In Cathedra S. Petri Apostoli

Beate Pastor Petre, clemens accipe
Voces precantum, criminumque vincula
Verbo resolve, cui potestas tradita,
Aperire terris caelum, apertum claudere.

Sit Trinitati sempiterna gloria,
Honor, potestas, atque iubilatio,
In unitate, quae gubernat omnia,
Per universa aernitatis saecula.

Hymnus der Laudes

Von Namen und Soutanen

Bruder des Papstes zu sein bringt keinen besonderen kanonischen Status mit sich. Georg Ratzinger plauderte dieser Tage über Fragen, die uns auch hier schon beschäftigt haben. Die Quintessenz seiner Aussagen:

Benedikt XVI. wird vermutlich seinen Namen behalten. Zudem werde er weiter im weißen Talar auftreten – schließlich sei er Papst auf Lebenszeit.

Zwei interessante Thesen, die der Auffassung von Roberto de Mattei diametral entgegenstehen. Wird Papst Benedikt XVI. also seinen Namen ablegen und wieder den Kardinalstitel tragen? Oder behält er den Namen und legt nur seine Titel ab?

Die Farbe der Soutane dürfte in einem gewissen Zusammenhang damit stehen. Als Kardinal wäre weiß vermutlich nicht die angemessene Farbe.

Papst auf Lebenszeit ist Benedikt XVI. nach seinem Amtsverzicht allerdings gerade nicht mehr. Insofern ist durchaus die Frage, was von den übrigen Aussagen seines Bruders zu halten ist.

Zu notwendigen Reformen bei den Grünen

Klaus Kelle hat letzte Woche in seiner Kolumne „Politisch inkorrekt“ einen originellen Vorschlag gemacht:

Das „Handelsblatt“ gibt der Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth breiten Raum für ihr gewohntes Sexualmoral-Zölibat-Frauenordination-Erneuerungs-Geweine. Mitglied der Kirche ist sie nicht. Ob die Zeitung nun wenigstens Kardinal Meisner mal etwas zu notwendigen Reformen bei den Grünen schreiben lässt?

Zwar bin ich nicht Kardinal Meisner. Als ehemaliger Stammwähler der Grünen drängt es mich dennoch, den Vorschlag aufzugreifen. Worin bestehen also die notwendigen Reformen? Es muss dabei um eine Überwindung der ökologischen Halbierung der Grünen gehen. Papst Benedikt gab dazu 2011 in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag den entscheidenden Hinweis:

Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muß und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur hört, sie achtet und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat. Gerade so und nur so vollzieht sich wahre menschliche Freiheit.

Während die Grünen zwar die Umwelt des Menschen zum Bezugspunkt nehmen, ignorieren sie weitgehend seine eigene, die menschliche Natur. Die Familie ist der blinde Fleck der grünen Weltanschauung. Das hat mit der Gründungsgeschichte der Partei zu tun. Damals verschmolz die Umwelt- und Friedensbewegung mit den Überresten der marxistischen Revolte von 1968. Deren erklärtes Ziel war die Zerstörung der Familie, die als repressiv und reaktionär galt.

Da der Mensch nun aber seit Urzeiten in Familien lebt, da ohne Familie die Fortpflanzung und das Überleben des Menschen prekär wird, mit einem Wort: da die Familie zur Natur des Menschen gehört, liegt hier der Grundwiderspruch der Grünen. Nur wer diesen Widerspruch aushalten oder verdrängen kann, der kann sich vehement für bedrohte Tierarten einsetzen, aber das ungeborene Leben für nicht weiter schützenswert halten. Nur so können die gleichen Menschen zusammen mit der SPD an der weiteren Verstaatlichung der Kinderbetreuung arbeiten und gleichzeitig für artgerechte Tierhaltung kämpfen.

Dass die Partei angesichts dieser Widersprüche nicht zerbricht, liegt einzig und allein an den Zwängen der Macht. Die Aussicht auf Macht und die Teilhabe daran hält die Grünen zusammen. Der Druck der Machtverhältnisse zwingt logisch inkonsistente und selbstwidersprüchliche Positionen in ein Parteigehäuse.

Wird das auf Dauer so bleiben? Wahrscheinlich nicht. Irgendwann wird zerbrechen, was nicht zusammengehört. Es sei denn, die Grünen könnten sich zuvor zu notwendigen Reformen entschließen, i.e. sich von ihrem marxistischen Erbe trennen. Angesichts der breiten Mehrheitsfähigkeit ökologischer Themen wäre damit der Weg zur bürgerlichen Volkspartei frei. Und zur Koalition mit der CDU/CSU.

Der künftige Titel Joseph Ratzingers

Wie wird Papst Benedikt XVI. nach dem Ende seines Pontifikates heißen? Welchen Titel wird er tragen? Diese Frage beschäftigt offensichtlich viele Medien und auch Menschen, die es wissen müssten.

Doch die Frage scheint geklärt:

Benedikt XVI. wird wieder Seine Eminenz Kardinal Ratzinger werden und wird keine Vorrechte mehr ausüben können, wie die Unfehlbarkeit, die zuinnerst mit der päpstlichen Leitungsgewalt verbunden sind.

Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls Roberto de Mattei in einem längeren Aufsatz zur Demission des Papstes. Er zitiert einen Präzedenzfall:

Gregor XII. (1406-1415), der rechtmäßige Papst, sandte – um das Abendländische Schisma (1378 bis 1417) zu beenden – seinen Bevollmächtigten Carlo Malatesta nach Konstanz, um seine Bereitschaft zum Rücktritt bekanntzugeben. Der Verzicht wurde offiziell am 4. Juli 1415 von der Konzilsversammlung angenommen, die gleichzeitig den Gegenpapst Benedikt XIII. absetzte. Gregor XII. wurde wieder als Kardinalbischof von Porto in das Heilige Kollegium aufgenommen und damit mit dem höchsten Rang nach dem Papst. Nachdem er seinen Namen und seine Insignien abgelegt und wieder seinen Namen Angelo Kardinal Correr angenommen hatte, zog er sich als Päpstlicher Legat in die Marken zurück und starb am 18. Oktober 1417 in Recanati.

Abschied von einem Papst, der lebt

Unwirkliche Bilder kamen heute aus Rom: Bilder des Abschieds von einem Papst, der lebt.

In meinen 43 Lebensjahren habe ich bis jetzt vier Päpste erlebt. Drei von ihnen starben und wurden begraben, bevor ein neuer gewählt wurde. Zweimal kam der Abschied nicht unerwartet, einmal überraschend nach nur 33 Tagen.

Diesmal ist alles anders. Der Papst verzichtet auf sein Amt mit zweieinhalb Wochen Vorlauf, was Gelegenheit zum Abschied gibt.

Das Timing ist exzellent. Zum Monatsende am 28. und Büroschluss um 20 Uhr gibt er sein Amt auf, das klingt wie eine Pointe deutscher Gründlichkeit und Pflichterfüllung.

Das Konklave fällt dadurch in die Passionswoche, voraus gehen viereinhalb Wochen Fastenzeit, inlusive Exerzitien. Die Wahl des neuen Papstes wird gründlich durch Fasten und Beten vorbereitet sein.

Und vermutlich wird er am Palmsonntag in sein Amt eingeführt werden. Der Einzug unter Palmzweigen in Jerusalem, mit einem Esel wie einst Coelestin V. – wer kann sich so etwas ausdenken?

Der Abschied heute im violetten Gewand der Buße und mit dem Aschenkreuz – ein weiteres Zeichen der Demut. So wird Benedikt XVI. in Erinnerung bleiben.

Seine Stimme wird bleiben

Man hätte es ahnen können. Die Antwort auf eine Frage Peter Seewalds ließ an Klarheit nichts zu wünschen übrig:

“Wenn ein Papst zur klaren Erkenntnis kommt, dass er physisch, psychisch und geistig den Auftrag seines Amtes nicht mehr bewältigen kann, dann hat er ein Recht und unter Umständen auch eine Pflicht, zurückzutreten.”

Wie oft habe ich seine Stimme auf Radio Vatikan gehört, die immer öfter heiser klang. Der die Bürde des Amtes anzuhören war. Da habe ich mich gefragt, wie lange uns diese Stimme noch erhalten bleiben würde.

Doch an Rücktritt habe ich nicht gedacht, ihn nicht für möglich gehalten. Ich dachte, dieser weise Mann auf dem Stuhle Petri teilt seine Kräfte ein und tut, was er kann. Und das hat er auch getan und wird es weiter tun, auch in seiner künftigen Klause im Vatikan.

Es ist noch zu früh für eine umfassende Würdigung dieses Pontifikates. Was in jedem Fall bleiben wird, sind seine Predigten. Geistlich wie intellektuell brilliant, in einfacher, transparenter und präziser Sprache legt Benedikt XVI. das Wort Gottes aus.

Für mich ein großes Vorbild. Im Herbst werde ich mich, so Gott will, mit der Kunst der Predigt beschäftigen dürfen. Seine Stimme, ich werde sie vermissen. Danke, Heiliger Vater!

Derweil versuche ich, auch wenn in Deutschland wieder einmal heftige Winde wehen, mir keine Sorgen um das Schifflein Petri zu machen. Denn wie schreibt Nicolás Gómez Dávila:

Der Katholik, den das Los der Kirche mit Besorgnis erfüllt, hat aufgehört Katholik zu sein.

Wo die 80er bis heute fortleben

Das Heidentum sitzt heute in der Kirche selbst, schrieb der junge Theologe Joseph Ratzinger 1958 in einem Aufsatz, den jüngst das Vatican-Magazin wieder zugänglich gemacht hat. Wer wie ich seine Jugend in einer noch stark katholisch geprägten Gegend verbracht hat, der konnte sehen, was die äußere Deckung von Kirche und Welt bedeutet, die nur noch zum Schein besteht.

„Frieden und Gerechtigkeit“ stand damals in den 80ern unter Picassos Friedenstaube auf den ökopapiergrauen Briefumschlägen, in denen die Bezirksstelle der Katholischen Jugend ihre Post verschickte. An Mail war noch nicht zu denken. Meine Jugend begann mit Friedens- und Umweltbewegung, Nachrüstungsdebatte und der geistig-moralischen Wende der Ära Kohl.

Während sich die Generation unserer Eltern noch selbstverständlich hinter Helmut Kohl scharte, tobte innerhalb der Kirche schon der Kampf verschiedener Fraktionen. Wir Jugendlichen fühlten uns als christlicher, katholischer Teil der Friedens- und Unweltbewegung und gerieten so in Widerspruch zu unseren CDU-Eltern und dem katholischen Establishment.

Unsere Opposition war also eine innerkirchliche. Wir schauten kritisch auf alles, was unserer Meinung nach dem Evangelium widersprach, gerade in der Kirche. Und wir experimentierten mit unserer jugendlichen Art des Kircheseins. „Wir sind Kirche“, lautete Mitte der 80er das Motto einer großen Jugendwallfahrt mit Bischof Josef Homeyer nach Vierzehnheiligen. Mit der gleichnamigen Splittergruppe hatte das aber nichts zu tun.

Mir scheint, die 80er leben bis heute fort, wenn ich mir die heutige innerkirchliche Opposition ansehe. Sie arbeitet sich an Themen ab, die uns schon damals nur am Rande interessierten, und das auch nur, weil davon so viel gesprochen wurde. Dabei gerät völlig aus dem Blickfeld, was die eigentlichen Herausforderungen der Zeit sind.

Das Evangelium ernstzunehmen muss mit dem innerkirchlichen Heidentum, das nur noch pro forma am Christentum festhält, notwendigerweise in Konflikt geraten. Mir scheint aber, dass sich die heutigen Kritiker eher auf Seiten eben jenes Heidentums befinden. Sie nehmen ihre Maßstäbe aus der Welt, nicht aus dem Evangelium, und sie hätten die Lehre der Kirche gern zeitgemäß, was heißt: der Welt gemäß.

Genau hier setzt der von Papst Benedikt im vergangenen Herbst geprägte Begriff der Entweltlichung an. Sie ist das Gegenteil jener Verweltlichung, die unweigerlich in einem neuen Heidentum enden muss. Entweltlichung ist nicht der Abschied von der Welt, sondern der Wechsel der Maßstäbe, weg von denen der Welt, hin zu jenen des Evangeliums.

Viel spannender als die müde innerkirchliche Opposition mit den immergleichen Langweilerthemen ist die Kirche in Opposition zur Welt, nicht grundsätzlich, aber dort, wo die Welt heillos geworden ist. Das Heil kommt nicht aus der Welt, sondern nur von Christus. Daran wird die Kirche notwendigerweise immer festhalten.

Fronleichnam in Rom

Zwei Nächte in Rom, beruflich, zum ersten Mal überhaupt. Und dann Fronleichnam als Haupttag. Eine selten glückliche Fügung.

Mein erster Weg am Mittwoch führte mich gleich zu Fuß durch das Stadtzentrum zum Petersplatz. Kaum zu glauben, aber beinahe rechtzeitig zur ersten Vesper von Fronleichnam war ich nahe am Hochaltar, an der Cathedra Petri von Bernini, wo das Domkapitel des Bischofs von Rom die hochfestliche Vesper feierte.

Die Sonne tauchte den Petersdom in ein wunderbares Nachmittagslicht. Es war unbeschreiblich schön. Ich blieb nicht zur anschließenden Messe, weshalb die Ordner mich samt einer größeren Gruppe nachdrücklich hinter die Absperrungen zurück beorderte.

Überhaupt wird im Dom ein ordentliches Regiment geführt, um der Touristenströme Herr zu werden. Und das scheint im Rahmen des Möglichen auch ganz gut zu gelingen. Es gibt Platz zum Beten, die Beichte kann in zahllosen Sprachen abgelegt werden, für Gottesdienste wird der Altarraum großzügig abgesperrt.

Auch das Grab des seligen Papstes Johannes Pauls des Zweiten liegt hinter einer solchen Absperrung, unter dem Altar des Heiligen Sebastian. Auch dort konnte ich eine Zeit im Gebet verweilen.

Die Vatikanische Post war so freundlich, mir etwas Strom für den Akku des iPhones zu schenken. Damit kam ich immerhin etwas weiter, denn Stadtplan oder Reiseführer in Papierform hatte ich nicht dabei.

Das Abendessen nahm ich gegenüber der Kirche Santa Maria dell’Anima ein, die passend zu Tiramisu und Kaffee ihre Türen für ein Konzert öffnete. So konnte ich noch einen schnellen Blick in die Kirche der deutschen Gemeinde Roms werfen.

Das Pantheon sah ich an diesem Abend – wie alle weiteren Kirchen – nur von außen, denn es war inzwischen etwas später geworden. Nach einem kurzen Blick in den Trevi-Brunnen (habe ich schon die Brunnen auf der Piazza Navona erwähnt?) nahm ich die Abkürzung durch den schrecklich lauten Straßentunnel unter dem Quirinalspalast zurück zum Hotel.

Am Abend des Fronleichnamstages kam ich so rechtzeitig zur Piazza San Giovanni, dass ich dort noch einen Sitzplatz ergattern konnte. Die Wartezeit ließ sich durch die still gebetete Vesper trefflich verkürzen.

Doch von einem pünktlichen Beginn um 19 Uhr konnte keine Rede sein. Die päpstliche Festmesse begann mit einem akademischen Viertel Verspätung, was sich wie ein ironischer Wink in Richtung des Professors Ratzinger lesen lässt. Der Vorteil der kleinen Verzögerung war, dass die Sonne inzwischen hinter San Giovanni versunken war und uns nicht mehr blenden konnte.

Zur päpstlichen Liturgie gibt es wenig zu sagen. Das Ordinarium aus der Missa de Angelis konnte ich fröhlich zusammen mit dem wackeren Priester schmettern, der zu meiner Rechten Platz genommen hatte. Links saßen drei Damen reiferen Alters, die mit dem Latein weniger vertraut schienen.

Überhaupt Latein. Es gab relativ viel Italienisch für meinen Geschmack, eine Sprache, der ich leider nicht mächtig bin. Auf Latein waren das Hochgebet, das dritte in diesem Fall, und die meisten Gesänge, wenn auch bei weitem nicht alle.

Zu den liturgischen Höhepunkten möchte ich die Sequenz zählen, die in voller Länge und Schönheit im Wechsel zwischen Schola und Volk gesungen wurde. Ist die eigentlich im aktuellen Messbuch vorgesehen? Egal, es war phantastisch und übrigens durchaus anspruchsvoll zu singen, da das Volk des öfteren gerade nicht die Melodie des vorangegangenen Scholaverses wiederholen kann, sondern eine andere Melodie zu singen hat.

Die Predigt werde ich wohl mal nachlesen müssen. Was übrigens leicht nervte, waren die metallenen Absperrgitter, die der Ordner regelmäßig mit lautem Krachen zur Seite rückte, um das rege Kommen und Gehen abzuwickeln.

Der Römer an sich lässt sich auch durch eine Papstmesse nicht davon abhalten, im Straßenverkehr durch häufiges Hupen schlimmere Unfälle als kleinere Blechschäden zu vermeiden. So war immer klar, dass ich nicht träume. Denn irgendwie unwirklich war die Szene an diesem wunderbaren Frühsommerabend: die große Menschenmenge vor der festlich geschmückten Fassade der Lateranbasilika, der prächtige Altar und der zierliche Papst mit seinen weißen Haaren, alles unter einem strahlend blauen Himmel bei stetig abnehmendem Tageslicht.

Die Kommunionausteilung führte leider zu einem ziemlichen Gedränge. Der wackere Diakon, der an unserem Ende die Kommunion spendete, begann der großen Nachfrage wegen irgendwann damit, die Hostien zu halbieren. Er musste am Ende von einem Ordner zur Ordnung gerufen werden, weil er der letzte war, der noch die Kommunion spendete. Übrigens nur Mundkommunion, die scheint inzwischen bei päpstlichen Messen wieder selbstverständlich zu sein.

Dann war die Messe vorbei, und nun wurde die Lage etwas unübersichtlich. Wie ich später sah, hätte ich wohl einfach innerhalb der Absperrungen bleiben sollen, um mit den übrigen Gläubigen hinter dem Wagen mit dem Allerheiligsten und dem Papst zur Basilika Santa Maria Maggiore ziehen zu können. Der gesamte Weg dorthin war nämlich komplett abgesperrt.

Doch der Herdentrieb verleitete mich dazu, außerhalb der Absperrungen neben dem schier endlosen Zug kirchlicher Würdenträger an den zahlreichen Zuschauern vorbei zu gehen. Meine Kerze war schnell erloschen, weil ich keinen bunten Windschutz abbekommen hatte.

Von Priestermangel konnte an diesem Abend wohl keine Rede sein. Nicht nur zog eine unabsehbare Reihe von ihnen vor dem Allerheiligsten her, auch außerhalb der Absperrungen wimmelte es nur so von Römerkragen und Soutanen. Eine wahre Demonstration des Katholischen, rund um den auferstandenen Christus in der Monstranz.

Der Papst kniete dahinter, mit seinem etwas zerzaust wirkenden weißen Haar, wie von den Zeitläuften zerknittert. Die Prozession wirkte auf mich wie eine große Kundgebung der Solidarität mit dem Papst, der wiederum durch sein Knien zeigte, dass es nicht zuerst um ihn geht, sondern um Christus.

Die Texte und Gesänge zur Prozession waren nun fast ausschließlich auf Italienisch, und das Begleitheft verzichtete, anders als bei den Texten der Messe, auf Übersetzungen. Der Zug erreichte Santa Maria Maggiore, bevor der Vorrat an Wort und Musik erschöpft war. Sogar das letzte Evangelium entfiel.

Es gab auch keine Zwischenaltäre, wahrscheinlich aus Platzgründen, denn auch die Piazza Santa Maria Maggiore platzte aus allen Nähten, als der Zug dort ankam, und zwar auf beiden Seiten der Absperrgitter. Mit dem Tantum Ergo und dem Eucharistischen Segen endete die Feier.

Dem Begleitheft war zu entnehmen, dass ich einen Ablass hätte gewinnen können, wenn ich die üblichen Bedingungen erfüllen würde. Hätte ich das vorher gewusst, so wäre ich vermutlich am Vortag im Petersdom zur Beichte gegangen. Geschadet hätte das jedenfalls nicht.

Der hochfestliche Abend klang für mich im Antico Caffe Santamaria aus, das direkt gegenüber der Basilika Santa Maria Maggiore liegt. Nachdem die Feier samt Prozession rund drei Stunden gedauert und ich zuvor nichts gegessen hatte, war es Zeit für ein spätes Abendessen. Als ich Platz nahm, leuchteten noch die sechs hohen Kerzen auf dem Freialtar vor der Basilika in die warme römische Nacht.

Nächste Woche in Rom

Von Mittwoch bis Freitag werde ich das außerordentliche Vergnügen einer kurzen Romreise haben. Es ist tatsächlich das erste Mal, dass ich dort sein werde. Der Anlass ist eine Konferenz, an der ich dienstlich teilnehmen darf. Weil es aus Hamburg nur einen Direktflug nach Rom gibt, reise ich bereits am Mittwoch an.

Ich werde am frühen Nachmittag in Fiumicino landen. Mein Hotel liegt nicht weit vom Bahnhof Roma Termini. Von dort aus werde ich mich gleich mal zu Fuß in Richtung Petersplatz begeben. Weitere Pläne für den Mittwoch habe ich noch nicht, bin aber dankbar für jeden Hinweis.

Am Donnerstag – Fronleichnam! – will ich abends um 19 Uhr an der Hl. Messe mit dem Heiligen Vater in der Basilica di San Giovanni in Laterano und der anschließenden Prozession zur Kirche Santa Maria Maggiore teilnehmen. Die Rückreise am Freitagabend führt mich dann über Wien, weil es abends keinen Direktflug zurück nach Hamburg gibt.

Ich freue mich wirklich sehr über diese Gelegenheit, Rom zu sehen. Sie kam etwas unverhofft, aber umso größer ist die Freude.

Weihnachten 2011

“Wie soll das geschehen?”, fragt Maria den Engel Gabriel im Evangelium vom 4. Adventssonntag. Diese Frage habe ich mir auch gestellt, als ich vor der Entscheidung stand, mich um die Ausbildung zum Diakon zu bewerben. Ist mein Leben nicht schon voll genug? Woher nehme ich die Zeit dafür?

“Für Gott ist nichts unmöglich”, antwortet der Engel auf die Frage Marias. Seit Sommer bereite ich mich nun zusammen mit fünf anderen Männern auf die Ausbildung zum Diakon vor, die im kommenden Sommer beginnen und drei Jahre dauern soll.

Das Thema selbst beschäftigt mich schon seit acht Jahren, in wechselnder Intensität. Es hat mich bis heute nicht losgelassen. Die Ausbildung und die Vorbereitung darauf führen mich nun alle paar Wochen nach Hildesheim, meistens an Wochenenden, gelegentlich auch unter der Woche.

So stand ganz am Anfang im Juli ein viertägiges Praktikum, bei dem ich den sozialen Mittagstisch in der Hildesheimer Gemeinde Guter Hirt kennengelernt habe. Seit September arbeite ich zwei- bis dreimal im Monat in einer Suppenküche in Hamburg-Altona, nicht weit von meiner Arbeitsstelle. Und im Oktober haben wir uns in einer geistlichen Woche mit den Psalmen beschäftigt.

Unser Sommerurlaub führte uns in diesem Jahr nach England. Die erste Woche haben wir in einem Cottage im Südwesten gewohnt, die letzten fünf Nächte in einem Apartment in London. Besonders angetan waren wir von der britischen Höflichkeit, aber auch das glasklare und gut verständliche britische Englisch war eine echte Freude.

Unser Jüngster ist zum neuen Schuljahr auf das Gymnasium gewechselt, das auch sein großer Bruder besucht. Das war für ihn eine gewisse Umstellung, die er aber gut bewältigt hat. Er geht jetzt in die Musikklasse und spielt Tenorhorn. Er ist manchmal ein kleiner Filou, der die Schule nicht so ganz ernst nimmt. Die ersten Folgen davon hat er auch schon zu spüren bekommen.

In diesem Jahr 2011 fand ein Jahrtausendereignis statt, das bisher einmalig war und sich in absehbarer Zeit auch nicht wiederholen wird. Ein deutscher Papst besuchte das Eichsfeld, um dort mit 90.000 Pilgern eine Marienvesper zu feiern. Es war ein wunderbarer, fast spätsommerlicher Frühherbsttag, an dem das Eichsfeld gewissermaßen zu sich selbst kam.

Nun hat der Eichsfelder Katholizismus heute längst nicht mehr jenes hohe Maß an volkskirchlicher Selbstverständlichkeit, das er in früheren Zeiten genoss. Umso erstaunlicher ist, für wie viele Menschen es eine reine Selbstverständlichkeit war, an diesem Tag nach Etzelsbach zu pilgern. So auch für mich. Als sich Anfang des Jahres die Berichte zu verdichten begannen, war mir klar, dass ich als alter Eichsfelder alles daransetzen würde, dabei zu sein.

Der Papst war der Katalysator dieses geistlichen wie weltlichen Großereignisses. Er gab den Anlass, aber letztlich zeigte sich auf dem Pilgerfeld in unerwarteter Stärke die katholische Identität meiner Heimat. Wenn auch die äußere Stärke des Katholizismus im Eichsfeld bröckelt, im Innersten hat er noch Kraft.

Die Marienvesper war in gewisser Weise das Herzstück dieses Papstbesuches. Keine große Messe, sondern eine einfache Vesper. Eine kurze, einfache Ansprache, die ans Herz rührte. Im Grunde des Herzens sind alle Dinge einfach. Das ganze Ereignis hatte eine Einfachheit und Selbstverständlichkeit des Herzens, die sich auf alle Aspekte übertrugen.

Seit Jahrhunderten pilgern unzählige Menschen nach Etzelsbach zum Gnadenbild der Maria, die ihren toten Sohn in den Armen hält. In seiner Predigt sagte der Papst über Maria:

Begreife – so scheint sie uns zu sagen –, dass Gott, der die Quelle alles Guten ist und der nie etwas anderes will als dein wahres Glück, das Recht hat, von dir ein Leben zu fordern, das sich rückhaltlos und freudig seinem Willen überantwortet und danach trachtet, dass auch die anderen ein Gleiches tun. „Wo Gott ist, da ist Zukunft“. In der Tat – wo wir Gottes Liebe ganz über unser Leben wirken lassen, dort ist der Himmel offen. Dort ist es möglich, die Gegenwart so zu gestalten, dass sie mehr und mehr der Frohbotschaft unseres Herrn Jesus Christus entspricht. Dort haben die kleinen Dinge des Alltags ihren Sinn, und dort finden die großen Probleme ihre Lösung.

Frohe, gesegnete Weihnachten und ein glückliches Jahr 2012!