Theologische Tugenden und Grundvollzüge

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Franziskus, unser neuer Papst, ist ein völlig anderer Typ als Benedikt XVI., der wiederum ein völlig anderer Typ ist als es Johannes Paul II. war. Diese Reihe ließe sich vermutlich fortsetzen. An Johannes Paul I. und Paul VI. kann ich mich noch erinnern, Johannes XXIII. starb schon deutlich vor meiner Geburt.

Das Bild oben zeigt, wie sich die letzten drei Päpste den theologischen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe zuordnen lassen. Das ist ziemlich vereinfacht, man denke nur an Deus Caritas est und Spes Salvi. Aber dennoch trifft es den jeweiligen Akzent, wenngleich wir für Franziskus noch eher auf Mutmaßungen angewiesen sind.

Mir kamen spontan die drei Grundvollzüge Martyria, Leiturgia und Diakonia in den Sinn, die ich in genau dieser Reihenfolge den Päpsten Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus zuordnen möchte.

Liturgie ist, im krassen Unterschied zu seinem Vorgänger, erkennbar nicht das Kernanliegen des neuen Papstes. Ob wir ihn noch singen hören werden? Möglicherweise erlaubt ihm sein Lungenleiden keinen Gesang.

Hingegen Diakonie! Das scheint ihm ein zentrales Thema seines Lebens zu sein. Die Bilder, die ihn bei der Fußwaschung an Kranken zeigen, seine Aufforderung an argentinische Landsleute zu Spenden statt Transatlantikreisen zu seiner Amtseinführung – nur zwei Beispiele, denen weitere folgen werden.

Haben wir einen diakonischen Papst? Das ist eine wirkliche Überraschung, wie auch der von ihm gewählte Name und die weitere Novität, ein Jesuit auf dem Stuhl Petri zu sein. Unbefangen und unkompliziert wie seine ersten Auftritte wird wohl auch sein Umgang mit dem Vorgänger sein. Gerade weil er ein völlig anderer Typ mit eigenen Schwerpunkten ist, dürfte er über jeden Verdacht erhaben sein, im Schatten und unter ungebührlichem Einfluss seines Vorgängers zu stehen.

Möglich ist sogar, dass er zu einem großen Versöhner im Papstamt wird. Er erhält Zuspruch aus unerwarteten Ecken, quer durch das Spektrum kirchenpolitischer Lager. Zu seiner Amtseinführung wird der Ökumenische Patriarch Bartholomäus I. von Konstantinopel nach Rom kommen, auch das ein Novum. Selbst die Piusbruderschaft könnte er noch in die volle Einheit zurückführen. Den nötigen Pragmatismus scheint er zu haben.

Wie ein Besuch beim Zahnarzt

„Es wird hoffentlich ein kurzes Konklave und recht bald beginnen. Ich will das mal mit dem Besuch beim Zahnarzt vergleichen. Da möchte man alles schnell hinter sich bringen.“
Paul Josef Kardinal Cordes im Interview mit der „Bild“

Eine Woche Sedisvakanz

Seit einer Woche ist der Stuhl Petri vakant. Die Hälfte der vorgeschriebenen Zeit bis zum Konklave ist bereits verstrichen. Unter Umständen beginnt es, da nun alle wählenden Kardinäle in Rom anwesend sind, auch schon früher.

Am kommenden Montag wird genau ein Monat vergangen sein, seit Papst Benedikt XVI. die Welt mit der Ankündigung seines Amtsverzichts überrascht hat. Dieses Kapitel der Kirchengeschichte ist abgeschlossen. Ich muss sagen, dass ich damit inzwischen im Reinen bin.

Das Tagesgeschäft der Kirche geht weiter, auch ohne Papst. In Rom sind die Kardinäle gefordert, und ihre tägliche Arbeit hat etwas Beruhigendes. Einer von ihnen wird mit hoher Sicherheit bald Papst sein. Welcher das sein wird, ist eine spannende Frage.

Doch sorgen muss diese Frage niemanden. Inzwischen waren so viele Portraits über Kardinäle zu lesen, die mir gut geeignet erscheinen, dass ich mich auf den neuen Papst von Herzen freuen kann. Ich bin gespannt auf die Messe für den zu wählenden Papst, auf den feierlichen Einzug ins Konklave, die Bilder des kleinen Schornsteins auf der Sixtinischen Kapelle.

Schon bald wird weißer Rauch aufsteigen, die Glocken von St. Peter werden festlich läuten, das „Habemus Papam“ von der Mittelloggia ausgerufen. Wir werden den Namen des neuen Papstes hören, und auch, wie er sich künftig nennen wird. Dann wird er selbst hervortreten, eine erste Ansprache halten und den Segen Urbi et Orbi spenden.

Einige Tage darauf folgt die Krönungsmesse auf dem Petersplatz, die vermutlich mangels Tiara nicht so heißen wird. Und sogleich die Heilige Woche, die am Ostertag erneut mit dem Segen Urbi et Orbi aufwartet. Sollte der neue Papst dann nach Castel Gandolfo aufbrechen, wird er dort mit seinem Vorgänger zusammentreffen – ein weiteres historisches Ereignis.

Wir werden viele Bilder sehen, jede Menge Schlagzeilen lesen, viel dummes Geschwätz darunter. Doch auch die wichtigsten Worte der Menschheitsgeschichte:

Christus resurrexit!

Zwei Lehren aus einem Pontifikat

Das Pontifikat Benedikts XVI. ist zuende. Die beiden vielleicht wichtigsten Lehren für mich verbinden sich mit dem Anfang und dem Ende der Amtszeit des jüngsten Papstes.

Als 2005 Papst Johannes Paul II. starb und Joseph Ratzinger zu seinem Nachfolger gewählt wurde, als Papst Benedikt XVI. im Sommer zum Weltjugendtag nach Köln kam, da wurde mir klar, was Weltkirche bedeutet. Deutschland mochte zwar jetzt Papst sein, der Nabel der katholischen Welt war und ist es deshalb noch lange nicht.

Seitdem schaue ich auf manches, was uns hierzulande in Kirchenkreisen intensiv zu beschäftigen scheint, mit einem gewissen inneren Abstand. Deutschland mit seinen (noch) nahezu gleichgewichtigen konfessionellen Gruppen ist und bleibt im weltweiten Maßstab ein Sonderfall.

Und während wir hierzulande Kirchen schließen und Gemeinden fusionieren, weil uns die Gläubigen abhanden kommen, wächst die Weltkirche kräftig weiter. Allein von 2004 bis 2010 (jüngere Zahlen liegen noch nicht vor) stieg die Zahl der Katholiken um nahezu 100 Millionen, von 1,098 Milliarden auf 1,196 Milliarden.

Eine zweite wichtige Lehre lässt sich mit den Stichworten Demut und Gehorsam beschreiben. So heißt ein kleiner Band aus Münsterschwarzach, den mir vor einigen Monaten mein geistlicher Begleiter ans Herz legte. Was Demut und Gehorsam bedeuten, hat Papst Benedikt mit seinem Amtsverzicht auf eine völlig neue Weise gezeigt.

Wie leicht lässt sich Demut mit Kleinmut verwechseln. Wie schwer fällt mir der Gehorsam gegenüber meiner Berufung und dem, der mich beruft. Welche Ausflüchte bringe ich vor, wenn es um ganz konkrete Fragen geht. Wie oft scheinen mir allerlei praktische Hindernisse übergroß im Weg zu stehen.

Ich denke an einen berühmten Satz von Papst Johannes XXIII.: „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig.“ Papst Benedikt hat seinen Amtsverzicht als eine neue Berufung gedeutet. Eine kühne Deutung für einen kühnen Schritt. Schaue ich auf meine Berufung, dann möchte ich ihr mit ebensolchem Mut und ebensolcher Demut folgen können.

28. Februar 2013, 20 Uhr

Warum beendete Papst Benedikt XVI. sein Pontifikat gerade um 20 Uhr? Wie über die Gründe des Amtsverzichts ist auch darüber viel gerätselt worden. Die offizielle Antwort seines Sprechers Federico Lombardi enthüllt nur eine mögliche Deutung dieser Entscheidung: Um 20 Uhr ende gewöhnlich der Arbeitstag des Papstes, so der Sprecher.

Formal betrachtet war gestern Ultimo, der Februar zuende, und so beendete der Papst sein Amtszeit wie einen zum Monatsende gekündigten Arbeitsvertrag mit dem Ablauf der täglichen Arbeitszeit. Resturlaub steht einem Papst offensichtlich nicht zu.

Doch Scherz beiseite. Wir kommen den Gründen näher, wenn wir an die Komplet denken, die in vielen Klöstern um 20 Uhr gebetet wird.

Nunc dimittis servum tuum Domine, * secundum verbum tuum in pace.
Quia viderunt oculi mei salutare tuum, * quod parasti ante faciem omnium populorum,
lumen ad revelationem gentium * et gloriam plebis tuae Israel.

„Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, * wie du gesagt hast, in Frieden scheiden.“ Das sind Worte, die das Amtsverständnis des nun emeritierten Papstes treffend beschreiben, gerade wie es sich in den letzten drei Wochen noch einmal deutlich gezeigt hat. Der Diener der Diener Gottes, der Knecht darf nun in Ruhe und Frieden scheiden und sein Amt zurücklegen in die Hände dessen, der es ihm anvertraut hatte.

Viel deutlicher lässt sich nicht zeigen, dass es um Dienst und Dienen geht, nicht um Macht. Auch wenn die Medien, deren Weltsicht nur die Machtperspektive kennt und die ihre eigene Macht mehr missbrauchen als sie zum Wohl der Gesellschaft einzusetzen, dies niemals verstehen werden.

In der Wahl der Uhrzeit liegt noch eine weitere Botschaft. Nach jüdischer Tradition beginnt mit Sonnenuntergang bereits der neue Tag. Das alte Brevier kannte diese Regel auch noch – dort begann täglich mit der Vesper, die bei Einbruch der Dunkelheit gebetet wird, der nächste liturgische Tag.

Dies hat sich in der ersten Vesper der Sonntage und Hochfeste noch erhalten, die somit liturgisch am Vorabend beginnen. Und auch die nachkonziliare Innovation der Vorabendmesse kann sich auf diesen alten Brauch berufen.

Eine gute Nacht wünschte der Papst am Ende seiner letzten öffentlichen Worte der in Castel Gandolfo versammelten Menge. Gut vorstellbar, wenn nicht wahrscheinlich, dass er anschließend die Vesper gebetet hat, seine letzte Hore als Papst, bevor dann um 20 Uhr die Tore der Residenz geschlossen wurden.

Um die gleiche Uhrzeit begann in der Nacht des Todes von Papst Johannes Paul II. die Messe, die an seinem Sterbebett zelebriert wurde. Er starb um 21.37 Uhr.

Das Pontifikat seines Nachfolgers endete gut eineinhalb Stunden früher. Und dennoch in höherem Alter und bei relativer Gesundheit, wenn auch nachlassenden Kräften.

Wie alles, was Papst Benedikt XVI. sagte und tat, hat auch die Wahl der Uhrzeit, zu der er sein Amt zurückgab, eine Bedeutung.

Pontifex emeritus

Unterdessen wurde bekannt, dass Papst Benedikt XVI. nach seinem Amtsverzicht am kommenden Donnerstag den Titel „Pontifex emeritus“ beziehungsweise „Papst emeritus“ tragen wird. Angesprochen werden soll er als „Seine Heiligkeit, Benedikt XVI.“, wie der Sprecher des Vatikans, Lombardi, am Dienstag bekanntgab.
FAZ

Damit wäre auch dies geklärt. Georg Ratzinger war am besten informiert.

Die Gründe des Amtsverzichts

Wie im Grunde immer während seines achtjährigen Pontifikates und auch schon zuvor spricht Papst Benedikt sehr klar und deutlich über die Gründe seines Amtsverzichtes. Insofern müsste es eigentlich verwundern, dass darüber allenthalben solch ein großes Rätselraten veranstaltet wird.

Schon 2011 hatte er auf eine Frage Peter Seewalds eine Antwort gegeben, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig ließ:

“Wenn ein Papst zur klaren Erkenntnis kommt, dass er physisch, psychisch und geistig den Auftrag seines Amtes nicht mehr bewältigen kann, dann hat er ein Recht und unter Umständen auch eine Pflicht, zurückzutreten.”

Sehr ähnlich formulierte er dann am 11. Februar seinen Amtsverzicht:

Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewißheit gelangt, daß meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben. […] Um […] das Schifflein Petri zu steuern und das Evangelium zu verkünden, ist sowohl die Kraft des Körpers als auch die Kraft des Geistes notwendig, eine Kraft, die in den vergangenen Monaten in mir derart abgenommen hat, daß ich mein Unvermögen erkennen muß, den mir anvertrauten Dienst weiter gut auszuführen.

In der lateinischen Originalfassung spricht er von der „vigor quidam corporis et animae“, also der Kraft gleichermaßen des Körpers wie des Geistes, die „necessarius est, qui ultimis mensibus in me modo tali minuitur, ut incapacitatem meam ad ministerium mihi commissum bene administrandum agnoscere debeam“. Dass er diese Erklärung am Welttag der Kranken abgab, der in diesem Jahr in Altötting in seiner bayerischen Heimat begangen wurde, und zugleich Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes ist, ist ein weiterer deutlicher Hinweis.

Im letzten Satz kündigt er dann an, was seitdem wie ein roter Faden durch seine letzten öffentlichen Ansprachen läuft:

Was mich selbst betrifft, so möchte ich auch in Zukunft der Heiligen Kirche Gottes mit ganzem Herzen durch ein Leben im Gebet dienen.

In seiner vorletzten Generalaudienz zwei Tage später formulierte er:

Ich bin mir des Ernstes dieses Aktes sehr bewußt, aber ich bin mir ebenso bewußt, nicht mehr in der Lage zu sein, das Petrusamt mit der dafür erforderlichen Kraft auszuüben. Mich trägt und erleuchtet die Gewißheit, daß es die Kirche Christi ist und der Herr es ihr nie an seiner Leitung und Sorge fehlen lassen wird.

Auf sein künftiges Leben im Gebet kommt er einige Tage später vor dem römischen Klerus zurück:

Auch wenn ich mich jetzt zurückziehe, bin ich doch im Gebet euch allen immer nahe, und ich bin mir sicher, dass auch ihr mir nahe sein werdet, auch wenn ich für die Welt verborgen bleiben werde. […] Ich werde immer bei euch sein, auch wenn ich im Gebet zurückgezogen sein werde. Der Herr siegt.

Das Motiv des Gebets rückt in der Ansprache zum letzten Angelus dann in den Mittelpunkt:

Der Herr ruft mich, den ‚Berg hinaufzusteigen’, mich noch mehr dem Gebet und der Betrachtung zu widmen. Doch dies bedeutet nicht, die Kirche zu verlassen, im Gegenteil. Wenn Gott dies von mir fordert, so gerade deshalb, damit ich fortfahren kann, ihr zu dienen, mit derselben Hingabe und mit derselben Liebe, mit denen ich es bis jetzt versucht habe, aber in einer Weise, die meinem Alter und meinen Kräften angemessener ist.

Diese theologische Deutung baut Benedikt XVI. in seiner letzten Generalaudienz schließlich weiter aus:

„In diesen letzten Monaten habe ich gefühlt, wie meine Kräfte nachlassen, und ich habe Gott im Gebet inständig gebeten, mich mit seinem Licht zu erleuchten, damit ich die beste Entscheidung nicht zu meinem Wohl, sondern zum Wohl der Kirche treffe. Ich habe diesen Schritt im vollen Bewusstsein darum, wie schwerwiegend und auch wie neu er ist, getan, aber mit tiefer Gelassenheit. Die Kirche lieben heißt auch, schwierige, harte Entscheidungen zu treffen und sich dabei immer das Wohl der Kirche vor Augen zu halten, nicht das eigene Wohl.“

Benedikt XVI. kam noch einmal auf den 19. April 2005 zurück – den Tag, an dem er im Konklave zum Papst gewählt worden war. „Die Schwere der Entscheidung lag auch an der Tatsache, dass ich von diesem Moment an völlig und für immer im Einsatz für den Herrn war. Immer – wer den Petrusdienst übernimmt, hat keine Privatsphäre mehr. Er gehört immer und völlig allen, der ganzen Kirche. Seinem Leben wird sozusagen die private Dimension völlig genommen. Aber ich konnte erfahren und erfahre es genau jetzt, dass einer das Leben gewinnt, wenn er es gibt.“ Ein Papst habe „Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter in der ganzen Welt“ und fühle sich „sicher in der Umarmung der Gemeinschaft“. Er gehöre „nicht mehr sich selbst, sondern allen, und alle gehören ihm“.

„Das „Immer“ ist auch „Für immer“: Es gibt keine Rückkehr ins Private. Meine Entscheidung, auf die aktive Ausübung des Dienstes zu verzichten, widerruft das nicht. Ich kehre nicht ins Privatleben zurück, in ein Leben der Reisen, Begegnungen, Empfänge, Konferenzen usw. Ich verlasse nicht das Kreuz, ich bleibe auf eine neue Weise beim gekreuzigten Herrn. Ich habe nicht mehr die Amtsgewalt für die Regierung der Kirche, aber ich bleibe im Dienst des Gebets sozusagen im Bereich des heiligen Petrus. Der heilige Benedikt, dessen Namen ich als Papst trage, wird mir darin immer ein großes Beispiel sein. Er hat uns den Weg gezeigt zu einem Leben, das – aktiv oder passiv – doch vollständig dem Werk Gottes gehört.“

Er danke „allen und jedem einzelnen für den Respekt und das Verständnis“, auf das seine Entscheidung zum Rücktritt gestoßen sei, fuhr Benedikt XVI. fort. „Ich werde den Weg der Kirche weiter mit dem Gebet und der Meditation begleiten, mit derselben Hingabe an den Herrn und an die Kirche, um die ich mich bis heute bemüht habe. Ich bitte euch, vor Gott an mich zu denken und vor allem für die Kardinäle zu beten, die zu einer so wichtigen Aufgabe aufgerufen sind, und für den neuen Nachfolger des Apostels Petrus. Der Herr begleite ihn mit dem Licht und der Kraft seines Geistes.“

Ist dem noch etwas hinzuzufügen? Wer Ohren hat zu hören, der höre.

Papst Benedikt vor dem Aufstieg auf den Berg

Noch immer beschäftigt viele Menschen die Frage nach dem Grund für den Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI. Er selbst gab heute in der Ansprache zum letzten Angelus seines Pontifikates eine theologische Deutung, die Bezug nahm auf das heutige Evangelium von der Verklärung des Herrn (Lk 9, 28b-36):

„Liebe Brüder und Schwestern, ich fühle, wie dieses Wort Gottes in diesem besonderen Augenblick meines Lebens besonders an mich ergeht. Der Herr ruft mich, den ‚Berg hinaufzusteigen’, mich noch mehr dem Gebet und der Betrachtung zu widmen. Doch dies bedeutet nicht, die Kirche zu verlassen, im Gegenteil. Wenn Gott dies von mir fordert, so gerade deshalb, damit ich fortfahren kann, ihr zu dienen, mit derselben Hingabe und mit derselben Liebe, mit denen ich es bis jetzt versucht habe, aber in einer Weise, die meinem Alter und meinen Kräften angemessener ist.“

Dieser Aufstieg auf den Berg wird noch einmal konkret sichtbar, wenn auch verborgen vor den Augen der meisten Menschen und der Medien, wenn er in einigen Wochen seinen Rückzugsort auf dem Vatikanhügel beziehen wird. Ganz nah am Herzen der Weltkirche, im kleinen Vatikanstaat und im Schatten des Petersdomes wird er seinen Dienst in Gebet und Betrachtung fortsetzen.

Er verlässt die Kirche nicht, „im Gegenteil“! Er spricht von einer Forderung Gottes, also einer neuen Berufung für den letzten Abschnitt seines Lebens. Über den sprach er bereits in einer Predigt zu seinem 85. Geburtstag im vergangenen April:

Ich stehe vor der letzten Wegstrecke meines Lebens und weiß nicht, was mir verhängt sein wird. Aber ich weiß, daß das Licht Gottes da ist, daß er auferstanden ist, daß sein Licht stärker ist als alles Dunkel; daß Gottes Güte stärker ist als alles Böse dieser Welt. Und das läßt mich in Gewißheit weitergehen. Das läßt uns weitergehen, und allen, die dieses „Ja“ Gottes immer wieder durch ihren Glauben auch mir gewiß machen, danke ich von ganzem Herzen in dieser Stunde.

In gewisser Weise schließt sich jetzt ein Kreis, aber nicht ganz. Sein Pontifikat begann mitten in der Osterzeit, nachdem sein Vorgänger am Vorabend des Sonntags der Göttlichen Barmherzigkeit gestorben und er kurze Zeit später zum Papst gewählt worden war. Es endet mitten in der Fastenzeit, also der österlichen Bußzeit, in der violetten Farbe der Buße. Der letzte Sonntag seines Pontifikates steht im Zeichen der Verklärung, die zugleich Vorschau auf die österliche Vollendung wie auf das Leiden Christi ist.

Das nahe Osterfest überlässt Papst Benedikt seinem Nachfolger. Den Kardinälen, die den Nachfolger zu wählen haben, wird er vermutlich in den kommenden Tagen noch die Freiheit geben, über den richtigen Zeitpunkt für das Konklave zu entscheiden. Sie stehen dann vor der Entscheidung, sich entweder die vorgeschriebenen 15 bis 20 Tage Zeit zu nehmen, um die Wahl gründlich vorzubereiten, in Gesprächen und Begegnungen, in Fasten und Gebet. Oder das Konklave vorzuziehen, um eventuell mehr Zeit für die nötigen Wahlgänge zu haben und trotzdem rechtzeitig vor Beginn der Heiligen Woche das „Habemus Papam“ von der Loggia des Petersdomes ausrufen zu können.

Christoph Kardinal Schönborn und der fundamentalistische Individualismus

In einem klugen Interview mit dem österreichischen Magazin profil verweist Christoph Kardinal Schönborn zunächst mit einem Satz seine Chancen auf die Nachfolge Benedikts ins Reich der Fabel.

profil: Sie werden in so gut wie jeder internationalen Liste der Papstkandidaten genannt. Wie erklären Sie sich das?
Schönborn: Mit der Fantasielosigkeit der Papstberichterstattung.

Doch sagt er im selben Interview auf die nächste Frage hin auch Sätze, die ihn nachgerade papabile erscheinen lassen:

profil: Viele Themen kommen auf den nächsten Papst zu: von Priestermangel und Zölibat über Sexualmoral bis zu Ökologie, Armutsbekämpfung und Ökumene. Was sind die vordringlichsten Aufgaben?

Schönborn: Den Menschen den Weg zu Gott aufzuschließen, ihnen beizustehen und ihre Würde zu verteidigen. Und das in einer Welt, in der sich praktisch überall die Stellung der Kirche dramatisch verändert, ob durch den Verlust einstmaliger gesellschaftlicher Vorrangstellungen im Norden oder durch das Anwachsen zu einer gesellschaftlich immer bedeutenderen Größe in vielen Ländern der Dritten Welt. Es geht um die schwierige Aufgabe, in einer Welt, die von so vielen Seiten bedroht wird – Wirtschaftskrise, Kriegsgefahr im Mittleren und Fernen Osten, Christenverfolgung und Fundamentalismus, auch der fundamentalistische Individualismus im Westen –, Gutes zu tun und die Stimme der Liebe zu erheben, die – sofern sie eine unverwechselbar katholische Stimme sein will – vielerorts wieder und neu das Vertrauen der Menschen gewinnen muss.

Ist der fundamentalistische Individualismus für Schönborn, was seinerzeit für Ratzinger die Diktatur des Relativismus war?

Der Name des gewesenen Papstes

Dum esset summus Pontifex, * terrena non metuit, sed ad caelestia regna gloriosus migravit.
Antiphon zum Magnificat der Vesper vom Fest Cathedra Petri

Heute in einer Woche wird die Cathedra Petri verwaist sein. Soviel steht fest. Unterschiedliche Meldungen gibt es hingegen zur Frage, welchen Namen Papst Benedikt XVI. dann tragen wird.

Kardinal Francesco Coccopalmerio, Präsident des päpstlichen Rates für die kirchlichen Gesetzestexte, hat sich jetzt in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung „Corriere della Sera“ zu Wort gemeldet, wie Radio Vatikan heute berichtet.

Papst Benedikt XVI. werde nach seinem Rücktritt demnach „sicher nicht wieder Kardinal“, sondern er bleibe wohl „Seine Heiligkeit Benedikt XVI.“. Und weiter:

„In Analogie zu dem, was im Fall der anderen Bischöfe passiert, die ihr Amt beenden und die sich deswegen emeritierte Bischöfe nennen, glaube ich, dass man sagen kann, dass der zurückgetretene Papst seinerseits emeritierter Bischof von Rom ist.“

Damit hätten wir nun mindestens drei Versionen:

  1. Seine Eminenz Kardinal Ratzinger (Roberto de Mattei)
  2. Benedikt (XVI.), aber ohne den Titel Heiliger Vater (Georg Ratzinger)
  3. Seine Heiligkeit Benedikt XVI. (Francesco Kardinal Coccopalmerio)

Nichts Genaues weiß man nicht. Nur das scheint klar.