Die Anthropologie (oder vielmehr die Frage nach...

Die Anthropologie (oder vielmehr die Frage nach dem Menschenbild) halte ich für eine der spannendsten Fragen, der wir uns heute stellen müssen. Letztlich lassen sich viele umstrittene Punkte auf Differenzen in der Anthropologie zurückführen.

Weswegen ich auch den Ansatz Rahners interessant finde. Er stellt (im Grundkurs des Glaubens) genau die Frage an den Anfang, welche Grundannahmen das Christentum über den Menschen macht und machen muss, um sich überhaupt verständlich machen zu können. Gerade diese Grundannahmen sind es, die heute nicht mehr selbstverständlich sind.

Und an dieser Stelle läuft auch die Katechese gern gegen die Wand, weil weder Katecheten noch Katechumenen (oder anderen Sakramentsbewerbern) klar ist, dass das christliche Menschenbild nicht mehr so recht mit dem common sense übereinstimmt. Vom common sense her gesehen werden aber viele Aussagen der frohen Botschaft bestenfalls unverständlich.

Die Herausforderung für die Theologie ist, nicht einfach per Abspaltung sozusagen zwei Sphären zu schaffen, Wissenschaft vom Menschen (=Anthropologie) und vom Glauben (=Theologie) voneinander zu trennen, sondern aufeinander zu beziehen. Es reicht nicht aus, schlicht jegliche auf den ersten Blick unvereinbare Erkenntnis oder These am Prüfstein des Dogma zerschellen zu lassen. Das wäre zu einfach.

Ein paar Schlagworte sind Theozentrismus, Anthropozentrismus – und die jedenfalls mich überraschende These, Johannes Paul II. vertrete einen Christozentrismus, wenn man so will als Synthese aus den beiden Ismen.

Ganz offensichtlich ist, dass Rahner nicht auf der Höhe der Zeit ist. (Wie sollte er auch? Er ist seit zwanzig Jahren tot.) In seinen anthropologischen Thesen scheint mir auch deutlich der Einfluss von Martin Heidegger erkennbar zu sein, dessen Schüler Rahner war. Und Heidegger ist nun ein Kapitel für sich.

Heute stehen wir in einer Übergangssituation...

Heute stehen wir in einer Übergangssituation: Auch heute werden viele Kleinkinder durch die Taufe in die Kirche aufgenommen; jedoch ist dies nicht mehr der selbstverständliche Beginn eines sich nach und nach entfaltenden kontinuierlichen Glaubensweges, der zur Bildung einer erwachsenen christlichen Identität führt.

Früher oder später muss eine grundlegende, bewusste Entscheidung für den christlichen Glauben und das Mitleben in der Glaubensgemeinschaft hinzukommen. Andernfalls bleibt der Glaubensweg bei einer formalen Kirchenmitgliedschaft stehen und relativiert sich in einer diffusen Religiosität. […]

Die idealtypische Aufeinanderfolge von Erstverkündigung und Katechese begegnet im Alltag katechetischer Praxis spürbaren Schwierigkeiten. Vor allem in der Sakramentenkatechese wird deutlich, wie wenig diese Reihenfolge – von der Erstverkündigung zur Katechese – der Realität entspricht. Das, was in der Erstkommunion- oder Firmkatechese häufig geschieht, entspricht kaum dem Auftrag der Katechese im engeren Sinne, sondern eher der Erstverkündigung als erster Stufe der Evangelisierung. Dennoch vermitteln solche „katechetischen“ Treffen durchaus etwas vom Evangelium und vom christlichen Glauben; es bleibt vielfach die Erinnerung an die Begegnung mit sympathischen Menschen, an das Erleben in der kleinen Gruppe, an gelungene Unternehmungen – auch im religiösen Bereich. So kann eine Sympathie für das erreicht werden, wofür die Kirche steht. […]

Oft belastet die Enttäuschung über fehlende Motivation und mangelndes Interesse die für die Katechese Verantwortlichen. Dann ist es entlastend, wenn das Handeln in Situationen, in denen keine Katechese im engeren Sinn möglich ist, von unrealistischen Erwartungen befreit wird. Die Begrenzung der Ziele auf das Mögliche mit jenen, die nur wenig mitnehmen können, kann Zeit und Kraft freisetzen, um mit anderen Wege einer weiterführenden bzw. vertiefenden Katechese zu gehen. […]

Der katechetische Weg des Hineinwachsens in den Glauben ist von unterschiedlicher Dauer. Der Zeitraum des Weges lässt sich zu Beginn nicht unbedingt festlegen; zum Weg können Umwege und Unterbrechungen, manchmal auch Abbrüche gehören. Wie der Weg des Katechumenats kennt auch die Katechese unterschiedliche Phasen und Stufen, die Ausdruck für den wachsenden Glauben sind. Katechese kann in einem solchen Prozess nicht nur in der Aneinanderreihung von Inhalten und Themen eines zuvor fixierten Lernpensums bestehen – so sehr die zentralen Aussagen des christlichen Glaubens je nach dem katechetischen Kairos zur Sprache gebracht werden müssen –, sondern sie begleitet und fördert die persönliche Gottesbeziehung.

Ob und wann jemand zu einem persönlichen Glauben findet, verdankt sich dem Gnadenwirken Gottes und ist kein überprüfbares Lernziel der Katechese; sie hat „nur“ eine dienende Funktion.

Katechetisches Lernen braucht Bezugspersonen, Katechetinnen und Katecheten, als Glaubensbegleiter. In der Art, wie sie anderen Menschen begegnen, wie sie sich über Leben und Glauben mitteilen, werden sie zu einem lebendigen „Katechismus“: Sie vermitteln als lebendiges Zeugnis – mit und ohne Worte – die Botschaft von der zuvorkommenden Nähe Gottes, die jedem Menschen zugesagt ist. Glaubensbegleiterinnen und -begleiter sind Menschen, die selber auf dem Weg sind, offen für neue Erfahrungen, die sich ihnen in der Begegnung mit anderen in der Katechese erschließen.

Die deutschen Bischöfe: Katechese in veränderter Zeit