Humanae Vitae

Am morgigen Sonntag wird Papst Paul VI. seliggesprochen. Aus diesem Anlass sei an seine letzte Enzyklika namens Humanae Vitae erinnert, ein tatsächlich prophetisches Rundschreiben.

Die Veränderungen sind wirklich bedeutsam und verschiedenartig. Zunächst handelt es sich um die rasche Bevölkerungszunahme: viele fürchten, daß die Weltbevölkerung schneller zunimmt, als die zur Verfügung stehende Nahrung erlaubt. Dadurch wächst die Not in vielen Familien und in den Entwicklungsländern. Das kann staatliche Regierungen leicht dazu drängen, diese Gefahr mit radikalen Maßnahmen zu bekämpfen. Dazu erschweren nicht nur Arbeits- und Wohnverhältnisse, sondern auch gesteigerte Ansprüche wirtschaftlicher Art und im Hinblick auf die Erziehung und den Unterricht der Jugend den angemessenen Unterhalt einer größeren Zahl von Kindern. Wir erleben auch einen gewissen Wandel in der Auffassung von der Persönlichkeit der Frau und ihrer Aufgabe in der menschlichen Gesellschaft; ebenso in der Auffassung vom Wert der Gattenliebe in der Ehe und in der Beurteilung des ehelichen Verkehrs im Hinblick auf diese Liebe. Schließlich ist vor allem der staunenswerte Fortschritt des Menschen in der Beherrschung der Naturkräfte und deren rationaler Auswertung in Betracht zu ziehen. Diese Herrschaft sucht nun der Mensch auf sein ganzes Leben auszudehnen: auf seinen Körper, seine seelischen Kräfte, auf das soziale Leben und selbst auf die Gesetze, die die Weitergabe des Lebens regeln. […]

Die Frage der Weitergabe menschlichen Lebens darf – wie jede andere Frage, die das menschliche Leben angeht – nicht nur unter biologischen, psychologischen, demographischen, soziologischen Gesichtspunkten gesehen werden; man muß vielmehr den ganzen Menschen im Auge behalten, die gesamte Aufgabe, zu der er berufen ist; nicht nur seine natürliche und irdische Existenz, sondern auch seine übernatürliche und ewige. […]

Auch muß man wohl befürchten: Männer, die sich an empfängnisverhütende Mittel gewöhnt haben, könnten die Ehrfurcht vor der Frau verlieren, und, ohne auf ihr körperliches Wohl und seelisches Gleichgewicht Rücksicht zu nehmen, sie zum bloßen Werkzeug ihrer Triebbefriedigung erniedrigen und nicht mehr als Partnerin ansehen, der man Achtung und Liebe schuldet. Schließlich ist sehr zu bedenken, welch gefährliche Macht man auf diese Weise jenen staatlichen Behörden in die Hand gäbe, die sich über sittliche Grundsätze hinwegsetzen. Wer könnte es Staatsregierungen verwehren, zur Überwindung der Schwierigkeiten ihrer Nationen für sich in Anspruch zu nehmen, was man Ehegatten als erlaubte Lösung ihrer Familienprobleme zugesteht? Wer könnte Regierungen hindern, empfängnisverhütende Methoden zu fördern, die ihnen am wirksamsten zu sein scheinen, ja sogar ihre Anwendung allgemein vorzuschreiben, wo immer es ihnen notwendig erscheint? Auf diese Weise könnte es geschehen, daß man, um Schwierigkeiten persönlicher, familiärer oder sozialer Art, die sich aus der Befolgung des göttlichen Gesetzes ergeben, zu vermeiden, es dem Ermessen staatlicher Behörden zugestände, sich in die ganz persönliche und intime Aufgabe der Eheleute einzumischen. Will man nicht den Dienst an der Weitergabe des Lebens menschlicher Willkür überlassen, dann muß man für die Verfügungsmacht des Menschen über den eigenen Körper und seine natürlichen Funktionen unüberschreitbare Grenzen anerkennen, die von niemand, sei es Privatperson oder öffentliche Autorität, verletzt werden dürfen. Diese Grenzen bestimmen sich einzig aus der Ehrfurcht, die dem menschlichen Leibe in seiner Ganzheit und seinen natürlichen Funktionen geschuldet wird. […]

Alle, denen der Fortschritt der menschlichen Kultur und der Schutz der wesentlichen Güter der Seele am Herzen liegt, müssen einstimmig verurteilen, was bei den modernen Massenmedien dazu beiträgt, die Sinne aufzupeitschen und Sittenverfall zu verbreiten, ebenso jede Form von Pornographie in Schrift, Wort und Darstellung. Man soll doch nicht versuchen, solche Entartung mit Berufung auf Kunst und Wissenschaft zu rechtfertigen oder mit dem Hinweis auf die Freiheit, die vielleicht in diesem Bereich die staatlichen Stellen gewähren.

Humanae Vitae erhält in der Rückschau noch zusätzliches Gewicht durch die Tatsache, dass es sich um die letzte Enzyklika des künftigen Seligen Papstes Paul VI. handelt. Und zwar nicht, weil er kurz danach verstorben wäre, sondern weil er in den letzten zehn Jahren seines Pontifikates kein solches Rundschreiben mehr veröffentlichte.

Der Protestantismus und das heutige deutsche Mutterbild

Frau und Mutter heißt das Verbandsblatt der kfd. Irgendwann, es muss in den 80ern gewesen sein, schrieb das Blatt den zweiten Teil seines Titels, das Wort „Mutter“, plötzlich klein. Der Aufschrei der Mütter, im Verband logischerweise in der Mehrheit, war groß. Heute schreibt man einfach beide Teile klein.

Und nun zu etwas völlig anderem. Die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken kommt in einem Gespräch mit The European zu einer interessanten Einschätzung, woher das heutige deutsche Mutterbild stammt (das sie für dringend änderungsbedürftig hält, aber das versteht sich von selbst).

The European: Sie sehen im Protestantismus, d.h. in der Reformationsbewegung, den Ausgangspunkt für das heutige deutsche Mutterbild. Das müssen Sie erklären, eigentlich ist doch die katholische Kirche die mit dem konservativen Weltbild und der heiligen Jungfrau Maria.

Vinken: Naja, Maria war ja eigentlich eine herrenlose Frau. Der Protestantismus ist der ganz entscheidende Einschnitt und zwar deswegen, weil die Frau darauf festgelegt wurde, Ehefrau und Mutter zu sein. Vorher konnte sie z.B. als Äbtissin oder Nonne, als sponsa christi (Braut Christi, Anm. d. Red.), unabhängig von der Institution Ehe leben. Die Reformation hat dazu geführt, dass die vorherrschende Trennung zwischen dem Raum der Familie – dem Raum der Welt – und der Kirche – dem Raum des Heils – zusammenbrach: Mit dem Protestantismus wurde die Familie zum Raum des Heils und die Mutter der Engel der Liebe.

Den Eltern, das sagt Luther ganz explizit, kam somit die Aufgabe zu, die „rasende Lust des Fleisches“ dadurch zu sühnen, dass sie wenigstens die Seelen der im sündigen Fleisch gezeugten Kinder wieder zu Gott führten. Die Familie als Raum des Heils stand von da an gegen die korrumpierte Welt. In katholischen oder post-katholischen Ländern ist das ganz anders, weil da die Familie logischerweise auf der Seite der Welt steht. Auf der Seite des Heils stehen die Kirche, die Klöster.

The European: Das 20. Jahrhundert wird oft als das „Jahrhundert des Kindes“ bezeichnet. Wie hat dies das deutsche Mutterbild beeinflusst, also auch das Bild der Mutter in der Familie?

Vinken: Natürlich ganz entscheidend. Die Familie ist vor allem in protestantisch geprägten Ländern ein Säkularisat. Aus dem Raum des Heils ist der Raum des Menschlichen schlechthin geworden, der gegen eine kalte Karrierewelt steht: Raum der Liebe gegen herzlos egoistische, ausbeuterische Welt. Und der Garant für dieses Wachsen-Können des Menschlichen ist die Figur der Mutter, die bedingungslos liebt und immer für die ihren da ist.

Interessanter Gedanke, wenn auch nicht ganz schlüssig, hat Luther doch die Ehe explizit als weltlich Ding bezeichnet und aus der Reihe der Sakramente ausgeschlossen. Ist die Familie nun Raum des Heils oder Säkularisat? Und was ist mit dem Gedanken der Familie als Hauskirche? Alles protestantisch?

Was ist normal?

„Was ist normal?“, fragt Miriam Meckel in einem Interview mit der FAZ. „Mit diesem Begriff habe ich nie etwas anfangen können. ‚Normal‘ ist ausgehandeltes Mittelmaß.“

Miriam Meckels Definition ist heute sicher mehrheitsfähig und sagt viel über ihre Persönlichkeit. Aber ist sie auch richtig? Schon die Wikipedia erscheint mir da treffender, wenn sie schreibt:

normal ist: […] in der Soziologie was als üblich betrachtet wird, siehe Soziale Norm

Und weiter heißt es dann:

Soziale Normen (Gesellschaftliche Normen, Soziale Skripte) sind konkrete Vorschriften, die das Sozialverhalten betreffen. Sie definieren mögliche Handlungsformen in einer sozialen Situation. Sie unterliegen immer dem sozialen Wandel, sind gesellschaftlich und kulturell bedingt und sind daher von Gesellschaft zu Gesellschaft verschieden. Normen sind (äußerliche) Erwartungen der Gesellschaft an das Verhalten von Individuen. Die Verbindlichkeit dieser Erwartungen variiert (siehe auch Tabu). Sie sind zu unterscheiden von (innerer) vernunftgemäßer Gewissensprüfung von Handlungen (siehe Moral, Ethik, kategorischer Imperativ).

Normal ist also, was den geltenden Normen entspricht. Normen postulieren ein Sollen, das dem empirischen Sein gegenübersteht. Sich als Einzelner nicht an Normen zu halten, heißt noch nicht, dass diese falsch wären oder nicht gelten würden.

Womit wir, und dieser Sprung sieht nur auf den ersten Blick gewagt aus, bei Charlotte Roche wären. Auch sie ist, wie Miriam Meckel, derzeit in eigener Sache unterwegs, um ihr jüngstes Buch zu bewerben. Bei einer Lesung in München fiel dabei einem Bericht der SZ zufolge der plakative Satz:

„Ich lieeeeebe Wissenschaft, weil sie das schlechte Gewissen weg macht.“

Unterliegt womöglich auch Charlotte Roche dem naturalistischen Fehlschluss? Das Gewissen kann sich ja nur auf Moral beziehen, also auf ein Sollen, während die Wissenschaft das Sein beschreibt. Wie könnte also Wissenschaft auf ein schlechtes Gewissen einwirken? Doch nur, indem Charlotte Roche vom Sein auf das Sollen schließt.

Henscheid über Käßmann

Wer geht Ihnen im Moment von all den öffentlichen Figuren besonders auf die Nerven?

Henscheid: Unter den neuen und allerneuesten hat sich eine Gestalt hervorgetan, die „den Bürgern draußen im Lande“, wie Willy Brandt immer zu sagen pflegte, als ganz besonders tapfere kleine Frau gilt, nämlich die inzwischen sehr bekannte Bischöfin Margot Käßmann. Ich war nachweislich einer der ersten, der mit einer kritischen Käßmann-Einlassung vor sieben Jahren schon den richtigen Riecher hatte. Nicht weil sie betrunken durch Hannover fuhr und so Todesopfer riskierte. Aber dieses Gesamtkunstwerk an Bluff, Simulationskunst, Selbstbeschwörung und spätlutheranischer Frauenaufrechtheit ist zumindest mir, um es mit einem Wort zu sagen, zuwider.

Quelle: Mainpost

Johannes Paul II. und die Theologie des Leibes

Völlig entgangen war mir bisher, dass das epochale Werk Menschliche Liebe im göttlichen Heilsplan von Johannes Paul II. schon seit fast zwei Jahren wieder lieferbar ist. Ich hatte seinerzeit das Buch Theologie des Leibes für Anfänger: Einführung in die sexuelle Revolution von Papst Johannes Paul II. von Christopher West mit Gewinn gelesen, dann aber vergeblich nach den Texten gesucht.

Rheinisch-katholisch hat übrigens schon im Februar angesichts der damals noch relativ frischen Missbrauchsdebatte auf die Theologie des Leibes und die beiden Bücher hingewiesen. Eine Einführung besonders für Jugendliche findet sich beim You-Magazin.

Unter der Fuchtel

Scipio schreibt zur wahren Bestimmung der Weiblichkeit nach Johannes B. Kerner:

Wehe, Mädels, Bräute, Mütter, Ihr plant Euer Leben anders. Wehe, Ihr „committet“ Euch zu einem Leben als Hausfrau (a.k.a. Familienmanagerin) und Mutter: Da ist Schluß mit lustig. Da tritt der gesellschaftliche Liebesentzug ein. Da verfehlt Ihr Euer Wesen!

Selber schuld, wenn Ihr Freiwild werdet. Konntet’s ja sehen. Nicht umsonst sind die Tribunale öffentlich.

Ähnlich warnt auch idea-Reporter Marcus Mockler bei kath.net:

Eva Herman ist überzeugt, dass sie nicht nur vernünftige Werte vertritt, sondern auch biblische. Sie kämpft dafür, dass Müttern die Chance gegeben wird, sich in den ersten Lebensjahren um ihre Kinder zu kümmern. Der Ausbau der Krippenplätze sei eine einseitige Förderung berufstätiger Mütter mit Steuergeldern. Diese finanzielle Unterstützung hätten auch Vollzeitmütter verdient.

Dass auf solche Thesen hin versucht wird, Eva Herman in die braune Ecke zu stellen, muss Christen alarmieren. Und sie müssen sich vor Eva Herman stellen. Denn sonst passiert folgendes: Wer künftig öffentlich für ein Familienbild wirbt, bei dem die Mutter auf Erwerbstätigkeit verzichtet, um sich selbst um ihre Kleinstkinder zu kümmern, kann mit dem Satz mundtot gemacht werden: „Du redest ja wie Eva Herman.“ Um so unverständlicher ist es, wie wenig Solidarität die Moderatorin aus den Kirchen erfährt. Von den katholischen Bischöfen hat nur Walter Mixa (Augsburg) sie verteidigt, von den evangelischen niemand.

Unterstützung hingegen erfährt Eva Herman von Anna in deren jüdischem Tagebuch:

Ich habe Eva Herman verstanden. Und ich habe auch verstanden, dass sie mit ihren Thesen über die Rückkehr zu traditionelleren Familienwerten in Deutschland zur Zeit keine wirkliche Chance hat. Dafür stehen wir schon viel zu lange unter der Fuchtel unserer prominenten Berufsfeministinnen, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, unsere gesamte Gesellschaft so umzuerziehen, dass die traditionelle Rollenverteilung heute weitgehend als rückständig geächtet ist.

Mütter, die ihre Berufstätigkeit aufgeben, um ihr Kind zu Hause selbst betreuen zu können, dürfen bestenfalls in den ersten drei Lebensjahren des Kindes noch mit dem Verständnis der Gesellschaft rechnen – und das natürlich auch nur, solange es für die Kleinsten nicht genügend Betreuungsplätze gibt. Ab dem Kindergartenalter gibt es dann selbstredend auch für diese Frauen kein Pardon mehr. Spätestens jetzt sollten die jungen Mütter wenigstens halbtags wieder in ihren Beruf zurückkehren, wenn sie gesellschaftlich auf Linie sein wollen. Frauen, die sich dem Druck zur beruflichen Selbstverwirklichung widersetzen und freiwillig zu Hause bei den Kindern bleiben, müssen sich für ihr gesellschaftlich unkorrektes Verhalten mittlerweile sogar oft schon im privaten Umfeld rechtfertigen. Ihre größten Gegnerinnen sind dabei die berufstätigen Frauen, die sich ohne wirtschaftliche Notlage dem gesellschaftlichen Druck beugen und tagtäglich Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen versuchen, ohne sich selbst einzugestehen, dass die Doppelbelastung auf die Dauer eher in eine Nervenkrise als zur versprochenen Selbstverwirklichung führt.

[via dilettantus]

Die wahre Bestimmung der Weiblichkeit

Das Familiennetzwerk Deutschland fordert in einem offenen Brief eine Klarstellung von ZDF-Moderator Johannes B. Kerner, der in seiner Sendung am 9. Oktober in der Debatte mit Eva Herman diese Sätze gesprochen hatte:

Was ist denn die wahre Bestimmung der Weiblichkeit – [das] ist doch nicht zu Hause zu sitzen und die Kinder großzuziehen, sondern die wahre Bestimmung der Weiblichkeit ist doch, ein voll anerkanntes Mitglied einer Gesellschaft zu sein.

Die Koordinatorin der Initiative, die Kinderärztin und Familientherapeutin Maria Steuer, hält dem entgegen:

So viel Verachtung gegenüber Müttern ist uns selten entgegen geschlagen. Mütter leisten einen unersetzlichen Dienst, um ihre Kinder optimal auf das Leben vorzubereiten. Und nun müssen sie sich von einem Fernsehmoderator anhören, sie säßen (!) zuhause und seien keine voll anerkannten Mitglieder der Gesellschaft. Dies ist eine ungeheuere Diskriminierung!

Was war (3): Eva und die Wölfe

Was mich an der Aufregung der letzten Wochen über Eva Herman am meisten gestört hat, war die Geringschätzung, ja Verachtung der Mutterschaft, die in vielen Wortmeldungen zum Ausdruck kam. Mutter zu sein ist in Deutschland inzwischen etwas völlig Nachgeordnetes, das hinter allem Möglichen zurückstehen muss. Wer Mutter wird, hat offensichtlich nichts Besseres zu tun. Oder ist zu blöd zum Verhüten.

Eine zynische, menschen- und frauenverachtende Haltung scheint Allgemeingut geworden, jedenfalls in der veröffentlichten Meinung. Sie korrespondiert aufs Genaueste mit der jüngst veröffentlichten Abtreibungsstatistik und der Berichterstattung darüber. Angesichts von 42 Millionen Kindstötungen jährlich scheint die ganze Sorge den Zehntausenden Frauen zu gelten, die bei Abtreibungen ums Leben kommen.

Selbstverständlich ist das eine berechtigte Sorge, aber ist es nicht zynisch und menschenverachtend, die getöteten Kinder keines einzigen Gedankens zu würdigen? Und nimmt sich nicht die als Holocaust (Ganzopfer, Brandopfer) bezeichnete industrielle Ermordung der europäischen Juden im Vergleich zu 42 Millionen getöteten Kindern pro Jahr fast mickrig klein aus?

Eva Herman wird für ungeschickte Äußerungen zur nationalsozialistischen Familienideologie von mediokren Talkmastern öffentlich hingerichtet und in die Nähe zum Nationalsozialismus gerückt – während die Ideologie, gegen die sie sich wendet, Jahr für Jahr eine Zahl von Opfern fordert, die an die des Zweiten Weltkriegs heranreicht. Diese Ideologie ist die Geringschätzung des Lebens selbst und die Unterordnung des Lebens der nächsten Generation unter unsere Wünsche und Bedürfnisse.

Es ist in Deutschland fast schon rechtfertigungspflichtig geworden, Kinder aufzuziehen statt sie zu verhüten oder abzutreiben. Werte wie Liebe, Familie und Kinder waren einmal selbstverständlich und sind es in jeder gesunden Gesellschaft. In Deutschland nicht.

Realitätsabgleich für eine Ministerin

Wer kümmert sich schon um lästige Details, wenn es um hehre Ziele wie die Verdreifachung der Krippenplatzversorgung geht? Manfred Spieker, Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Osnabrück, ist verblüfft:

Niemand scheint die Berechnungen der Familienministerin nachgeprüft zu haben. Niemand konfrontiert ihre Forderungen mit den Geburtenzahlen des Statistischen Bundesamtes einerseits und den Wünschen der betroffenen Mütter andererseits.

  1. In Deutschland werden keine 700.000 Kinder mehr pro Jahr geboren (2006: 673.000, 2005: 686.000). Preisfrage: Wie viele Kinder bis zu drei Jahren kann es dann maximal geben?
  2. Für das erste Jahr bzw. die ersten 14 Monate gibt es Elterngeld – werden auch Krippenplätze für jedes dritte Kind im ersten Lebensjahr gebraucht?
  3. Die Zahl von 500.000 neuen Krippenplätzen ist mithin höchst unplausibel. Die lästigen Details können bei Spieker nachgelesen werden.

Das von-der-Leyensche Krippenprojekt missachtet aber nicht nur die Geburtenzahlen des Statistischen Bundesamtes, sondern auch die Wünsche der Frauen. Gerade einmal 17 Prozent sind nach einer Untersuchung des Ipsos-Instituts vom März 2007 der Meinung, dass die Kinder in einer Krippe am besten aufgehoben seien, während 81 Prozent die Erziehung durch die Eltern für das Beste halten.

Wäre die Familienpolitik an echter Wahlfreiheit der Eltern interessiert und würde sie die 1000 Euro, die ein Krippenplatz durchschnittlich im Monat kostet, direkt an die Mütter auszahlen, also Subjekt- statt Objektförderung betreiben, dann würden 69 Prozent der Mütter in den ersten drei Jahren zu Hause bleiben und ihr Kind selbst erziehen.

Noch Fragen?

Wertfragen

Am Ende, wenn die Debattenmaschine einmal stillsteht, bleibt eine ganz einfache Frage: Was ist höher zu bewerten – Familie oder Beruf? Vermutlich ist es ein Zeichen für den sicheren Niedergang einer Gesellschaft, wenn sie Beruf höher bewertet als Familie. Denn nur die Familie kann ihren eigenen Fortbestand und damit den jeder Gesellschaft sichern.

Der Beruf kann der Familie gegenüber nur den zweiten Rang haben. Er trägt durch das damit erwirtschaftete Einkommen zum Fortbestand der Familie bei, aber mehr eben auch nicht. Kein Beruf bringt Kinder hervor. Jedes Berufsleben ist irgendwann zuende, eine Familie besteht fort. Berufliche Positionen können wechseln, Familie braucht Stabilität. Es ist kein Zufall, dass die Geburtenrate unter die Schwelle von 2,1 Kindern pro Frau sinkt, wenn der Beruf höher bewertet wird und die Familie nicht mehr stabil ist.

Die CDU/CSU steht am Scheideweg. Seit ihrer Gründung hatten die Unionsparteien eine klare Wertehierarchie: Die Familie ging vor. Davon ist nicht mehr viel übrig. Gleichen Rang können Familie und Beruf nicht gut haben. Denn Werte sind ja gerade dann wichtig, wenn eine freie, nicht durch Zwänge bestimmte Entscheidung ansteht. Wer zwischen zwei Alternativen wählen kann, wählt die höherwertige.

Insofern ist die Wahlfreiheit, die jetzt allenthalben beschworen wird, nicht viel mehr als ein Popanz. Denn die Doppelverdiener-Ehe mit (kleinen) Kindern ist ein fragiles Modell. Soll ein nennenswertes Familienleben übrigbleiben, dann ist sie allenfalls auf Teilzeitbasis möglich. Zwei Teilzeitjobs reichen indes in den seltensten Fällen aus, um eine Familie zu ernähren (und die höheren Kosten einer doppelten Berufstätigkeit zu bestreiten) – womit das Dilemma hinreichend beschrieben ist.

Es bleibt eine Wertentscheidung zwischen Familie und Beruf, und wer dem Beruf den Vorzug gibt, legt die Lunte an die Familie. Scheidungsquoten und Abtreibungszahlen schreien zum Himmel. Die Einverdiener-Ehe ist hingegen besser als ihr Ruf. Sie verteilt die Lasten zwar nicht gleich, aber jedenfalls nicht ungerecht. Sie ist unter den heutigen Bedingungen des Berufslebens praktikabel und überfordert niemanden. (Und nein, es ist nicht zwingend der Mann, der das Geld nach Hause bringt.)

Kinderkrippen sind ein Notbehelf für jenes Drittel junger Mütter (oder Väter), die schon in den ersten drei Lebensjahren ihrer Kinder zur Arbeit gezwungen sind oder sich frei dafür entscheiden, weil sie den Beruf höher bewerten als die Familie. Der aktuelle Streit, reduziert um allerlei ideologisch motiviertes Getöse, tobt um die Finanzierung dieser im Wesentlichen unumstrittenen gesellschaftlichen Aufgabe.

Bischof Mixa hat mit scharfen Worten die Pläne gegeißelt, zu dieser Finanzierung einseitig die Familien selbst heranzuziehen. Der Präzedenzfall dafür war das Elterngeld, das zu großen Teilen durch die Streichung des Erziehungsgeldes und die Kürzung der Kindergeldbezugsdauer finanziert wird. Die aktuellen Vorschläge der SPD für den Krippenausbau sehen genau das vor: Das Kindergeld soll nicht erhöht und die dadurch freiwerdenden Mittel umgeschichtet werden. Das lehnt Ministerin von der Leyen zwar ab, hat aber keine anderen Vorschläge.

Nun zahlen Normalverdienerfamilien das seit Jahren nicht mehr erhöhte Kindergeld ohnehin schon aus eigener Tasche. Der Fiskus nimmt uns das Geld zunächst über die Steuer weg, um es anschließend durch das Arbeitsamt wieder auszahlen zu lassen. Einfacher wäre es, gleich den Steuerabzug um die Höhe des Kindergeldes zu kürzen.

Aber statt die Familien tatsächlich nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu besteuern, nimmt der Staat mehr, als viele Familien entbehren können – nur um das Geld anschließend auf verschlungenen Wegen als Sozialleistung zurückzuzahlen.

Der Hort, den mein schulpflichtiger Sohn besucht, wird von einer Elterninitiative getragen und aus öffentlichen Kassen kaum unterstützt. Für den kirchlichen Kindergarten zahlen wir happige Beiträge. Wahrscheinlich reichen unsere Steuern auch noch, um damit die Schule und öffentliche Zuschüsse für den Kindergarten zu bestreiten.

Uns jetzt noch mehr Geld zu nehmen, um damit Kinderkrippen zu bezahlen, ist weder recht noch billig. Diese Aufgabe muss aus dem allgemeinen Steueraufkommen (plus Beiträgen der Eltern von Krippenkindern) bezahlt werden. Dann tragen auch wir gern unseren Anteil.

Es geht eben nicht um ein paar Grenzfälle, sondern um die gerechte Verteilung der Lasten. Und es geht um Werte (Familie oder Beruf?) und Normen: Ein- oder Doppelverdiener? Fremdbetreuung oder Familie?