Das müssen in Zukunft Ehrenamtliche machen

Was bedeutet dieser Satz?

  • Das: Das, was bis dato Hauptamtliche gemacht haben? Das, was keiner mehr machen will? Von dem eigentlich auch keiner mehr will, dass es überhaupt noch gemacht wird? Das, was irgendwie oder unbedingt gemacht werden muss? Ja, was eigentlich?
  • müssen: Ehrenamtliche müssen gar nichts, oder jedenfalls nur das, was sie wollen oder selbst meinen zu müssen. Vor allem sind sie keine Lückenbüßer dort, wo die Profis nichts mehr reißen können.
  • in Zukunft: Was für eine Zukunft? Und wann tritt sie ein? Muss in dieser ominösen Zukunft überhaupt noch etwas gemacht werden? Alles unklar. Vieles erledigt sich von selbst.
  • Ehrenamtliche: Welche Ehre? Welches Amt? Zur größeren Ehre Gottes? Oder wessen? Und was für ein Amt? Sicher nicht das Lehramt, oder das Verwaltungsamt. Sicher nicht das Weiheamt, oder doch, wenn wir an Diakone im Zivilberuf oder gar Arbeiterpriester denken? Warum sprechen wir nicht von Dienen (Dienst -> Dienstleistung -> Service -> Ministry)? Vergesst den Begriff!
  • machen: Und warum überhaupt machen? Erst einmal geht es um das Sein. Wozu sind wir da? Da fängt das Fragen von vorne an.

Mit Folklore ist keinem gedient

Ein Kommentar zu meiner jüngsten Notiz stellt die Vermutung auf, es ginge darum,

irgendeine noch undefinierte Form zu suchen, „diese Leute loszuwerden“.

Nichts liegt mir ferner. Nun ist es zwar so, dass diese Leute de facto schon verloren sind, und zwar je nach Lesart entweder als zukünftig noch Kirchensteuer zahlende Kunden oder auch als gläubige Christen und Katholiken. Niemand wird auf Dauer für eine Leistung teuer bezahlen, die er kaum oder gar nicht in Anspruch nimmt. Deshalb befindet sich der Kulturkatholizismus seit mindestens Jahrzehnten in einer langsamen, aber stetigen Abwärtsspirale. Doch dies betrifft nur die zeitliche Organisationsform, die immer im Wandel ist und sein muss.

Schwerer wiegen die Konsequenzen für das Seelenheil. Statt diesen Leuten wirklich zu dienen, geben wir ihnen häufig Steine statt Brot. Mit Folklore ist ihnen nämlich nicht gedient. Es ist und bleibt zwar richtig, dass die Sakramente ex opere operato wirken, doch was nützt eine bestenfalls sporadische Sakramentenpraxis ohne Kohärenz, und hier insbesondere ohne Beichte? Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn. (1 Kor 11,27)

Die Kirche dient den Kulturkatholiken nicht, indem sie ein folkloristisches Beiwerk zu einem ansonsten gottlosen Leben liefert. Sie muss stattdessen das Wort verkünden und dafür eintreten, ob man es hören will oder nicht. Den Kirchensteuerzahlern nach dem Munde zu reden und ihnen, koste es was es wolle, ihre Wünsche zu erfüllen, ist keine Lösung. Es ist weder nachhaltig noch dient es dem Seelenheil.

Deshalb ist es kein Fehler, die derzeitige Praxis zu beenden, um die freiwerdenden Kräfte und Mittel anderweitig einzusetzen. Als Orientierung sollte dabei dienen, zu fördern, was wächst. Was schrumpft und zusammenbricht, muss nicht künstlich am Leben erhalten werden. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Kulturkatholizismus

Wie erklärt sich eigentlich, dass die große Mehrzahl der Katholiken nur sehr punktuell am kirchlichen Leben teilnimmt? Das beginnt schon mit der Taufe. Nicht alle Kinder katholischer Eltern werden getauft, aber doch erheblich mehr als nur die Kinder der regelmäßigen Kirchgänger. Nicht alle katholisch getauften Kinder gehen zur Erstkommunion, aber doch die meisten, auch wenn sie weder vorher noch nachher am Gemeindeleben teilnehmen. Viele von ihnen lassen sich als Jugendliche firmen, obwohl sie seit der Erstkommunion nur selten eine Kirche von innen gesehen haben. Und selbst der Wunsch nach einer kirchlichen Hochzeit, zwar generell rar geworden, führt immer noch Katholiken in die Kirche, die sonst höchstens zu Weihnachten und eventuell noch Ostern dort erscheinen.

Warum tun die das? Meine Vermutung ist, dass es sich hier um ein Phänomen handelt, das im angelsächsischen Raum als Cultural Catholicism beschrieben wird. Der kaum geläufige deutsche Begriff dafür lautet Kulturkatholizismus. Es handelt sich um katholisch getaufte und aufgewachsene Menschen, die ihren Glauben nicht oder nur eingeschränkt praktizieren, die zum Teil auch gar nicht mehr glauben, aber sich weiterhin als katholisch bezeichnen, in Deutschland in der Regel auch Kirchensteuer zahlen und zu verschiedenen Gelegenheiten kirchliche Dienstleistungen wie Taufe, Erstkommunion, Firmung, Hochzeit, Beerdigung oder den feierlichen Gottesdienst zu Weihnachten in Anspruch nehmen. Gemessen an der Differenz zwischen der Zahl regelmäßiger Kirchgänger und der Zahlen der Täuflinge, Erstkommunionkinder und Firmlinge, was selbstverständlich nur ein grobes Indiz sein kann, handelt es sich hier um einen großen Markt.

Mit anderen Worten: Der Kulturkatholizismus ist in Deutschland eigentlich die vorherrschende Strömung innerhalb des Katholizismus. Es handelt sich um den Rest der einstigen Volkskirche. Zu den Kerninhalten des katholischen Glaubens verhält sich der Kulturkatholizismus bestenfalls indifferent, häufig aber offen ablehnend. Anekdotischer Beweis: Es gibt Firmbewerber, die nicht an die Auferstehung Christi glauben. Das sind nicht einmal wenige. Der Kulturkatholizismus dürfte auch innerhalb der kirchlichen Apparate inzwischen die Mehrheit erreicht haben, was für viele Phänomene jedenfalls eine plausible Erklärung ist, die nicht auf bösen Willen rekurriert, sondern auf Unwissenheit und Indifferenz.

Der Kulturkatholizismus hat sich von der ihn umgebenden Mehrheitskultur absorbieren lassen und vom Katholizismus nur den folkloristischen Teil behalten. Wo die katholische Lehre im Konflikt zur Mehrheitskultur steht, da steht der Kulturkatholizismus sicher auf Seiten der Mehrheit. Der Fairness halber muss hinzugefügt werden, dass der Kulturkatholizismus auch unter regelmäßigen Kirchgängern weit verbreitet sein dürfte und umgekehrt auch unter Heiligabendchristen und anderen sporadischen Kirchenbesuchern noch gläubige Christen zu finden sind.

Diese Situation stellt die Kirche vor ein nahezu unlösbares Dilemma. Es ist klar, dass der Kulturkatholizismus mittel- und langfristig keine Zukunft hat, die über den Status folkloristischen Beiwerks zu einem ansonsten gottlosen Leben hinausgehen würde. Zudem überfordert die Anspruchshaltung der Kulturkatholiken schon heute die ausgedünnten und überalterten Kerngemeinden wie auch die hauptamtlichen Apparate. Eine schöne Taufe, Erstkommunion, Firmung, Hochzeit, Beerdigung oder Messe zu Weihnachten ist auf Ressourcen angewiesen, die der kirchensteuerfinanzierte Apparat nicht selbst herstellen kann. Die Qualität des Angebots lässt nach, und damit sinkt auch die Nachfrage. Auf der anderen Seite lässt sich der Riesentanker Kirche hier kaum umsteuern, ohne in schärfste Konflikte mit seinen Kirchensteuer zahlenden Kunden zu geraten.

Es wird schwer werden, dieses Phänomen auch nur offen zu diskutieren. Alle relevanten Kulturkatholiken, die also an entsprechenden Schaltstellen sitzen, werden die Diagnose auf das Schärfste zurückweisen und wie gewohnt ins Wolkige ausweichen, sobald es ans Eingemachte geht. Die gängigen Leerformeln sind seit Jahrzehnten gelernt und bestens bekannt. Im Kern heißt ihre Devise auch nur: Weiter so. Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Dabei ist eine Rückwärtsbewegung ohnehin so gut wie ausgeschlossen. Es kann im Grunde nur um einen Neubau gehen. Ob der Kulturkatholizismus vorher erst zusammenbrechen muss oder ob auch schon früher mit dem Neubau begonnen werden kann, bleibt abzuwarten. Ein Umbau, eine echte Re-Formation, wäre nur um den Preis echter Umkehr zu haben.

Weihnachten 2016

Das nun zu Ende gehende Jahr hat uns große Veränderungen gebracht. Die wohl größte Veränderung war unser Umzug in den Nachbarort. Seit September wohnen wir in Hollern-Twielenfleth – etwas weiter weg von Hamburg, dafür etwas näher an Stade. Die Kinder können nun mit dem Fahrrad zur Schule und zur Arbeit fahren.

Wir hatten schon länger an einen Umzug gedacht. In diesem Jahr haben wir endlich Nägel mit Köpfen gemacht, nachdem wir ein ungewöhnliches Haus in ruhiger Lage gefunden haben, das uns sofort gefallen hat. Nach 18 Jahren im eigenen Haus in Steinkirchen wohnen wir jetzt wieder zur Miete. Unsere beiden Häuser dort werden gerade saniert und sind ab Februar/März bereits vermietet.

Unser Großer hat in diesem Jahr sein Abitur gemacht (Note 1,6) und im August seinen Bundesfreiwilligendienst im Lebenshilfe-Kindergarten angetreten. Er bleibt uns also auf jeden Fall noch bis zum nächsten Sommer erhalten. Unser Jüngster hat sein erstes Jahr in der neuen Schule mit Erfolg beendet und strebt nun in der zehnten Klasse seinen erweiterten Realschulabschluss an, um anschließend in der Oberstufe das Abitur ansteuern zu können.

Im Juli, einen Tag nach ihrem 95. Geburtstag, ist Oma Emmi gestorben, die Großmutter meiner Frau. Sie hatte zuletzt im Altenheim in Bad Lauterberg gelebt, wo sie nun auch begraben liegt. Es war ein regnerischer Sommertag, an dem wir sie im kleinsten Kreis beerdigt haben.

Am 1. Januar 2016 hatte ich den Vorsatz gefasst, in diesem Jahr mehr zu schreiben und mehr zu lesen. Das hat auch so einigermaßen funktioniert, vor allem was den ersten Teil angeht. Denn im Sommer konnte ich nach zehn Jahren die Verantwortung für die jährlich stattfindende Konferenz abgeben, für die ich bis dahin zuständig war. In meiner neuen Rolle gehört Schreiben wieder zu meinen Haupttätigkeiten. Das macht mir viel Freude.

Im Sommer waren wir alle gemeinsam zwei Wochen auf Mallorca, zum ersten Mal überhaupt. Uns hat die Insel sehr begeistert, und wir ahnen, warum sie so ein außergewöhnlich beliebtes Urlaubsziel ist. Dabei hat uns Nordlichtern die mediterrane Sonne und die Sommerhitze auch einigermaßen zu schaffen gemacht. Wahrscheinlich sind Frühjahr oder Herbst für uns die besseren Jahreszeiten.

Für 2017 planen wir nun erstmals seit langem keinen Familienurlaub mehr. Meine Frau und ich wollen nach genau zwanzig Jahren wieder einmal einen Sommerurlaub zu zweit verbringen. Damals waren wir auf Korsika, genau genommen allerdings waren wir damals schon zweieinhalb. Wohin im nächsten Jahr die Reise gehen soll, wissen wir noch nicht.

Die Veränderungen, die ich oben so lapidar beschrieben habe, haben uns sicher einige Kraft gekostet. 2016 war ein anstrengendes Jahr, vor allem die zweite Hälfte nach dem Urlaub. Wir haben uns auch öfter gefragt, ob das wohl alles gutgehen wird. Doch vom Ende her gesehen fühlt sich alles gut an.

Wir fühlen uns hier im neuen Haus sehr wohl, das meiste ist inzwischen eingerichtet, und das Projekt Sanierung und Vermietung ist auch auf einem guten Weg. Wenn Anfang des neuen Jahres die Bauarbeiten abgeschlossen und die Mieter eingezogen sind, dann können wir das Thema wohl erst einmal abhaken.

Die Weihnachtspause fällt in diesem Jahr recht kurz aus. Meine Frau muss auch zwischen Weihnachten und Silvester arbeiten, unser Großer und ich haben nur etwas mehr als eine Woche frei. Nur der Jüngste kann zweieinhalb Wochen Weihnachtsferien genießen.

„Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott ist mit uns.“ So gibt Matthäus (1,23) die Verheißung des Propheten Jesaja (7,14) wieder. Die Christen haben dieses Wort immer auf Jesus Christus bezogen. Er ist das Zeichen, das der Prophet angekündigt hat.

Und der Name „Gott ist mit uns“ ist Programm. In Jesus Christus kommt Gott selbst zu uns, wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich. Etwas Größeres als dies kann kein Mensch feiern, mit einer Ausnahme nur – nämlich Leiden, Tod und Auferstehung Jesu, was wir zu Ostern feiern.

„Diese beiden Punkte sind ein Skandal für den modernen Geist“, bemerkt Joseph Ratzinger im Prolog zu „Jesus von Nazareth“. Es ist im Grunde erstaunlich, dass Weihnachten heute so eine große Bedeutung auch für Menschen hat, die gar nicht an das Weihnachtsereignis glauben. Konsequent wäre ja dann, Weihnachten nicht zu feiern.

Doch wäre die Welt ohne Gott, der in einem kleinen Kind zu uns kommt, nicht ein trauriger und trostloser Ort? Gerade zu Weihnachten ist diese Leere nicht leicht auszuhalten, und umgekehrt: Die Fülle des Mensch gewordenen Gottes ist der wahre Grund der Weihnachtsfreude. Möge jeder, der nun Weihnachten feiert, dies spüren.

Frohe, gesegnete Weihnachten und ein glückliches Jahr 2017!

Differenzverlust

Wirklich schade und ein großer kultureller Verlust ist ja, dass der Unterschied zwischen Advent und Weihnachten verloren scheint. Das Fest selbst verblasst, wenn es wochenlang quasi vorweggenommen wird, statt es voller Vorfreude zu erwarten.

Einfach leben

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Einfach leben. Genießen,
was du hast.
Zufrieden sein mit dem,
wie es ist.
Stärken spüren.
Grenzen akzeptieren.
Herausforderungen annehmen.
Loslassen, was quält.
Annehmen, was hilft.
Weitergeben, was stärkt.
Einfach leben.
Da sein.
Du selbst sein.

Udo Hahn

Auf Verschleiß gefahren

Der ehemalige Münsteraner Pfarrer Thomas Frings, dessen Rückzugsankündigung im Februar auf großes Echo stieß, hat kurz nach seiner Entpflichtung vom Pfarramt dem Kölner Domradio ein Interview gegeben. Auch dieses Interview ist ein hörenswertes Zeitdokument.

Zwar verschenkt der Interviewer durch seine Fragen einiges Potential, doch insbesondere gegen Ende des Gespräches läuft Thomas Frings zu Hochform auf. Das Interview wie auch der ganze Vorgang zeigen, wie sehr mittlerweile kirchliche Strukturen auf Verschleiß gefahren werden. Ein System, das im Grunde nur noch durch die Kirchensteuer zusammengehalten wird, versucht alles, um sich selbst zu erhalten.

Keine realitätstaugliche Konzeption

All diese Großgebilde – ob sie nun „Seelsorgeeinheit“, „Pfarreiengemeinschaft“, „pastoraler Raum“ oder sonst wie heißen – funktionieren nur auf dem Papier der Hochglanzbroschüren und Leitbildschriften. Angesichts der Verwerfungen, Konflikte, Enttäuschungen, Abbrüche und Frustrationen, welche die Umstrukturierungen tatsächlich vor Ort bei den betroffenen Menschen auslösen, kann man nicht ernsthaft behaupten, dass es sich um eine realitätstaugliche Konzeption handelt. Die Präsentation dieser Großstrukturen als vermeintlich zukunftsträchtige Gestalt der Kirche funktioniert nur, weil man dabei die Wahrnehmung auf das enge Segment der Personen beschränkt, die sich in das paternalistische Schema des bereitwilligen Mitmachens einfügen. Und sie funktioniert nur, weil man dabei die alltäglichen Lebenswirklichkeiten der Menschen ausblendet, die Enttäuschungen und Brüskierungen der Menschen vor Ort tabuisiert sowie die große Masse derjenigen Menschen ignoriert, die sich stillschweigend von der Kirche verabschieden.
Herbert Haslinger

Toleranz

„Die Kirche ist intolerant in den Prinzipien, weil sie glaubt; aber sie ist tolerant in der Praxis, weil sie liebt. Die Feinde der Kirche sind tolerant in den Prinzipien, weil sie nicht glauben; aber sie sind intolerant in der Praxis, weil sie nicht lieben.“

Réginald Garrigou-Lagrange OP

Quelle