Ökumene jetzt!

Etwas überrascht war ich, als ich heute den Aufruf Ökumene Jetzt las. Übrigens ein sinnarmer Name, denn Ökumene (griech. oikoumene, „Erdkreis, die ganze bewohnte Erde“) ist ja ohnehin immer und überall. Aber das ist eine Spitzfindigkeit.

Ich war nicht überrascht über die theologische Dürftigkeit, denn die war zu erwarten, sind die Autoren doch Politiker und keine Theologen. Allerdings schaffen es in Deutschland auch Theologen, theologisch dürftige Memoranden zu verfassen. Nein, angesichts des gewaltigen medialen Grundrauschens ist das Papier auch rein praktisch gesehen überaus dürftig. Kein Aufruf zum Ungehorsam, überhaupt keine konkreten Schritte, nur allgemeines Blabla.

Was das Papier bei aller Dürftigkeit schön zeigt, sind die Legitimationsprobleme des Spätprotestantismus. Es ist tatsächlich selten geworden, dass ein Protestant noch schlüssig begründen kann, warum er und seine kirchliche Gemeinschaft weiterhin von Rom getrennt sein müssen. Was genau hindert eigentlich am sofortigen Übertritt in die römisch-katholische Kirche?

Um Zeichen zu setzen und dazu beizutragen, den gemeinsamen Glauben auch in einer gemeinsamen Kirche zu leben, hier mein Vorschlag für das Praktische:

  1. Für den Einzelnen ist jederzeit die Aufnahme in die römisch-katholische Kirche möglich. Alle Pfarrämter und jeder Priester stehen dafür als Ansprechpartner bereit.
  2. Sollten ganze Gemeinden die Aufnahme wünschen, so wäre es dem derzeitigen Papst sicher eine Freude, dafür eine Struktur zu schaffen, wie er es mit Anglicanorum Coetibus bereits für den anglikanischen Zweig der Reformation getan hat.
  3. Selbst Landeskirchen steht der Weg zur Einheit offen. Mit Unierten Kirchen haben wir seit Jahrhunderten Erfahrung – alles kein Problem.

Also, liebe Erst- und Folgeunterzeichner, was genau spricht gegen meinen Vorschlag? Ökumene jetzt!

Der Protestantismus und das heutige deutsche Mutterbild

Frau und Mutter heißt das Verbandsblatt der kfd. Irgendwann, es muss in den 80ern gewesen sein, schrieb das Blatt den zweiten Teil seines Titels, das Wort „Mutter“, plötzlich klein. Der Aufschrei der Mütter, im Verband logischerweise in der Mehrheit, war groß. Heute schreibt man einfach beide Teile klein.

Und nun zu etwas völlig anderem. Die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken kommt in einem Gespräch mit The European zu einer interessanten Einschätzung, woher das heutige deutsche Mutterbild stammt (das sie für dringend änderungsbedürftig hält, aber das versteht sich von selbst).

The European: Sie sehen im Protestantismus, d.h. in der Reformationsbewegung, den Ausgangspunkt für das heutige deutsche Mutterbild. Das müssen Sie erklären, eigentlich ist doch die katholische Kirche die mit dem konservativen Weltbild und der heiligen Jungfrau Maria.

Vinken: Naja, Maria war ja eigentlich eine herrenlose Frau. Der Protestantismus ist der ganz entscheidende Einschnitt und zwar deswegen, weil die Frau darauf festgelegt wurde, Ehefrau und Mutter zu sein. Vorher konnte sie z.B. als Äbtissin oder Nonne, als sponsa christi (Braut Christi, Anm. d. Red.), unabhängig von der Institution Ehe leben. Die Reformation hat dazu geführt, dass die vorherrschende Trennung zwischen dem Raum der Familie – dem Raum der Welt – und der Kirche – dem Raum des Heils – zusammenbrach: Mit dem Protestantismus wurde die Familie zum Raum des Heils und die Mutter der Engel der Liebe.

Den Eltern, das sagt Luther ganz explizit, kam somit die Aufgabe zu, die „rasende Lust des Fleisches“ dadurch zu sühnen, dass sie wenigstens die Seelen der im sündigen Fleisch gezeugten Kinder wieder zu Gott führten. Die Familie als Raum des Heils stand von da an gegen die korrumpierte Welt. In katholischen oder post-katholischen Ländern ist das ganz anders, weil da die Familie logischerweise auf der Seite der Welt steht. Auf der Seite des Heils stehen die Kirche, die Klöster.

The European: Das 20. Jahrhundert wird oft als das „Jahrhundert des Kindes“ bezeichnet. Wie hat dies das deutsche Mutterbild beeinflusst, also auch das Bild der Mutter in der Familie?

Vinken: Natürlich ganz entscheidend. Die Familie ist vor allem in protestantisch geprägten Ländern ein Säkularisat. Aus dem Raum des Heils ist der Raum des Menschlichen schlechthin geworden, der gegen eine kalte Karrierewelt steht: Raum der Liebe gegen herzlos egoistische, ausbeuterische Welt. Und der Garant für dieses Wachsen-Können des Menschlichen ist die Figur der Mutter, die bedingungslos liebt und immer für die ihren da ist.

Interessanter Gedanke, wenn auch nicht ganz schlüssig, hat Luther doch die Ehe explizit als weltlich Ding bezeichnet und aus der Reihe der Sakramente ausgeschlossen. Ist die Familie nun Raum des Heils oder Säkularisat? Und was ist mit dem Gedanken der Familie als Hauskirche? Alles protestantisch?

Warum Ästhetik alles andere als unwichtig ist

Gelegentlich entsteht der Eindruck, dass ästhetische Gründe irgendwie unwichtig sind. Es kommt auf Funktion und Inhalt an, die Form ist zweitrangig. Form follows function?

Welch ein Irrtum! Ästhetik ist Wahrnehmung. Wenn wir von Ästhetik sprechen, dann sprechen wir davon, wie etwas wahrgenommen wird. Und das soll unwichtig sein?

Jede Botschaft, auch und gerade die frohe, braucht eine Form, damit sie überhaupt wahrgenommen werden kann. Martin Mosebach hat bekanntlich der Häresie der Formlosigkeit einen ganzen Essayband gewidmet.

Diese Häresie hat uns jede Menge schreiend hässlicher Kirchengebäude und eine vielfach verhunzte Liturgie beschert. Wo Hässlichkeit und liturgischer Murks zu Prinzipien erhoben werden, da lässt sich Gott nicht mehr wahrnehmen. An die Stelle Gottes tritt der Mensch mit all seinen Unzulänglichkeiten.

Wie langweilig! Die Wahrnehmung Gottes geht hingegen immer mit Schönheit einher. Kirchengebäude und Liturgie müssen schön sein, damit sie etwas vom Wahren, Guten, Schönen durchscheinen lassen. Die Wahrheit, die Christus ist, die Güte Gottes und die Schönheit seiner Verehrung liegen eng beeinander.

Neben diesen grundsätzlichen Überlegungen habe ich auch ganz persönliche Gründe für diese Ansicht. Als ich in den neunziger Jahren vor der Frage stand, ob ich Christ oder Agnostiker bin, da sagte ich mir: Um Agnostiker zu sein, müsste ich das gesamte christliche Erbe als Irrtum verwerfen, oder wenigstens als auf den Sand des Nicht-Erkennbaren gebaut.

Das schien mir unmöglich. Die herrlichen Kathedralen, die wunderbare sakrale Kunst, die unglaublich schöne geistliche Musik – das kann doch nicht das Produkt eines großen Irrtums der Menschheit sein.

Bei vielen heutigen Kirchenbauten, moderner Sakralkunst und neuem geistlichen Lied hingegen bin ich mir da nicht so sicher.

Auch wenn das eine schöne Schlusspointe wäre, so will ich doch dem Eindruck wehren, früher sei alles besser gewesen. Das denke ich nicht. Was aber die Jahrhunderte überlebt hat, das ist das Wahre, Gute, Schöne. Das Unwahre, Schlechte und Hässliche verschwindet früher oder später.

Insofern können wir das Urteil über unsere Kirchengebäude, die heutige Sakralkunst und die gegenwärtige geistliche Musik getrost späteren Generationen überlassen. Wenn sie überhaupt noch etwas davon sehen werden.

Henscheid über Käßmann

Wer geht Ihnen im Moment von all den öffentlichen Figuren besonders auf die Nerven?

Henscheid: Unter den neuen und allerneuesten hat sich eine Gestalt hervorgetan, die „den Bürgern draußen im Lande“, wie Willy Brandt immer zu sagen pflegte, als ganz besonders tapfere kleine Frau gilt, nämlich die inzwischen sehr bekannte Bischöfin Margot Käßmann. Ich war nachweislich einer der ersten, der mit einer kritischen Käßmann-Einlassung vor sieben Jahren schon den richtigen Riecher hatte. Nicht weil sie betrunken durch Hannover fuhr und so Todesopfer riskierte. Aber dieses Gesamtkunstwerk an Bluff, Simulationskunst, Selbstbeschwörung und spätlutheranischer Frauenaufrechtheit ist zumindest mir, um es mit einem Wort zu sagen, zuwider.

Quelle: Mainpost

Eine deutsche Nationalkirche? Ein Szenario

Seit einigen Wochen geistert das Gespenst einer deutschen Nationalkirche durch die Gazetten. Eine solche Kirche würde sich von Rom lossagen und eine eigene Struktur bilden. Zur Debatte stehen:

eine horizontale Kirche der Abstimmung und des Dauerdialogs, in der auch Glaubenssätze Mehrheitsfragen werden können, und eine vertikale Kirche, die die überlieferten Sakramente durch die Zeiten trägt.

Einmal abgesehen davon, dass es solche horizontalen „Kirchen“ im protestantischen Raum schon seit langem gibt, dieses Marktsegment also hinreichend abgedeckt ist – wie könnte sich ein solches Schisma (denn das wäre es) konkret vollziehen? Und welche Handlungsmöglichkeiten bleiben dem einfachen Laien in einem solchen Falle?

Die Schlüsselfiguren in diesem schlechten Spiel sind auf jeden Fall die Bischöfe. Sagen sich einzelne Bischöfe oder Gruppen von Bischöfen von Rom los, kommt es zum Schisma. Vermutlich wird dies nicht durch eine Erklärung geschehen, sondern wie schon im Falle der Priesterbruderschaft St. Pius X. durch unerlaubte Bischofsweihen. Doch wie kann es dazu kommen?

Die abtrünnigen Bischöfe können wahrscheinlich zunächst auf die Milde und Langmut des Vatikans und des Papstes setzen. Schon als Präfekt der Glaubenskongregation hat Joseph Ratzinger seine Machtmittel nur im äußersten Notfall eingesetzt, dann nämlich, wenn ihm auch kirchenrechtlich keine andere Wahl mehr blieb. Er hat als Papst bereits mehrfach die Exkommunikation unerlaubt geweihter Bischöfe aufgehoben, in China wie auch im Fall der Piusbruderschaft.

Wenn sich die deutschen Bischöfe nicht äußerst ungeschickt verhalten, dann wird es also nur dann zum offenen Bruch kommen, wenn ein vakanter Bischofsstuhl gegen den Willen Roms besetzt werden soll und sich mindestens ein Bischof zu einer unerlaubten Weihe hinreißen lässt. In diesem Fall wäre das Schisma perfekt, und mindestens zwei Bischöfe, der Geweihte und der Weihende, zögen sich die Tatstrafe der Exkommunikation (excommunicatio latae sententiae) zu.

Dann wäre die Reihe an den jeweiligen Bistümern, angefangen vom direkten Apparat des Bischofs, seinem Generalvikariat, den Priestern und Diakonen und den Laien im kirchlichen Dienst. Eine Schlüsselrolle hat der Finanzdirektor, der die Kirchensteuereinnahmen verwaltet und die Gehälter überweist. Verweigert er sich dem unerlaubt geweihten Bischof, kommt es zum offenen Machtkampf. Von dessen Ausgang hängt der weitere Verlauf des Schismas ab.

Klar scheint mir, dass ein unerlaubt geweihter Diözesanbischof in Deutschland ohne Zugriff auf die Kirchensteuermittel keinen großen Einfluss hätte. Im umgekehrten Falle dürften dem Lockruf des Geldes wohl viele, wenn nicht die meisten Kleriker und Laien eines Bistums erliegen. Sprich: Sie sind dann vor die Alternative gestellt, ohne Geld Rom treu zu bleiben oder mit Gehalt einem abtrünnigen Bischof zu folgen.

Nun setzt allerdings eine Abstimmung mit den Füßen ein. Romtreue Priester werden wahrscheinlich die Diözese wechseln und sich ebensolchen Bischöfen anschließen und umgekehrt. Rom dürfte sich, auf geltende Konkordate und romtreue Bischöfe gestützt, relativ schnell an die Wiedererrichtung kirchenrechtlich gültiger Bistümer auf dem Territorium der abtrünnigen (Teil-)Diözesen machen.

Mit der Existenz von parallelen Strukturen wäre das Schisma zunächst stabilisiert. Die schismatischen Bischöfe und Bistümer samt ihren Gemeinden verlieren in der Folge mindestens das Attribut „römisch“, wenn nicht auch „katholisch“. Um weiterhin Kirchensteuer erheben zu können, müssten sie vom Staat als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt werden, was aber kein Problem sein dürfte – die Altkatholiken haben das auch geschafft.

Die einzelnen Gemeinden hingegen bleiben zunächst ihrem Bischof zugeordnet. Sollte der Pfarrer das Weite suchen und sich einem romtreuen Bischof anschließen, so besteht eine gewisse Chance auf einen neuen, schismatischen Pfarrer, der aus einem anderen Bistum wechselt. Denkbar ist auch der Wechsel ganzer Gemeinden, und zwar in beide Richtungen – weg von Rom ins Schisma oder umgekehrt.

Der einfache Laie wird dann am Namen des Bischofs, der im Hochgebet genannt wird, die Zugehörigkeit seiner Gemeinde erkennen. Wird ein romtreuer Bischof genannt, ist alles in Ordnung. Andernfalls wäre der Wechsel zu einer romtreuen Gemeinde angezeigt. Das könnte, insbesondere in der Diaspora, durchaus schwierig werden.

Zu prüfen ist außerdem, an welchen Bischof die Kirchensteuer fließt. Notfalls wäre vor den staatlichen Stellen der Austritt aus der Kirche zu erklären, um zu verhindern, dass Kirchensteuern an schismatische Bischöfe und Bistümer fließen. Dann wäre es vermutlich angezeigt, die entsprechenden Beträge monatlich auf ein Sperrkonto einzuzahlen, um sie zu gegebener Zeit dem rechtmäßigen Bischof zukommen zu lassen.

Wie realistisch ist dieses Szenario? Bis jetzt gab es nur einen designierten Weihbischof in Österreich, der unter massivem Druck auf sein Amt verzichtete. Wann wird der erste designierte Bischof in eine vergleichbare Situation geraten? Und wann wird zum ersten Mal der Versuch unternommen, Rom einen bestimmten Bischofskandidaten aufzuzwingen? Was passiert, wenn Rom diesem Druck standhält?

Ein Szenario ist keine Prognose. Es könnte so kommen, es könnte auch ganz anders sein. Zu wünschen ist, dass es gar nicht dazu kommt.

Sackgasse bei der Müllhalde

Es scheint den Protestanten im Vorfeld des Lutherjahres 2017 aber doch gelungen, den Namen ihres Begründers in Roms Antlitz einzuritzen, wie Martin Wallraff vom Melanchthon Zentrum am Rande mitteilte. Die Stadt wird eine Straße nach dem Reformator benennen. Noch unklar sei allerdings, welche Straße. Wallraff hat einen beliebten Weg an der Piazza del Popolo im Sinn. Gut möglich, dass die Lobbyisten des Vatikans eine Sackgasse bei der Müllhalde ins Spiel bringen.
FAZ

Die Lebenslügen der Generation 68

Das Theologenmemorandum, der kleine Volksaufstand gegen Stuttgart 21 und die Sarrazin-Debatte haben eines gemeinsam: Es sind Schlachten, die im Namen der politischen Korrektheit geschlagen werden. Dabei ist „politisch korrekt“ im Kern eine contradictio in adiecto.

Denn Korrektheit setzt voraus, dass es richtig und falsch gibt und dass dies objektiv erkennbar ist. Politisch hingegen ist gerade das, was nicht eindeutig richtig oder falsch ist. Politisch muss entschieden werden, wo es kein objektives richtig oder falsch gibt, wo sich die Empfehlungen der Fachleute widersprechen, wo ein Kompromiss zwischen sich widersprechenden Positionen gefunden werden muss.

So sieht die Arbeitsteilung zwischen Politik und Verwaltung aus. Wenn die Verwaltung mit ihrem Latein am Ende ist, wenn der Umweltdezernent und das Bauamt mit jeweils guten Gründen für das genaue Gegenteil votieren, dann muss die Politik entscheiden, was getan oder auch unterlassen werden soll.

„Politisch korrekt“ wäre also das eindeutig Richtige, zu dem es keine Alternative gibt. Alternativlos, wie zuletzt in der deutschen Politik des öfteren zu hören. Was aber alternativlos ist, das ist nicht politisch. Es sei denn, wir hätten es mit einer Diktatur zu tun.

Die memorierenden Theologen, die schwäbischen Wutbürger und die Gegner Thilo Sarrazins wähnen sich auf der richtigen, der politisch korrekten Seite. Sie stemmen sich mit aller Kraft gegen unerwünschte und für sie unerfreuliche Realitäten.

Ihre Gegner sind klar: eine Kirche, die sich dem Diktat der politischen Korrektheit nicht beugen will und kann, ein Infrastrukturgroßprojekt, das sich nicht mit dem Idyll verbürgerlichter Altrebellen verträgt, ein Analytiker, der verdrängte und ignorierte Probleme ans Tageslicht holt.

In Stuttgart waren vor allem die ergrauten Grünen die Träger des Aufstands, mit Unterstützung bis weit ins bürgerliche Lager hinein. Das Memorandum ist ebenfalls das Projekt jener Generation, die im Gefolge von 68 sozialisiert wurde. Und im Fall Sarrazin sind es die Lebenslügen der Multikulti-Ideologen, die als solche entlarvt wurden.

Wir sollten uns in den kommenden Jahren auf weitere Schlachten nach diesem Muster einstellen. In einer alternden Gesellschaft, in der Rentner, Pensionäre und Sozialleistungsempfänger den Ton angeben, ist sehr viel Raum für Schattenboxen dieser Art. Und einige Anlässe lassen sich auch leicht vorhersehen.

So jährt sich 2012 der Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils zum fünfzigsten Mal. Für die Jahre bis 2015 gibt es jede Menge Gelegenheit, über die Themen des Konzils zu streiten. Man kann sich übrigens auf diese Debatten vorbereiten und schon jetzt mit der Rezeption der Konzilsdokumente beginnen. Vielleicht werden auch die Lehrgespräche der Piusbruderschaft mit Rom rechtzeitig bemerkenswerte Ergebnisse liefern.

2017 steht der fünfhundertste Jahrestag der Reformation an. Zu diesem Termin wird es jede Menge Streit um den Ökumenismus geben. Zur Vorbereitung könnte es sich lohnen, zum Beispiel Mortalium animos zu lesen. (Mit Dank an Father Z.)

Und schließlich folgt 2018 der fünfzigste Jahrestag der Revolte von 1968. Bis dahin stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich die 68er sämtlich im Ruhestand befinden und ihre Meinungsmacht endgültig gebrochen ist. Damit wäre der Weg frei für eine erste echte Schadensbilanz.

Die Lebenslügen der Generation 68 gegen die harte Realität zu verteidigen kostet jede Menge Energie. Energie, die jener Generation langsam, aber sicher abhanden kommt, nicht zuletzt aus biologischen Gründen. Die Heftigkeit der Debatte um die Thesen Thilo Sarrazins, aber auch die Reaktionen auf das Theologenmemorandum haben gezeigt, dass die Deutungshoheit bereits kräftig bröckelt. Was in sich widersprüchlich ist, wie die politische Korrektheit an sich, lässt sich auf Dauer nicht aufrechterhalten.

Doch auch 2011 stehen noch einige bemerkenswerte Ereignisse ins Haus. Die Seligsprechung von Papst Johannes Paul II. im Mai dürfte ein Großereignis mit bis zu 2,5 Millionen Pilgern werden. Auch darauf können wir uns vorbereiten.

Und schließlich folgt im September der Staatsbesuch von Papst Benedikt XVI. in Deutschland. Wir haben es in der Hand, daraus einen Erfolg zu machen. Denn ein Erfolg wäre es bereits, wenn sichtbar würde, wie groß die Unterstützung für den Heiligen Vater in Deutschland ist – und wie klein die Zahl seiner Gegner.

Mit der Petition ist zum ersten Mal seit langer Zeit die Schweigespirale durchbrochen. Das ist ein gewaltiger Fortschritt. Weitere Schritte sollten folgen.

Der Doppel-Deckers

Die gestrige FAZ ordnet den unsäglichen Aufruf jener Gruppe von Theologieprofessoren, die lieber heute als morgen die Abrissbirne gegen ihre eigene Kirche schwingen möchten, nachrichtlich korrekt ein: als Einspalter am unteren Rand von Seite 7. Doch kommentiert Daniel Deckers das Ereignis gleich zweimal im selben Blatt, und entsprechend janusköpfig lesen sich die beiden Texte. Auf Seite 10 spricht er dieses schneidende Verdikt über die Theologenzunft aus:

Es ist wohl bezeichnend für den Zustand der katholischen Theologie in Deutschland, dass in Kompaniestärke angetretene Professorinnen und Professoren den Christinnen und Christen nach den Enthüllungen sexueller Übergriffe von Geistlichen auf Kinder und Jugendliche wieder nichts anderes auftischen als den üblichen Kessel Buntes.

Doch im Leitartikel auf Seite 1 droht er, nicht zum ersten Mal übrigens, mit einer neuen Auflage des Kampagnenjournalismus, wie er sich bereits in Sachen Williamson, Missbrauch und Mixa bewährt hat:

Muss erst das Thema Homosexualität und Priestertum – nicht wieder einmal, sondern erstmals – in seiner ganzen Breite entfaltet werden, damit der vermeintlich fromme Schleier des Nichtwissens als fataler Selbstbetrug entlarvt wird?

Hat Daniel Deckers dazu bereits ein Dossier in der Schublade? Müssen wir uns auf das nächste Sautreiben gefasst machen?

Zugang zum Papstamt

Unser Verständnis des Amtes und der Kirche unterscheidet sich doch sehr von dem der Katholiken. Auch ich habe im Moment keine Idee, wie ich als Protestant einen positiven Zugang zum Papstamt und dem Anspruch, der damit verbunden ist, finden soll.
Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), kurz vor Weihnachten

Das verstehe ich gut. Den ersten Satz kann ich unterschreiben. Und auch ich habe im Moment keine Idee, wie ich als Katholik einen positiven Zugang zum Amt des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Anspruch, der damit verbunden ist, finden soll. In der Bibel steht davon nix, das Petrusamt hingegen finde ich dort sehr wohl.