Hermeneutik der Diskontinuität

Gestern vor 125 Jahren wurde Papst Johannes XXIII. geboren. Im Kalenderblatt von Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur pflegte Peter Hertel aus diesem Anlass liebgewonnene Legenden.

Johannes XXIII. starb Pfingsten 1963. Nach seinem Tode gewannen jene Unglückspropheten, die Johannes XXIII. in die Schranken gewiesen hatte, wieder die Oberhand. Die Restauration hielt Einzug im Vatikan.

Falls es noch ein Beispiel gebraucht hätte für jene Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruches

Vatikanische PR-Arbeit

Der Spiegel 47/2006: Der Fehlbare

Alexander Smoltczyk rekonstruiert im Spiegel vom kommenden Montag unter der mäßig originellen und vom Text inhaltlich kaum gedeckten Überschrift „Der Fehlbare“ die Ereignisse rund um die Regensburger Vorlesung von Benedikt XVI. Der Text liest sich stellenweise wie ein Krimi – und ist doch in großen Teilen eine Analyse der vatikanischen PR-Arbeit. Lesenswert.

Brauch ich nicht

Arnd Brummer ist Chefredakteur von Chrismon. Im Oktoberheft notiert er seinen Dialog mit Tine, einer atheistischen Journalistin ostdeutscher Herkunft. Was halten, fragt sie, die Protestanten vom Papst? Darauf Brummer:

Wir sind uns mit den Katholiken einig, dass sich die Liebe Gottes in Jesus Christus offenbart. Wir teilen die meisten zentralen ethischen Positionen. Aber wir nennen niemanden „Heiliger Vater“ außer Gott. Und wir sind davon überzeugt, dass in der Bibel nichts von einem Alleinherrscher steht, der für die Christenheit bestimmt. Jeder Mensch entscheidet selbst, wie seine Beziehung zu Gott aussieht und was er gegenüber seinem Gewissen verantworten kann. Evangelische Christen orientieren sich dabei an dem, was Jesus getan und gesagt hat, so wie es die Evangelien und die Apostelbriefe im Neuen Testament überliefern. Reicht das?

Natürlich reicht diese Antwort, ganz abgesehen von der katastrophalen Misinterpretation des Petrusamtes, nicht aus. Tine fragt zurück:

„Hört sich gut an. Aber mal ehrlich: Ihr seid doch neidisch auf die tollen Bilder, wenn der Papst irgendwo auftritt. Die Katholiken sind einfach besser in der Inszenierung.“ Findest du die Bilder toll?, fragte ich. „Ich glaube nach wie vor nicht an euren Gott“, antwortete Tine, „aber es ist doch irgendwie klasse, ja magisch – diese ganzen Aufzüge und Massenveranstaltungen. Sag’ jetzt bloß, dass dich das kaltlässt!“ Lässt es mich nicht. Aber brauchen tu ich es eigentlich auch nicht.

Bilder und Inszenierungen braucht er nicht, den Papst auch nicht. Kein Wunder. Wäre er konsequent, dann setzte er hinzu: Ich brauche auch die Kirche nicht. Mir reichen Evangelien und Apostelbriefe (bezeichnend übrigens, was er dabei so alles unterschlägt – neben der Apokalypse auch das ganze Alte Testament).

Arnd Brummer braucht, so schreibt er und bemerkt selbst die Banalität, Nähe, Liebe, Vertrauen und Hoffnung. Sakramente braucht er nicht. Schade eigentlich.

Archivarbeit

Der Spiegel 41/2006 über die Öffnung des vatikanischen Geheimarchives für die Jahre bis 1939

Alexander Smoltczyk ist es wohl zu verdanken, dass der Spiegel vom kommenden Montag eine ganz lesbare Geschichte über erste Fundstücke aus dem vatikanischen Geheimarchiv der Jahre 1922 bis 1939 bringt. Die zentrale Passage:

Es finden sich die handschriftlichen Aufzeichnungen Pacellis über seine täglichen Treffen mit dem Papst – kurioserweise zwischen Benzin- und Stromrechnungen im Bestand „Stati Ecclesiastici“ verborgen, wo der Kirchenstaat seine Alltagsangelegenheiten ablegte. Es ist eine Entdeckung, welche die Seligsprechung von Pius XII. noch weiter hinausschieben dürfte.

Die Notate des Kardinals Pacelli, über dessen späteres Pontifikat der Schriftsteller Rolf Hochhuth sein Drama „Der Stellvertreter“ schrieb, zeigen eine Kirchenspitze, die den Aufstieg der Nazis zunächst mit Naivität, Ratlosigkeit, bisweilen Wohlwollen beobachtet. Gegenüber dem Kommunismus erschien ihr Hitler als das kleinere Übel.

Aus einer Audienz am 4. März 1933 etwa kommt Pacelli in offensichtlich gehobener Stimmung: „Adolf Hitler ist der erste und einzige Staatsmann, der sich öffentlich gegen die Bolschewisten stellt. Bis jetzt hat das nur der Heilige Vater getan“, so notierte der allmächtige Kardinal in seiner typischen Drei-Millimeter-Handschrift.

In einer anderen Schachtel liegt ein Zettel im DIN-A5-Format in derselben Handschrift. Es ist eine Aufzeichnung vom 1. April 1933, notiert nach der Audienz beim Papst, bei der über die beginnenden Judenverfolgungen in Deutschland gesprochen wurde. Einige Worte sind in eckige Klammern gesetzt, wohl als Kommentar zu einer Aussage des Papstes. Pacelli schreibt: „Es kann der Tag kommen, an dem man sagen können muss, dass etwas getan wurde.“ Ein Schlüsselsatz.

Es ist kein Satz eines Heiligen. Es geht nicht um richtig und falsch, nicht um Moral, sondern um diplomatisches Finassieren. Der Satz zeugt von ratloser Schwäche, Selbstlähmung, Feigheit.

Das R-Wort

Man konnte ja seit der Missa pro eligendo Romano Pontifice ahnen, was das große Thema des Pontifikates von Benedikt XVI. sein würde. Die Regensburger Vorlesung griff es in pointierter Weise wieder auf. Und nun scheint es, als ob auch der Islamwissenschaftler Bassam Tibi die Diagnose teilen würde:

Die Muslime stehen absolut zu ihrer Religion, das ist religiöser Absolutismus. Und die Europäer stehen nicht mehr zu den Werten ihrer Zivilisation. Sie verwechseln Toleranz mit Relativismus.

So Tibi in einem Interview des Spiegel (Ausgabe vom kommenden Montag).

Jobbeschreibung

Anne Applebaum kommt in der Welt noch einmal auf die Regensburger Vorlesung zurück:

Einige Kommentatoren scheinen zuinnerst schockiert zu sein, dass der Papst den Katholizismus offenbar anderen Religionen und Konfessionen für überlegen erachtet – als ob dieser Glaube nicht ein integraler Bestandteil seines Jobs wäre.

When she was 43

A small detail of the marriage of the Pope’s parents come to light during his trip. His parents found each other through the personal ads in a newspaper: „Staunchly Catholic man, policeman, looks for a Catholic girl for marriage“. Maria was 34 when they married. Her last child Joseph arrived when she was 43.

Hartwig Bouillon: The Pope tackles modernity [MercatorNet]