Die hilflose Kommunikation der Kirche in Deutschland

Heute vor einem Jahr brachte der Kölner Stadt-Anzeiger eine bis dahin nahezu beispiellose Medienkampagne gegen die katholische Kirche ins Rollen. Die Kampagne kam nur deshalb vorläufig zum Erliegen, weil schon vier Wochen später, am 11. Februar, Papst Benedikt XVI. seinen Amtsverzicht erklärte und damit den Kölner Klinik-Skandal, der in erster Linie ein Medienskandal war, aus den Schlagzeilen verdrängte.

Doch nur wenige Monate später strebte die zweite große Kampagne des vergangenen Jahres ihrem Höhepunkt zu: die mediale Hetzjagd auf den Bischof von Limburg. Auch in diesem Fall war es dem Papst, nun Franziskus, zu verdanken, dass der Bischof aus der Schusslinie verschwinden konnte. Und auch diese Kampagne ist noch längst nicht ausgestanden. Noch im Januar könnte der nächste Akt folgen, sollte bis dahin der Bericht der Untersuchungskommission vorliegen.

Mit der Insolvenz des Weltbild-Konzerns steht nun schon die dritte Kampagne binnen kurzer Zeit ins Haus. Gewerkschaften und Betriebsrat laufen sich bereits warm. Knapp eine Woche nach dem Insolvenzantrag scheint allerdings die Botschaft noch nicht so recht zu zünden. Zum Glück für die hilflosen Kommunikatoren der katholischen Kirche in Deutschland. Bis jetzt.

Wenn sich eines sagen lässt, dann wohl dies: Die Krisenkommunikation funktioniert nicht. Wenn es überhaupt eine solche gibt. Wer auch immer für kirchliche Kommunikation in Deutschland Verantwortung trägt, ob Bischöfe und andere Würdenträger oder Laien in entsprechenden Funktionen, der dringt mit seiner Botschaft nicht durch. Oder er versucht es gar nicht erst.

Alle drei Kampagnen haben eines gemeinsam – ihr Hintergrund ist das Geld. Immer geht es um die Finanzierung des kirchlichen Apparates und kirchlicher Einrichtungen in Deutschland, um den Umgang mit Finanzmitteln und die Frage, wer darüber bestimmen darf. Fast möchte es scheinen, als ob die von Papst Benedikt 2011 postulierte Entweltlichung mit einer atemberaubenden Zwangsläufigkeit angelaufen ist.

Die Kirche ist nach dem Staat der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland, schafft es aber schon lange nicht mehr, ihre Stellen mit gläubigen Menschen zu besetzen – was einen entsprechenden Verlust an eigener Glaubwürdigkeit erzeugt. Im Gegenteil, trotz schon seit Jahrzehnten konstant sinkender Mitgliedszahlen expandieren kirchliche Betriebe weiterhin und verschärfen so das Glaubwürdigkeitsproblem.

Die überfällige Debatte über diesen Problemkreis kam im Februar 2013 zum Stillstand, weil die Weltsensation eines Papstrücktritts wichtiger schien. Doch die Problematik besteht weiter, und ich kann nicht erkennen, dass die Verantwortlichen auf die erwartbare und unausweichliche Debatte vorbereitet wären – Versäumnis No. 1.

Auch die Hetzjagd auf den Limburger Bischof kam nicht über Nacht, sondern hatte einen jahrelangen Vorlauf. Vorbeugende Kommunikation und Vorbereitung auf das, was schließlich in diesem Sommer kam – Fehlanzeige. Versäumnis No. 2.

Schließlich Weltbild. Auch dieses Thema, die Krise der katholischen Publizistik und des daraus hervorgegangenen Handelskonzerns hat ebenfalls eine lange Vorgeschichte. Wo ist die entsprechende, langfristig vorbereitete Kommunikationsstrategie für den seit langem absehbaren Krisenfall? Versäumnis No. 3.

An dieser Stelle wäre auch über den Missbrauchsskandal zu sprechen, der spätestens seit den Enthüllungen in den USA vorhersehbar war. Auch hier hatte sich offensichtlich niemand an den entscheidenden Stellen auf das Unvermeidliche vorbereitet. Die Krisenkommunikation war hilflos und stolperte von einem Missgeschick zum nächsten.

Warum ist das so? Und welche Folgen sind daraus zu erwarten? Mehr dazu demnächst.

Weltbild-Insolvenz ist eine Chance – und der Beginn des nächsten Kommunikationsdesasters

Weltbild hat heute einen Insolvenzantrag gestellt. Damit geht das Drama um den katholischen Medienkonzern in eine neue Runde. Denn ein solcher Antrag muss keineswegs ein schnelles Ende bedeuten. Die Schlüssel hat nun der Insolvenzverwalter in der Hand, die deutschen Bischöfe und ihre Institutionen haben nur noch den schwarzen Peter.

Kommunikativ droht damit nach der Causa Limburg das nächste Desaster. Denn nun wird „die Kirche“ pauschal für alles verantwortlich gemacht, was wem auch immer nicht in den Kram passt – während sie zugleich alle Steuerungsmöglichkeiten aus der Hand gegeben hat.

Schade, aber am Ende unvermeidlich. Der Insolvenzverwalter wird versuchen zu retten, was zu retten ist. Neue Gesellschafter werden sich mit der Sanierung des Sanierbaren zu befassen haben. Der Rest wird abgewickelt, wie es im Jargon der alten Treuhand so schön heißt.

Die Geldsorgen mit Weltbild sind die deutschen Bischöfe damit los, und auch die Verantwortung für unchristliche Sortimentspolitik. Als Buhmann aber werden sie weiterhin gebraucht. Jetzt erst recht.

Weihnachten 2013

Denke ich an das zurückliegende Jahr, dann fällt mir vor allem unser wunderbarer Sommerurlaub in Schweden ein: ein traumhaftes Ferienhaus, für skandinavische Verhältnisse phantastisches Sommerwetter und die herrliche Landschaft von Värmland und Dalarna. Schweden wirkte auf uns wie ein friedliches, weites Land, bestens zur Erholung geeignet.

Unser Ferienhaus lag nur gute 100 Kilometer von jenem Ort entfernt, wo meine Tante und mein Cousin mit seiner Familie wohnen. Das gab uns die Gelegenheit zu einem Besuch dort. Und auf der Rückfahrt zur Fähre von Göteborg nach Kiel konnten wir einen Zwischenstopp in Hammarö bei Karlstad einlegen, wo ein weiterer Cousin mit Frau und Tochter direkt am Vänern wohnt.

Unser Ältester bekommt viel Lob für sein Schreibtalent, das er regelmäßig für die Jugendseite im Tageblatt einsetzt. Er hat in diesem Jahr seinen Gruppenleiterkurs gemacht. Dafür war er zweimal, in den Oster- und den Herbstferien, für einige Tage unterwegs. Am zweiten Adventswochenende schließlich fand der Praxisteil mit über 30 Kindern statt.

Während er im Gymnasium überwiegend gute und sehr gute Noten bekommt, hat unser Jüngster mehr mit der Schule zu kämpfen. Ich denke aber, dass er sich durchbeißen wird. Nach gut zwei Jahren in der Musikklasse bekommt er nun sein eigenes Tenorhorn, das bisher geliehene Instrument wird zurückgegeben. Sein Lehrer sagt, dass er mit viel Spaß bei der Sache sei.

Meine Frau hat in diesem Herbst ein kleines Bauprojekt initiiert: einen neuen Gartenschuppen. Er ist zwar noch nicht ganz fertig, aber bietet schon Platz für Fahrräder, Gartenmöbel und allerlei Dinge, die bis jetzt in irgendwelchen Ecken standen. Dafür musste das alte Spielhaus weichen, das schon länger baufällig war und aus dem die Kinder herausgewachsen waren.

Für mich endete in diesem Jahr durch eine Entscheidung des zuständigen Weihbischofs vorzeitig meine Ausbildung zum Diakon. Das war ein im Wortsinne schmerzlicher Prozess, der auch noch nicht abgeschlossen ist. Über die Gründe gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Einigkeit besteht nur darin, dass es einfach nicht mehr ging.

Wie alles im Leben hat auch dies seine gute Seite. Ich hatte eine Urlaubswoche für die Ausbildung reserviert, die ich nicht mehr brauchte. So konnte ich November einige Tage im Kloster Nütschau verbringen. Dort habe ich mich auch mit dem Leben meines Namenspatrons befasst, des heiligen Martin von Tours, dessen Fest wir am 11. November feiern. Dabei sind mir drei Dinge aufgefallen.

I.
Martin von Tours hat nie ein geistliches Amt angestrebt. Als der Bischof der Stadt Poitiers, der heilige Hilarius, versuchte, ihm das Amt des Diakons aufzubürden, um ihn dadurch enger an sich zu binden und an den Dienst Gottes zu ketten, weigerte er sich immer wieder und gab vor, er sei unwürdig. Bischof von Tours wurde er schließlich gegen seinen eigenen Willen.

II.
Auch ohne dass es ihn nach einem geistlichen Amt drängte, ging Martin dahin, wohin der Herr ihn rief. Dabei hatte er häufig mit dem Widersacher zu kämpfen. So berichtet sein Biograph Sulpicius Severus:

Martinus zog also seines Weges, und als er durch Mailand gekommen war, trat ihm der Teufel in menschlicher Gestalt entgegen und fragte ihn, wohin er gehe. Und als er den Martinus antworten hörte, er gehe dahin, wohin der Herr ihn rufe, sprach er: “Wohin du auch gehen und was du auch unternehmen magst, der Teufel wird dir widerstehen.” Da antwortete ihm Martinus mit den Worten des Propheten: “Der Herr ist meine Hilfe; ich werde mich vor dem nicht fürchten, was der Mensch mir tun kann.” Und sogleich verschwand der Feind vor seinem Angesicht.

III.
Martins Haltung am Ende seines Lebens kommt am schönsten in einer der Antiphonen zum Ausdruck, die das Römische Brevier zu seinem Fest bereithält:

Domine, * si adhuc populo tuo sum necessarius, non recuso laborem: fiat voluntas tua.
Herr, wenn dein Volk mich noch braucht, dann will ich mich der Mühsal nicht verweigern. Dein Wille geschehe!

Dieses fiat gehört zum Vater unser, dem Gebet des Herrn. Doch es erinnert auch an das fiat der Maria, die vom Engel die Botschaft erhält, dass sie den Erlöser empfangen soll: Fiat mihi secundum verbum tuum. Mir geschehe nach deinem Wort. Damit beginnt, was wir in diesen Tagen feiern: Gott wird Mensch, in Jesus Christus, durch das Ja der Maria.

Frohe, gesegnete Weihnachten und ein glückliches Jahr 2014!

Denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark

Damit ich mich wegen der einzigartigen Offenbarungen nicht überhebe, wurde mir ein Stachel ins Fleisch gestoßen: ein Bote Satans, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. Dreimal habe ich den Herrn angefleht, dass dieser Bote Satans von mir ablasse. Er aber antwortete mir: Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit. Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt. Deswegen bejahe ich meine Ohnmacht, alle Misshandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, die ich für Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.
2 Kor 12,7-10

Erster Eindruck vom neuen Gotteslob

Allmählich wurde es wirklich Zeit. Schon in wenigen Tagen wird, jedenfalls in meinem Bistum, das neue Gotteslob eingeführt. Heute nun gelang es mir endlich, mein Exemplar zu erwerben. Der erste Eindruck: Es ist in allen Dimensionen (Höhe, Breite, Dicke) gegenüber dem Vorgängermodell gewachsen. Diese Tatsache wird also den Herstellern von Gebetbuchhüllen eine kleine Extrakonjunktur bescheren, da die alten Hüllen nicht mehr passen.

Außerdem fehlt, wenn ich nichts übersehen habe, ein Gewissensspiegel. Was angesichts des gewachsenen Umfangs und der Existenz gleich einer ganzen Reihe von Gewissensspiegeln im alten Gotteslob doch durchaus erstaunlich ist. Über die Gründe kann ich nur spekulieren. Was ich an dieser Stelle dem geneigten Leser überlassen möchte.

Der Herr ist meine Hilfe

Martinus zog also seines Weges, und als er durch Mailand gekommen war, trat ihm der Teufel in menschlicher Gestalt entgegen und fragte ihn, wohin er gehe. Und als er den Martinus antworten hörte, er gehe dahin, wohin der Herr ihn rufe, sprach er: „Wohin du auch gehen und was du auch unternehmen magst, der Teufel wird dir widerstehen.“ Da antwortete ihm Martinus mit den Worten des Propheten: „Der Herr ist meine Hilfe; ich werde mich vor dem nicht fürchten, was der Mensch mir tun kann.“ Und sogleich verschwand der Feind vor seinem Angesicht.
Das Leben des Heiligen Martin, Bischofs und Bekenners, aufgezeichnet von Sulpicius Severus

Der Liebe Raum schaffen selbst durch den Kampf

In tätiger Liebe aufbrechen zu Christus und der Liebe Raum schaffen selbst durch den Kampf, in beidem aber demütig offen sein für die Impulse des Geistes Gottes, das macht die Heiligkeit des Martinus aus.
Ludwig A. Winterswyl in der Einleitung zu „Das Leben des Heiligen Martin, Bischofs und Bekenners, berichtet von Sulpicius Severus. Freiburg im Breisgau 1940.“

Ein einziges großes Missverständnis

Die Causa Limburg, soviel scheint sicher, hat ihren Höhepunkt überschritten. Die Überberichterstattung flaut langsam ab und macht differenzierterer Betrachtung Platz. Was bleibt, sieht aus wie ein einziges großes Missverständnis. Drei Aspekte scheinen mir der Betrachtung wert.

1. Seit wann ist Franz-Peter Tebartz-van Elst ein Konservativer? Nun ist ja die Einordnung in diese kirchenpolitischen Schubladen immer schwierig. Es gehört zum Auftrag jedes Bischofs, den Glauben zu bewahren (lat. conservativus – erhaltend, bewahrend). Nur über das Wie kann es legitime Differenzen geben, aber nicht über das Ob. In Deutschland kommt spätestens seit der Reformation ein besonderes Spannungsverhältnis zu Rom hinzu. Wer treu zum Papst steht, gilt schnell als konservativ. Oder galt, denn Papst Franziskus scheint diese Schublade gesprengt zu haben.

Franz-Peter Tebartz-van Elst ist von Haus aus Pastoraltheologe, was ihn auf den ersten Blick nicht gerade als Konservativen ausweist. Zu seinen Themen gehört die Entwicklung von pastoralen Räumen, eine brisante und aktuelle Frage speziell in Deutschland, wo Gemeinden fusioniert und in größeren Einheiten zusammengefasst werden. Was er noch als Weihbischof in Münster zu diesem Thema sagte und schrieb, lässt sich kaum in die konservative Schublade zwängen. So beispielsweise in einem Vortrag aus dem Jahr 2006, dort unter dem Künstlernamen Hans-Peter Tebartz-van Elst:

Die pastoralen Leitlinien des Erzbistums Freiburg zeigen ein sensibles Bewusstsein dafür, wo sich die Sozialgestalt der Kirche verändert, und einen wachen Geist der Erkundung, in welche Richtung Vernetzung und Vergemeinschaftung in missionarischer Ausrichtung gesucht werden will. In diesen Bemühungen kristallisiert sich zunehmend als pastoral vorrangige Fragestellung heraus, wie die christlich-kirchliche Identität in der Erfahrung einladender Sammlung vermittelt werden kann und zugleich die missionarische Sendung angesichts der Vielfalt, die Christen heute in ihren Glaubens- und Gemeindebezügen aufnehmen, profiliert werden kann.

Redet so ein Konservativer? Vielleicht kann das im Bistum Limburg so aussehen, aber das wäre dann eine Limburger Besonderheit. Für deutsche Verhältnisse ist das Gesagte eher Mainstream. Was also qualifiziert den Limburger Bischof zum Konservativen? Oder haben wir es hier mit dem Versuch einer Achsenverschiebung zu tun, die den Mainstream in eine progressive Richtung zwingen will und dazu vieles ausgrenzt, was genuin katholisch und bis dato völlig unumstritten ist?

Das Lagerdenken ist ohnehin von Übel, aber wenn schon Theologen aus dem Mainstream in eine konservative Ecke gedrängt werden, dann liegt doch einiges im Argen. Und damit wären wir beim zweiten Punkt.

2. Wer trägt die Verantwortung für die kommunikative Katastrophe, die hier geschehen ist? Bei allen Fehlern, die der Bischof von Limburg gemacht hat, wäre es doch viel zu einfach, ihn zum Sündenbock zu machen. Die Kommunikationsverhältnisse in deutschen Bistümern, nicht nur in Limburg, sind schwer gestört. Diese Störung lässt sich im Großen wie im Kleinen erkennen. Sie betrifft auch weit mehr als nur die Medienarbeit, aber an dieser Stelle wird sie besonders deutlich erkennbar.

Bistümer kommunizieren wie Behörden. Wobei die meisten Behörden heute zumindest nach außen sehr viel professioneller kommunizieren als die Diözesen. Dabei ist die Verkündigung des Evangeliums doch eine höchst anspruchsvolle Kommunikationsaufgabe. Wie konnte es geschehen, dass unsere Kirche an dieser zentralen Stelle so versagt? Wie kann es sein, dass jedes Skandälchen (und mehr kann ich in Limburg nun beim besten Willen nicht erkennen) eine Institution mit zweitausendjähriger Geschichte und 24,3 Millionen Mitgliedern allein in Deutschland so sehr in die Defensive bringt?

Ist dieser ganze Apparat wirklich von innen so hohl, dass er nur noch vom Geld zusammengehalten wird?

3. Ist der Honeymoon mit Papst Franziskus schon vorbei? Das kann gut sein. Wenn der Pontifex morgen Franz-Peter Tebartz-van Elst zur Audienz empfängt und ihn nicht mit sofortiger Wirkung seines Amtes enthebt (was er gar nicht könnte, aber wen in deutschen Redaktionsstuben interessiert das schon?), dann dürfte ihm der Wind aus den hiesigen Medien zum ersten Mal kräftig ins Gesicht wehen. Bei seinem Vorgänger hat es immerhin 18 Monate gedauert, bis nach der Regensburger Rede das Wohlwollen in Verachtung umkippte. Wie viel Zeit hat Papst Franziskus noch?

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Dass Wahlen in Deutschland in der bürgerlichen Mitte gewonnen werden, ist an sich eine Binsenweisheit. Erinnert sei hier nur an die von Gerhard Schröder erfundene Neue Mitte, mit der er die Bundestagswahl 1998 gewann. 15 Jahre später ist die Mitte fest in der Hand von Angela Merkel, von CDU und CSU. So sehr, dass sich dort nicht einmal die FDP halten konnte.

Aber auch die Grünen haben hart umkämpften Boden in der politischen Mitte an Angela Merkel verloren. Von der SPD ganz zu schweigen, die nur noch ein gutes Viertel der Wähler erreicht. Sie wird zwischen CDU, Grünen und Linken zerrieben. Strategisch sitzt die Sozialdemokratie in der Falle. Auf absehbare Zeit fehlt ihr die Kanzlerperspektive.

Denn woher sollte die Mehrheit für einen SPD-Kanzler kommen? Nach Lage der Dinge müsste die SPD entweder die Linke absorbieren oder der CDU wenigstens acht Prozentpunkte ihrer Stimmen abnehmen. Beides gleichzeitig und jeweils ein bisschen wird kaum möglich sein. Über dieses schon schwer vorstellbare politische Wunder hinaus bräuchte die SPD noch einen Koalitionspartner, und auch der schwächelt gewaltig.

Nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag scheint durchaus möglich, dass es bei der nächsten Wahl die Grünen erwischt. Auch das wäre nicht unverdient. Die Partei ist personell wie programmatisch am Ende. Ihre Kernthemen – siehe Atomausstieg – hat Angela Merkel längst so weit wie möglich übernommen. Was übrig ist, reicht für keine Regierung und womöglich auch nicht mehr für das Parlament.

Die Linke – gemeint ist die Partei – war im Bund noch nie regierungsfähig und wird es wohl auch so schnell nicht werden. Mit Blick auf die absehbare Zukunft gilt dieser Satz auch für die Linke insgesamt. Dass SPD, Grüne und Linke eine hauchdünne Mehrheit der Sitze haben, ist allein der Tatsache zu verdanken, dass zwei bürgerliche Parteien knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind.

Bei der nächsten Wahl, egal ob sie schnell kommt, nach einer halben Legislaturperiode oder erst in vier jahren, wird sich das nicht wiederholen. Wenigstens eine der beiden Parteien wird ins Parlament einziehen, oder Angela Merkel zieht die Restwählerschaft der FDP auf ihre Seite. In jedem Fall wird es rechnerisch nicht wieder für Rot-Rot-Grün reichen. Politisch sowieso nicht. Es gibt keine linke Mehrheit der Stimmen – SPD, Grüne und Linke sind zusammen gerade einmal so stark wie CDU und CSU alleine.

Es gibt aber auch keine linke Mehrheit der Mandate, denn die Grünen sind – oder waren? – eine bürgerlich-liberale Partei. Gegen Angela Merkel kann bis auf Weiteres in Deutschland nicht regiert werden. Wer weiß, ob sie nicht zur nächsten Bundestagswahl wieder antritt? Ein vierter Wahlsieg, wie er zuletzt Helmut Kohl gelang, sollte drin sein.

Überlegungen eines Wechselwählers

Meine Wahlentscheidung war in diesem Jahr relativ einfach. Im meinem Wahlkreis treten für die beiden großen Parteien zwei neue Direktkandidaten an, nachdem die 2009 gewählte CDU-Abgeordnete Martina Krogmann ihr Mandat schon nach relativ kurzer Zeit zurückgegeben hatte. Beide Kandidaten erscheinen mir wählbar, ich habe mich für Oliver Grundmann (CDU) entschieden.

Bei der Zweitstimme ist die Überlegung auch nicht sehr kompliziert. Da auf der CDU-Landesliste Ursula von der Leyen auf Platz 1 steht, die ich nach wie vor für unwählbar halte, gebe ich meine Zweitstimme der FDP-Landesliste mit dem Katholiken Philipp Rösler an der Spitze, dem in Stade geborenen Patrick Döring auf Platz 2 und dem Stader Rechtsanwalt Serkan Tören an sechster Stelle. Sofern die FDP in den nächsten Bundestag einzieht, wird Serkan Tören mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit meine Region auch weiterhin im Parlament vertreten.

Da bei dieser Bundestagswahl mit keinem Kanzlerwechsel zu rechnen ist (was schon Anfang 2012 absehbar war), ist die wesentliche Frage, mit welchem Koalitionspartner Angela Merkel in ihre dritte Legislaturperiode als Kanzlerin gehen wird. Meine Zweitstimme für die FDP trägt dazu bei, die schwarz-gelbe Option zu erhalten. Aber auch eine Große Koalition scheint mir kein Beinbruch zu sein. Die Grünen werden völlig zu Recht ein schlechtes Wahlergebnis einfahren und nicht an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein.

Generell erscheint mir das verbreitete parteienfeindliche Gerede wenig zielführend zu sein. Eine Bundestagswahl ist keine Liebesheirat. Letztlich geht es nur darum, für die kommenden vier Jahre ein arbeitsfähiges Parlament zu wählen, das dann eine ebensolche Bundesregierung installiert. Weder Parlament noch Regierung haben den Auftrag, die Gesellschaft zu verändern oder den Bürgern unnötige Detailvorschriften zu machen, wie sie ihr Leben zu führen haben.

So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört! (Mt 22,21) Eine Partei, die ich wähle, muss nicht in allen Punkten meiner Meinung sein. Exemplarisch zeigt der Wahl-O-Mat anhand von 38 Fragen, wie hoch der Grad der Übereinstimmung mit den Wahlprogrammen der Parteien ist. Immerhin 78,3 Prozent erreicht dabei in meinem Fall die am besten abschneidende Partei. Kein schlechtes Ergebnis.

In der Bundesrepublik des Jahres 2013 ist es nicht mehr sehr wahrscheinlich, eine Partei mit glasklarem christlichen Profil im Deutschen Bundestag zu finden. Das kann zwar traurig stimmen, aber es gibt auch eine gewisse Freiheit der Wahl. Schwierig wird es immer da, wo Gewissensfragen berührt sind. Das allerdings wird tendenziell bei immer mehr Parteien zum Problem.