführt und hat laut Gründungschefredakteur Alexander Görlach keine eigene politische Position. Obwohl dort regelmäßig rechtsliberale Autoren publizieren, scheint The European bis jetzt noch vom Diskursverbot ausgenommen zu sein – wahrschein­lich, weil dort auch Liane Bednarz zum Autorenkreis zählt. Nicht so das libertäre eigentümlich frei, das als rechtsliberales Blatt zu genau ins Beuteschema des linksautoritären Dogmas passt.

Interessanterweise befindet sich der Rechtsfaschismus ja gerade nicht im rechtsliberalen Politikfeld, sondern stellt das rechtsautoritäre Extrem dar (was wiederum näher am linksautoritären Extrem – dem Linksfaschismus – liegt als es auf den ersten Blick scheint). Weil dem so ist, greift der gern gebrauchte Faschismusvorwurf für das rechtsliberale Politikfeld auch nicht.

Dass er trotzdem gebraucht wird, hat mit mangelnder Differenzierungsfähigkeit entlang der Achse liberal-autoritär ebenso zu tun wie mit der Blindheit des linksautoritären Habitus, der sich seiner selbst nicht bewusst ist. Alles, was nicht ins linksautoritäre Dogma passt, rührt er zu einer einzigen Soße zusammen. Eine sinnvolle Analyse sieht anders aus.

Was auf der autoritäten Seite nicht verstanden und auch anders gehandhabt wird: Wirkliche Liberale lassen auch die Gegenseite zu Wort kommen und bewerten den freien Austausch auch konträrer Meinungen höher als dogmatische Linientreue. Weshalb in rechtsliberalen Blättern eben auch rechtsautoritäre, aber ebenso linke Autoren zu Wort kommen.

Mir persönlich würden zwei Ausschlusskriterien genügen. Da wäre zum einen der Faschismus, aber bitte in beiden Varianten, Links- wie Rechtsfaschismus, also die links- und rechtsautoritären Extreme. Das zweite Kriterium ist die latente oder offene Gewaltbereitschaft, die zum größten Teil wahrscheinlich bereits durch den Ausschluss des Faschismus ausgeschlossen ist.

Mir jedenfalls sind keine gewaltbereiten links- oder rechtsliberalen Extremisten bekannt. Doch wer weiß, ich mag mich irren.

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Die ominöse Mitte

In den letzten Monaten habe ich mich recht intensiv mit dem Politischen Kompass und seiner Anwendung auf die aktuelle politische Situation in Deutschland befasst. Dabei habe ich den vier Feldern jeweils einige Aufmerksamkeit gewidmet. Bis jetzt zu kurz gekommen ist allerdings die Mitte.

Dies verwundert, da dort bekanntlich Wahlen gewonnen werden. Angela Merkel hat die CDU erfolgreich in die Mitte gerückt und damit der SPD die Luft zum Atmen genommen. Die SPD muss im links-autoritären Politikfeld mit der Linken und großen Teilen der Grünen konkurrieren, während die Grünen selbst wiederum in die von Merkel besetzte Mitte drängen.

Political_chart_DEWas ist also diese ominöse Mitte? Die Mitte ist zunächst einmal definiert als Schnittpunkt der beiden Achsen links-rechts und liberal-autoritär. Wer sich politisch in der Mitte positioniert, versteht sich also weder als links noch als rechts und weder liberal noch autoritär. Aber was dann, so möchte man fragen.

Für Deutschland trifft wohl am ehesten der Begriff Soziale Marktwirtschaft auf diese Mitte zu. Sie vereint das eher links-autoritäre sozialstaatliche Umverteilungsmoment mit der eher rechts-liberalen freien Marktwirtschaft, die aber einer rechts-autoritär gedachten staatlichen Regulierung bedarf, ohne jedoch die links-liberal verstandene freie Gesellschaft unnötig einzuengen.

Das klingt wie das katholische „et-et“ (sowohl – als auch), eines der Grundprinzipien katholischen Denkens. So gesehen hat im Konzept der Sozialen Marktwirtschaft jedes der vier Felder seine eigene Berechtigung, ohne die jeweils anderen ausschließen zu wollen. Die Mitte ist, dialektisch gedacht, quasi die zweidimensionale Synthese der beiden politischen Grundwidersprüche.

Für den Regulierungsgedanken gibt es den selbst wieder schillernden Begriff des Ordoliberalismus, der sich nicht leicht auf ein einzelnes Politikfeld festlegen lässt. Kerngedanke der sozialen Marktwirtschaft ist jedenfalls, dass der Staat sowohl den Ordnungsrahmen für die Wirtschaft setzen als auch für einen gewissen sozialen Ausgleich sorgen muss, ohne die freie wirtschaftliche Betätigung der Bürger unnötig einzuschränken.

Die so verstandene Mitte ist zahlreichen Gefährdungen ausgesetzt. Die autoritäre Gefahr ist eine mögliche Übermacht des Staates, der Gesellschaft und Wirtschaft stranguliert. Die liberale Gefahr ist eine Schwächung des Staates, die seine Aufgaben beeinträchtigt. Die linke Gefahr ist eine überbordende Umverteilung, die zulasten der wirtschaftlichen Entwicklung geht. Und die rechte Gefahr ist eine Überbetonung der Wirtschaft, die zulasten der wirtschaftlich Schwachen geht.

Die Mitte ist der Ort zahlloser Kompromisse, die widerstreitende Interessen ausbalancieren. Sie ist kein Ort für Links- oder Rechtsradikale, für autoritäre oder liberale Extremisten. Wenn sich die Verteilung der Wähler entlang der beiden Achsen jeweils in Form einer Gaußkurve bewegt, dann ist in relativer Nähe zur Mitte die große Mehrheit aller Wähler zu finden.

Volksparteien müssen sich daher in der Mitte aufhalten. Je mittiger die größte Partei positioniert ist, umso schwieriger wird es für andere Volksparteien. Um sich zu unterscheiden, müssen sie von der Mitte wegrücken. Dadurch verlieren sie allerdings Wähler. Sich ebenfalls mittig zu positionieren, führt zum Verlust des eigenen Profils.

Was diese Zwickmühle bedeutet, ist derzeit gut am Beispiel der SPD zu besichtigen. Auch die Grünen laufen mit einem Kurs Richtung Mitte Gefahr, ihr Profil zu verlieren. Doch für die Grünen wären 20 Prozent der Wählerstimmen ein großer Erfolg, während der gleiche Wert für die SPD nahezu einer Katastrophe gleichkommt.

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Der linksautoritäre Habitus

Es gibt einen linksautoritären Habitus, der sich seiner selbst nicht bewusst ist. Um ihn zu verstehen, ist noch einmal ein Blick auf den Politischen Kompass nötig. Diskurspolitisch verbinden sich im linksautoritären Habitus die Ausgrenzung des rechten und des liberalen Sektors gleichermaßen. Damit bleibt der linksautoritäre Sektor als einzig legitimes Politikfeld übrig.

Political_chart_DEDer rechte Sektor wird durch eine Gleichsetzung ausgegrenzt, die nicht mehr zwischen konservativ, rechts, rechtspopulistisch, rechtsradikal oder rechtsextrem unterscheidet. Alles rechts der Mitte gilt pauschal als „rechts“, und rechts heißt mindestens rechtspopulistisch, eher aber rechtsradikal und rechtsextrem. Die alte Unterscheidung gilt nicht mehr, nach der es die latente oder offene Gewaltbereitschaft war, die zum Ausschluss aus dem legitimen politischen Spektrum führte.

Ähnliches gilt für den liberalen Sektor. Hier fungiert der Neoliberalismus als Vehikel, um liberale Ideen per se zu verdammen. Angesichts einiger Auswüchse des Neoliberalismus ist die Kritik daran zwar verständlich und legitim. Allerdings überzieht der Diskursausschluss, indem er zum Beispiel geflissentlich übersieht, dass auch der Neoliberalismus nur eine Gegenbewegung zum starken Ausbau des staatlichen Sektors war. Dieser Ausbau geschah in den 70er Jahren als Antwort auf die Wirtschaftskrise.

Diese Pauschalisierung und Polarisierung hat sehr viel Raum für neue politische Parteien geschaffen. Das Spektrum der etablierten Parteien ist praktisch im linksautoritären Sektor plus der Mitte zusammengeschnurrt. In der liberalen Hälfte des politischen Feldes irrlichtert einsam die parlamentarisch nur schwach vertretene FDP umher, in der rechten Hälfte irrlichtert ebenso und ebenso einsam die AfD herum, die ursprünglich als rechtsliberales Projekt gestartet war und zwischenzeitlich ihren rechtsautoritären Flügel gestärkt hat.

Zur besonderen Ironie der Lage gehört, dass sich der linksautoritäre Habitus seines autoritären Gestus gar nicht bewusst ist, sondern „autoritär“ einseitig mit dem rechtsautoritären Sektor zu verbinden sucht. Dies macht blind dafür, dass die Einengung des akzeptablen politischen Raumes auf den linksautoritären Sektor selbst eine autoritäre Figur des Denkens und Handelns ist. Sie kann sich sogar antiautoritär geben, obwohl sie dies gerade nicht ist. Denn antiautoritär wäre ja liberal.

Diese Analyse fußt auf der Akzeptanz des Politischen Kompasses und damit der These, dass die Achse links-rechts orthogonal zur Achse liberal-autoritär steht. Wer hingegen links pauschal mit liberal gleichsetzt und rechts mit autoritär, wird meinem Argument nicht folgen können. Er hat dann allerdings das Problem, wie er die Ablehnung des Neoliberalismus erklären kann.

Dies kann dann wohl nur mit einer Argumentationsfigur der Uneigentlichkeit geschehen, der zufolge der Neoliberalismus kein wirklicher Liberalismus wäre, sondern eine Perversion des Liberalismus. Eine solche Argumentation scheint mir allerdings wenig haltbar zu sein. Ich würde den Neoliberalismus eher im rechtsliberalen Politikfeld ansiedeln.

Rechts- wie linksautoritäre Politik eint ihr Ruf nach einem starken Staat. Sie unterscheidet nur, was als vorrangige Staatsaufgabe angesehen wird. Während rechtsautoritäre Politik eher auf Recht und Ordnung besteht, verlangt linksautoritäre Politik nach mehr Sozialstaat und Umverteilung des Wohlstands.

Rechts- und linksliberale Politik eint hingegen ihr Misstrauen gegenüber einem übermächtigen Staatswesen. Während rechtsliberale Politik eher auf die Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung setzt, fordert linksliberale Politik eher eine freie Gesellschaft, die weder durch den Staat noch durch die Wirtschaft dominiert werden soll.

In einer lebendigen Demokratie sind alle vier Felder parlamentarisch vertreten und ringen gemeinsam um Wählerstimmen sowie um politische Lösungen. So gesehen ist die Entstehung der AfD eher eine gesunde Reaktion auf die Räumung des rechten Sektors durch die CDU/CSU. Eine Neubesetzung des liberalen Sektors hingegen, den die FDP zuletzt praktisch verwaisen ließ, steht einstweilen noch aus.

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Der Wassermann war da

Am vorgestrigen Abend fiel uns plötzlich eine rote Lampe auf, die außen am Ferienhaus leuchtete. Wir dachten uns nicht viel dabei, bis schließlich gestern Abend kein Wasser mehr aus dem Hahn sprudelte. Da wurde uns klar, dass hier wohl ein Zusammenhang besteht.

Tatsächlich wird unser Ferienhaus aus einer eigenen Zisterne mit Wasser versorgt. Der Wasserstand darin war unter die Schwelle gesunken, bis zu der die Wasserpumpe noch ihren Dienst verrichten kann. Die Pumpe stellte also ihren Dienst ein.

So blieb der Abwasch vom Abendessen in der Küche stehen, wir konnten uns nicht mehr die Hände waschen, von einer Dusche ganz zu schweigen, die Waschmaschine wusch trocken weiter und beim Zähneputzen kam Mineralwasser zum Einsatz. Von einem Moment auf den anderen war klar, wie wichtig doch das fließende Wasser aus der Leitung ist.

Und wie wenig selbstverständlich es eigentlich ist, dass wir nur den Hahn aufdrehen müssen, um Trinkwasser bester Qualität in nahezu beliebiger Menge zu günstigen Preisen zu bekommen. Mallorca hat ein Wasserproblem. Das Wasser ist zwar trinkbar, schmeckt aber sehr salzig, weshalb in jedem Supermarkt Trinkwasser in großen Kanistern angeboten wird.

Unser kleines Wasserproblem war schon heute früh vor sieben Uhr gelöst, nachdem der Tankwagen mit frischem Trinkwasser die Zisterne wieder gefüllt hatte. Die Pumpe brauchte danach nur noch einen Tastendruck, um ihren Dienst wieder aufzunehmen.

Deo gratias.

Die EU, die Briten, die Demokratie und das liebe Geld

Als Katholik glaube ich ja nicht an die Demokratie. Deshalb kann ich mir auch andere Regierungsformen vorstellen. Als Politikwissenschaftler staune ich allerdings über die Stabilität der Nachkriegsdemokratie in Deutschland. Die bisherigen großen Verwerfungen (1968/77 und 1989/90) hat sie gut verarbeitet, und auch für die Verarbeitung der Verwerfung von 2015ff. stehen die Chancen gut.

Die Briten jedoch bewundere ich für die Stabilität ihres politischen Systems, das schon so einiges weggesteckt hat. Ich denke, dass diese Stabilität auch mit der Monarchie zu tun hat. Die Queen symbolisiert quasi die Einheit des Königreiches in Raum und Zeit. So ein EU-Referendum ist angesichts der britischen Geschichte nicht viel mehr als eine Fußnote.

Den britischen Wählern, jedenfalls einem signifikanten Teil jener 52 Prozent, die sich für den Brexit ausgesprochen haben, wird nun vorgeworfen, in Unkenntnis wichtiger, entscheidungsrelevanter Fakten entschieden zu haben. Was sind denn das, einmal abgesehen von den hinlänglich bekannten und diskutierten Zahlungen an die EU, für Fakten, deren Kenntnis die britischen Wähler vermissen ließen, die aber unbedingt hätten bekannt sein müssen?

Geht es um mehr oder weniger detaillierte Kenntnisse des politischen Systems der EU? An diesem System lässt sich völlig zu Recht bemängeln, dass es an einer wirklichen Gewaltenteilung fehlt. Europäische Legislative und Judikative sind unterentwickelt, die Exekutive wird von den Regierungen der Mitgliedsstaaten dominiert. Das lässt nach wie vor viel zu wünschen übrig. Demokratiedefizit lautet seit Jahrzehnten das Stichwort.

Die europäische Währung ist in der Summe kein Erfolgsprojekt, und Großbritannien ist daran ebenso wenig beteiligt wie an Schengen. Die beiden wirklichen Erfolgsprojekte, Schengen und der Binnenmarkt, sind beide nicht an eine EU-Mitgliedschaft gebunden. Großbritannien wird auch nach dem Austritt Teil des Europäischen Wirtschaftsraumes bleiben.

Ich komme immer wieder auf die Nettozahlereigenschaft Großbritanniens zurück. Die Leave-Kampagne hat hier offensichtlich einen Nerv getroffen, das zeigen die zahlreichen bellenden Hunde. Übrigens ist das auch ein echtes Problem für die EU, denn wer soll eigentlich die nach einem Brexit fehlenden Mittel aufbringen? Oder muss etwa der EU-Haushalt massiv gekürzt werden?

Die EU müsste mal erklären, wozu sie eigentlich gut ist. Dies scheint vielen EU-Bürgern nicht mehr so recht einleuchten zu wollen. Bei Lichte besehen ist es eher erstaunlich, dass immerhin 48 Prozent der britischen Wähler in der EU bleiben wollten.

Der Brexit und die Demokratie

Politische Entscheidungen sind keine Sachentscheidungen, sondern Wertentscheidungen. Es gibt dafür keine fachlich richtigen Lösungen, sondern politische Fragen müssen politisch entschieden werden.

Eine Mehrheitsentscheidung ist dafür ein mögliches Verfahren, sei es in der direkten oder in der parlamentarischen Variante. Alternativen sind Monarchie oder Diktatur. Eine Technokratie, also eine Form der Expertenherrschaft, liegt näher an der Diktatur als an der Demokratie.

Die Entscheidung über den Verbleib in der EU ist eine klassische Wertentscheidung, die sich durch zwei klare Varianten auch gut für einen Volksentscheid eignet. Es ist die Frage nach dem höheren Wert: Ist es die EU und damit der Verbleib in derselben oder die relative Unabhängigkeit, wie sie zum Beispiel auch die Schweizer oder die Norweger gewählt haben? Die Folgen dieser Entscheidung sind dann letztlich zweitrangig und außerdem selbst wieder politisch zu gestalten.

In einer funktionierenden westlichen Demokratie sind Sachentscheidungen vorrangig Sache der Verwaltung. Die stellt fest, ob bestimmte Sachverhalte gegeben sind, und setzt entsprechendes Handeln in Gang. Die Regeln dafür bestimmt die Legislative, und die Judikative überprüft, ob alles mit rechten Dingen zugeht.

Politische Entscheidungen sind demgegenüber im Kern gerade keine Sachentscheidungen, sondern quasi Meta-Entscheidungen: über Grundsätze, über Regeln, über Werte, die gelten sollen. Deshalb ist die Legislative der eigentliche Ort des Politischen. Die Exekutive hat das Ergebnis demokratischer Willensbildung auszuführen.

Im konkreten Fall des Brexit war an jener umstrittenen Zahl der Netto-Überweisung letztlich nicht entscheidend, wie hoch sie nun genau ist. Sondern entscheidend ist, dass Großbritannien zu den Nettozahlern der EU gehört. Und es ist eine absolut legitime Frage, ob dieses Geld des britischen Steuerzahlers eigentlich gut investiert ist oder besser, zum Beispiel, ins einheimische Gesundheitswesen fließen sollte.

Das ist letztlich keine Sachentscheidung, sondern eine politische Entscheidung und wurde auch als solche verstanden. Ich bin wirklich überrascht über die zahlreichen Versuche, der Wählermehrheit mangelnde Kenntnis zu unterstellen. Ich finde es auch ziemlich arrogant, nun so zu tun, als habe es nur einer besseren Kenntnis allerlei vermeintlicher oder tatsächlicher Fakten bedurft, um zu einer anderen Entscheidung zu kommen.

Die Mehrheit der Briten hat entschieden, dass sie der EU in ihrer heutigen Form nicht länger angehören wollen und stattdessen einen Verhandlungsprozess mit ungewissem Ausgang, aber sicherem Ende der EU-Mitgliedschaft beginnen wollen. Da Großbritannien Nettozahler ist, wird in jedem Fall kein Geld mehr nach Brüssel fließen. Das ist durchaus eine legitime politische Entscheidung, ob man sie nun gutheißt oder nicht.

Irgendwie ist Demokratie zwar ganz nett, aber nur, solange die Ergebnisse stimmen? Da wäre mal eine Entscheidung angebracht, ob nun die Bürger selbst über ihre ureigenen Belange entscheiden sollen oder ob das nur Menschen dürfen, die sich hinreichend mit wirklichen oder vermeintlichen Fakten vertraut gemacht haben.

Über Subjekt und Adressat lokaler Kirchenentwicklung

Wenn Subjekt und Adressat lokaler Kirchenentwicklung unklar sind, dann liegt die Frage nach dem Soll nahe. Und die Frage, wer eigentlich diese Vorgabe zu machen hat.

Die Antwort ist in die gesamte Existenz der Kirche eingeschrieben. Sie steht in Mt 28, 19-20: 

„Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“

Es handelt sich um den Auftrag des Auferstandenen, wie die Einheitsübersetzung diesen Abschnitt überschreibt, oder auch, etwas altertümlich formuliert, den Missionsbefehl Jesu. Nun ist diese Antwort offenbar nicht so offensichtlich, wie man sie womöglich gern hätte. Sonst würden sich diese Fragen ja gar nicht erst stellen. Halten wir also zwei Punkte fest:

  1. In den Konzepten lokaler Kirchenentwicklung ist die Frage nach Subjekt und Adressat nicht so klar beantwortet, dass die Antwort offensichtlich wäre.
  2. Der Auftrag, zu allen Völkern zu gehen und alle Menschen zu Jüngern Jesu zu machen, muss konkretisiert werden, um konkret zu werden.

Der erste Punkt liegt jenseits der Sphäre meines persönlichen Einflusses. Ich habe mir die Konzepte lokaler Kirchenentwicklung nicht ausgedacht, aber ich erlebe sie in der Praxis und stelle insbesondere die Defizite fest, die sich dabei zeigen. Was die Ursachen dieser Defizite sind, ist gar nicht so einfach festzustellen.

Der zweite Punkt hingegen hat mich dazu veranlasst, in unserer Gemeinde eine Bibelwerkstatt zu initiieren, um zu einer Verständigung über das Fundament zu kommen. Dies kann nicht einfach vorgegeben, sondern muss (wieder-)entdeckt werden, und zwar von der Gemeinde selbst. Diese Anregung verdanke ich dem amerikanischen Pastor Rick Warren.

Zu diesem Fundament gehört auch noch mehr, insbesondere Mt 22, 37-40:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten.“

Die Antwort heißt also: Die Kirche kann gar nicht anders, als das Evangelium allen Völkern zu verkünden und alle Menschen zu Jüngern Jesu zu machen. Lokale Kirchenentwicklung kann daher nichts anderes heißen, als diesen Auftrag zu konkretisieren und auf die lokale Situation anzuwenden.

Die Gemeinde muss sich darüber verständigen, wer das Subjekt lokaler Kirchenentwicklung ist – die fünfprozentige Kerngemeinde oder die sehr viel größere Papiergemeinde? Oder gar ein Drittes? Und sie muss entscheiden, an wen konkret sie sich wenden will – an die nominalen Katholiken und Kirchensteuerzahler? Oder an das lokale Umfeld der Gemeinde? Und an wen dort konkret?

Darauf kann es keine pauschalen Antworten geben, sondern dies ist die Aufgabe jeder Gemeinde. Was allerdings nicht geht, ist Selbstgenügsamkeit. Lokale Kirchenentwicklung kann nicht heißen, dass eine fünfprozentige Kerngemeinde sich selbst genügt und keinerlei missionarischen Impuls entwickelt. Dann hätte sie ihren Auftrag verfehlt.