Mixa und die Gebärmaschinen

Er hat Recht, gar keine Frage. Und die Kritik an der Kritik des Augsburger Bischofs an der Familienpolitik der CDU zeigt alle Symptome des Bellens getroffener Hunde.

Die CDU ist nicht erst seit gestern dabei, sich von den Grundlagen ihrer eigenen Existenz zu verabschieden. Und die CSU hält zwar verbal daran fest, nicht aber in der Praxis.

Von deutschen Bischöfen erhält Mixa jetzt Unterstützung. Wolfgang Huber jedoch fällt ihm in den Rücken, sein telegenes Fähnchen flattert im Wind. Die Debattenmaschine kreißt.

Als einen „gesellschaftspolitischen Skandal“ bezeichnete Bischof Mixa Planungen des Familienministeriums, zur Finanzierung neuer Kinderbetreuungseinrichtungen andere Familienleistungen zu kürzen.

Ist das kein Skandal? Sicher doch.

„Die Familienpolitik von Frau von der Leyen dient nicht in erster Linie dem Kindeswohl oder der Stärkung der Familie sondern ist vorrangig darauf ausgerichtet, junge Frauen als Arbeitskräfte-Reserve für die Industrie zu rekrutieren“, sagte Mixa.

Vielleicht erinnern wir uns für einen kleinen Moment an das Elterngeld, zu dessen Finanzierung das Erziehungsgeld gestrichen wurde. Das gab es immerhin für bis zu 24 Monate – jetzt ist nach maximal 14 Monaten Schluss (und auch nur für den, der sich dem Diktat einer vorgeblich gerechten Aufteilung der subventionierten Elternzeit beugt).

Der Druck zur frühzeitigen Arbeitsaufnahme steigt. Und das war nicht die einzige Umverteilungsentscheidung der regierungsamtlichen Finanz- und Familienpolitik. Das Familiennetzwerk kommt in einer Analyse zu diesem Schluss:

Schon unter Rot-Grün und vom Tempo her von Schwarz-Rot sogar noch verschärft, entzieht die Bundesregierung systematisch den Familien die Grundlage jeglicher (Wahl-)Freiheit – nämlich ihre materielle Basis!

Um es mal ganz platt zu sagen: Das Geld für den Ausbau der (staatlichen) Kinderbetreuung wird den Familien genommen, die so zu mehr Erwerbsarbeit gezwungen werden – und damit die Nachfrage nach Kinderbetreuung ankurbeln.

„Dass in einer Wohlstandsgesellschaft junge Mütter ihre kleinen Kinder in staatliche Fremdbetreuung geben müssten, um selbst wirtschaftlich überleben zu können, ist das Gegenteil einer modernen und humanen Familienpolitik“, sagte Mixa.

Die Doppelverdiener-Ehe werde von der CDU-Ministerin geradezu zum ideologischen Fetisch erhoben. Wer aber mit staatlicher Förderung Mütter dazu verleite, ihre Kinder bereits kurz nach der Geburt in staatliche Obhut zu geben, degradiere die Frau zur „Gebärmaschine“ und missachte alle wissenschaftlichen Erkenntnisse über die besondere Mutter-Kind-Beziehung in den ersten Lebensjahren, betonte Mixa.

Brave new world. Brought to you by CDU/CSU.

Knappste Güter

Norbert Bolz ist ja neben Harald Schmidt einer der halb säkularen, halb katholischen Säulenheiligen dieses Notizbuches. Ich mag ihn, seit er mir in den frühen Tagen meines Studiums begegnete, nicht als Person begegnete, sondern als Rhetoriker, Analytiker, Ketzer wider den Zeitgeist wie auch dessen Exeget, als Universalgelehrter und -dilettant gleichermaßen.

In Telepolis zieht er nun wieder richtig vom Leder. Auch die Fraktion der militanten Eva-Herman-KritikerInnen bekommt ihr Fett weg. Hier meine Lieblingspassage:

Wohl denen, die bei Freud vorkommen – sie haben wenigstens noch eine Seele. Natürlich verletzt und beschränkt die Familie; natürlich macht sie neurotisch. Aber nur in der Familie kann Liebesfähigkeit entstehen. Was immer auch in Kitas, Horten und Krippen geboten wird – Liebe kann es nicht sein. Es geht hier um die knappsten Güter des 21. Jahrhunderts: Zeit und Aufmerksamkeit. Und weil natürlich alle spüren, dass man die zeitintensive Liebe zu einer konkreten Person durch nichts ersetzen kann, predigt man heute schon in Kindergärten und Grundschulen das große Blabla von Teamfähigkeit, sozialem Lernen und Kommunikationstraining.

Dazu möchte ich nur eine Passage aus einem Text stellen, von dem ich zunächst nicht verrate, von wem er stammt:

Das Kind braucht Zuwendung. Das bedeutet: Wir müssen ihm etwas von unserer Zeit geben, Zeit unseres Lebens. Aber gerade dieser wesentliche „Rohstoff“ des Lebens – die Zeit – scheint immer knapper zu werden. Die Zeit, die wir haben, reicht kaum aus für das eigene Leben; wie sollten wir sie abtreten, sie jemand anderem geben? Zeit haben und Zeit geben – das ist eine ganz praktische Weise, wie wir erlernen müssen, uns selber zu geben, uns zu verlieren, um uns zu finden.

Eher wegen des Karmas

Jack Nicholson berichtet in einem Gespräch mit dem Regisseur Peter Bogdanovich im SZ-Magazin, dass seine angebliche Schwester June in Wahrheit seine Mutter und seine angebliche Mutter seine Großmutter war.

Deshalb kann ich auch nicht so ganz locker und liberal, wie ich’s gern täte, für das Recht auf Abtreibung plädieren. In der Welt von heute gäbe es mich nicht. Verstehst du, was ich meine?

Du meinst, deine Mutter hätte abgetrieben?
Ja. June war erst 16 – und ziemlich erfolgreich. Es wäre also anzunehmen. Weißt du, es gibt Ansichten, die man nie ändert. Zumindest glaubt man das. Ich hab meine Ansicht zu diesem Thema geändert. Nicht aus Vernunftgründen – eher wegen des Karmas.

Erotisches Verhältnis zum Geld

Klaus Berger in der Tagespost:

Nun möchte man die Menschen mit viel Geld zum Kinderkriegen bewegen. Dagegen kann man radikal formulieren: Ihr Politiker, behaltet das Geld! Denn der Wunsch zum Kind ist doch nicht mit Zahlungen zu erreichen.

Die kostspielige Illusion der Politiker besteht in der aberwitzigen Meinung, die Lust auf mehr Kinder, auf Ehe und Familie überhaupt ließe sich durch Geldversprechen erzeugen. So entsteht doch nur die Meinung: Wenn man soviel Geld dafür bekommt, dann muss es schon eine verflixt unangenehme Sache sein.

Der Dienst am Geld, die Faszination durch das Geld, das war doch gerade die ganze tödliche Faszination, die zum Untergang Roms führte. Wie will man mit demselben Mittel, das doch zum Untergang führte, nämlich der Faszination durch das Geld, heilen? In dem erotischen Verhältnis zum Geld liegt doch der ganze Jammer unserer sterbenden Kultur.

Abschied von der Ehe

Confiteor: Seit dem letzten Bundestagswahlkampf habe ich mit dem Gedanken gespielt, erstmals in meinem Leben (m)eine Stimme der CDU zu geben. Doch davon bin ich nun, dank der im Februar begonnenen und heute fortgesetzten Programmdebatte, erst einmal gründlich kuriert. Denn was entnehme ich der heutigen Tagesschau?

Die CDU will sich von der Ehe als Norm verabschieden und künftig alle „Lebensentwürfe“ gleich behandeln. Mit den Worten von Peter Müller:

Ich glaube, dass unsere Familienpolitik keine dieser Lebensformen diskriminieren oder privilegieren darf. Darauf müssen wir achten.

Diese Einsicht kommt zu spät. Solche Positionen sind längst politisches Allgemeingut. Hier hatte die CDU ein Alleinstellungsmerkmal, weil sie als einzige Partei am Grundgesetz festhielt, das Ehe und Familie unter besonderen Schutz stellt. Gibt sie das auf, dann werde ich den Gedanken an eine Stimme für diese Partei wieder begraben. Und zwar gründlich.

Wertedebatte

Die hier zuletzt heftig gescholtene CDU debattiert ihr neues Grundsatzprogramm. Johannes Leithäuser weist in der Wochenendausgabe der FAZ auf Differenzen zwischen demjenigen von 1994 und dem sechs Jahre jüngeren familienpolitischen Leitbild hin.

1994: Die Ehe ist das Leitbild der Gemeinschaft von Frau und Mann. Sie ist die beste Grundlage für die gemeinsame Verantwortung von Mutter und Vater in der Erziehung der Kinder.2000: Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern Verantwortung tragen.

„Verabschiedet sich die CDU vom christlichen Menschenbild?“, fragte im Januar die Tagespost:

In der „Mainzer Erklärung“ […] kommt der Begriff „christliches Menschenbild“ nicht mehr vor. Es scheint sogar vordergründig, dass abgerückt wird von einer christlichen Perspektive und Werteverortung der politischen Entscheidungsprozesse.

Heute hingegen betonte Angela Merkel, das christliche Menschenbild bleibe Leitbild der CDU. Und Christoph Böhr erläuterte die Details:

Aus dem christlichen Menschenbild müsse ein zeitgemäßes Gesellschaftsbild folgen.

Wir dürfen gespannt sein.

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Familienpolitik

Ganz schön viel Text, den ich da provoziert habe.Nur eine Bemerkung: Ich bin der Überzeugung, dass unsere westlichen Gesellschaften sich mit dem Abschied von der Familie als normativer Lebensform in letzter Konsequenz von sich selbst verabschiedet haben. Denn die demographische Entwicklung zeigt deutlich: Diese Gesellschaften haben in ihrer heutigen Form keine Zukunft, sie werden schlicht und einfach aussterben. Zum langfristigen Selbsterhalt ist eine Geburtenrate von 2,1 Kindern pro Frau erforderlich, die seit mittlerweile 35 Jahren nicht mehr erreicht wird.

Daran wird die Mobilisierung sämtlicher Sozial- und Politiktechnik überhaupt nichts ändern. Was ich der CDU indes vorwerfe, ist dass sie sich selbst an der Demontage der Norm (und in 16 Jahren Kohl auch an der Demontage der Familie, die Adenauer seinerzeit mit der Rentenreform eingeleitet hatte) beteiligt. CDU-Familienpolitik war schon immer verlogen, weil sie aus dem Lippenbekenntnis zur Familie nicht die nötigen Schlüsse gezogen hat.

Adenauer hat seinerzeit – gegen einschlägige Warnungen – ein gigantisches Schenkkreis-System zu Lasten der Familien mit Kindern und zu Gunsten Kinderloser installiert. Seit dieser Rentenreform waren Kinder optional, und der Lebensstandard Kinderloser besser gesichert als derjenige von Eltern. Es hat dann noch eine halbe Generation und einen gesellschaftlichen Umbruch gedauert, bis das Resultat in der Geburtenstatistik ablesbar war.

Seit inzwischen 30 Jahren konnten wir wissen, was wir tun. Vor 23 Jahren kam die CDU wieder an die Regierung, versprach diffus eine geistig-moralische Wende – und installierte Norbert „Die Rente ist sicher“ Blüm. Jetzt kommt die CDU in der Familienpolitik der großen Koalition mit einem technokratischen Ansatz daher, wie ihn die letzte SPD-geführte Regierung nicht zu realisieren wagte. Und noch dazu mit den falschen Instrumenten.

Ein Blick auf meine Gehaltsabrechnung zeigt, dass die Steuerbelastung nicht das entscheidende Problem ist. Die Sozialabgaben sind in der Summe etwa doppelt so hoch wie die Steuern. Und bitte nicht vergessen: Mein Arbeitgeber zahlt die gleiche Summe noch einmal direkt an die Sozialkassen. Meine Sozialabgaben sind also viermal so hoch wie die Steuern. Und was ist der größte Teil davon? Der Rentenbeitrag.

Wenn die CDU wirklich etwas für Familien mit Kindern tun wollte, würde sie den Arbeitnehmeranteil der Rentenbeiträge nach der Zahl der Kinder staffeln. Je mehr Kinder, desto weniger Rentenbeitrag. Das wird aber nicht geschehen, also zahle ich weiterhin schön fleißig die Rente jener Generation, die uns diesen ganzen Schlamassel eingebrockt hat.

Geschäft und Weltbild

Auch diese Trouvaille des heutigen Perlentauchers (aus den Untiefen der SZ) kann ich nicht übergehen:

Selbst wenn die „Kindergärtnerin an der Spitze“ noch so lächelt: Auch Ursula von der Leyen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die CDU gerade ihr traditionelles Bild der Normalfamilie zugunsten einer leistungsfähigeren Gesamtbevölkerung aufgibt, meint Johan Schloemann.

„Ganztagsschulen, Kinderkrippen, Elterngeld, Schlechterstellung der hedonistischen Kinderlosen, Integration durch gleiche Bildung für alle in Kindergarten und Schule, Ausschöpfung der Arbeitskraft möglichst aller Bürger – das sind klassische Kennzeichen einer massiv in die Gesellschaft und die Lebensplanung hineingreifenden staatlichen Planung: Und nun soll all dies nach gut 60 Jahren CDU nicht mehr als eine kosmetische Korrektur sein? Wenn man genauer hinsieht, erkennt man jedenfalls, dass, wer sich dem bürgerlichen Lager zurechnet, heute unter einer prekären Gespaltenheit zwischen Geschäft und Weltbild zu leiden hat.“

Alles in allem übrigens genügend Gründe, nicht CDU zu wählen, denn mit einem „christlichen Verständnis vom Menschen und seiner Verantwortung vor Gott“ (CDU-Grundsatzprogramm von 1994) hat das nichts zu tun.