Was war (1): Ein Fenster im Dom

Von Gerhard Richter gestaltetes Fenster im Kölner Dom (Ausschnitt)

In die Zeit meiner Abwesenheit fiel die Fertigstellung des neuen Südquerhausfensters im Kölner Dom. Es ist ein in jeder Hinsicht bemerkenswertes Kunstwerk. Auf den Bildern, die ich bislang gesehen habe, gefällt es mir.

Bunte Pixel passen gut in unsere Zeit. Das Fenster ist gefällig und konventionell. Vielleicht ist das zugleich die größte Stärke und die größte Schwäche des Werkes.

Muss Kunst heute abstrakt und gegenstandslos sein, um nicht als Kunsthandwerk zu gelten? Und ist nicht auch Richters Werk in gewisser Weise Kunsthandwerk, wenn auch auf hohem Niveau?

Rückkehr

Es war die längste Pause seit Bestehen dieses Notizbuches. Seit Juli 2003 war kein Monat ohne neue Einträge vergangen. Doch die Monate Mai bis August 2007 bleiben nun leer.

Es ist einiges passiert, was hier zu notieren mir in den Fingern juckte. Doch je länger die Pause dauerte, um so größer wurde mein eigener Anspruch an das Comeback. Zum einen oder anderen Thema werde ich wohl noch etwas notieren.

Das für die Kirche wichtigste Ereignis der vergangenen Monate war zweifelsohne das langerwartete Motu proprio Summorum Pontificum. Insofern passt es gut, am Vorabend des Festes Kreuzerhöhung die erste Notiz für dieses Büchlein nach der langen Zeit des Schweigens zu verfassen. Heute geht ein fast vierzigjähriges Exil zuende.

Ich danke Euch allen für Eure lieben Wünsche, Euer Gebet und Mitgefühl. Es war und ist ein großer Trost zu wissen, dass da draußen hinter dem weiten Netz Menschen sind, die ich zum größten Teil noch gar nicht persönlich getroffen habe und die Anteil nehmen an dem, was uns widerfahren ist. Die Gemeinschaft der Heiligen halt.

Für das Notizbuch habe ich mir eine neue Außenhaut geliehen. Daran werde ich auch noch ein wenig schrauben in der nächsten Zeit. Wenn ich dazu komme.

Schweigen

Am vergangenen Dienstag haben wir meine kleine ein Jahr jüngere Schwester zu Grabe getragen. Am Freitag zuvor ist sie auf der Palliativstation am Uniklinikum Göttingen gestorben. Sie hinterlässt ihren Mann und zwei Söhne im Alter von sechs und acht Jahren, dem Alter nach genau zwischen unseren beiden.

Wie sich die Dinge fügten, konnte ich am Abend vor ihrem Tod auf der Rückreise von einem Termin in Frankfurt Halt in Göttingen machen. Ich bin dann dort geblieben. Wir waren zu viert in ihrer letzten Nacht an ihrem Bett.

Morgen nach Dienst fahre ich wieder zu meinen Eltern, meinem Schwager und meinen Neffen. Am Dienstag feiern wir in ihrem Wohnort eine Heilige Messe zum Wochengedenken.

Bitte betet für meine Schwester und ihre – unsere – Familie.

Dieses Notizbuch bleibt vorerst ohne neue Einträge.

Römische Verträge

Es war kein Zufall, dass die Römischen Verträge vor 50 Jahren genau am Fest der Verkündigung des Herrn unterzeichnet wurden, geschweige denn, dass dies just in Rom geschah. Adenauer und Schuman waren schließlich Katholiken, die wussten, was sie taten.

Fünfzig Jahre später darf in der Berliner Erklärung nicht einmal Gott erwähnt werden.

***

Gesegnete Ostern!

Bis zum Äußersten

Es gibt zwei Tage im Jahr, an denen Frau K. in die Kirche geht – Heiligabend und Karfreitag. Frau K. ist Protestantin, das erklärt Einiges. Denn der Karfreitag gilt den Protestanten als höchster Feiertag des ganzen Jahres. Und das ist nicht einmal falsch. Man könnte sagen: Der Karfreitag ist der Mittelpunkt, um den sich das ganze Kirchenjahr dreht. Was am Karfreitag geschieht, das geschieht in jeder Messe: Gott selbst liefert sich dem Menschen aus. Er gibt sich in die Hände des Menschen.

Am Karfreitag geht er bis zum Äußersten, bis zum Tod am Kreuz. Er gibt sich selbst. Aus Liebe. Genau das heißt Liebe: Hingabe. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“, sagt Jesus Christus im Johannesevangelium (15,13). Sich selbst hingeben. Das tut Gott selbst am Karfreitag. Damit wird er, wie der Hebräerbrief sagt, zum Hohenpriester. Er tut das, um uns Menschen zu gewinnen – unser freies Ja der Liebe. Weil wir frei sind, muss Gott auf dieses Ja warten. Oder anders: Würde Gott uns zwingen, wären wir nicht frei. Und von Liebe könnte keine Rede sein.

Joseph Ratzinger schreibt in seiner Einführung in das Christentum (274f.):

Das Kreuz ist Offenbarung. Es offenbart nicht irgendetwas, sondern Gott und den Menschen. Es enthüllt, wer Gott ist und wie der Mensch. […] Dass der vollendete Gerechte, als er erschien, zum Gekreuzigten, von der Justiz dem Tod Ausgelieferten, wurde, das sagt uns nun schonungslos, wer der Mensch ist: So bist du, Mensch, dass du den Gerechten nicht ertragen kannst – dass der einfach Liebende zum Narren, zum Geschlagenen und Verstoßenen wird.

Mit Jesus Christus ist Gott selbst am Kreuz gestorben – und zugleich ein Mensch. „Wir haben ja nicht einen Hohenpriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist“, sagt der Hebräerbrief (4,15). Einer von uns. Warum ist das wichtig? Weil damit alles schon getan ist: Die Menschheit ist mit Gott versöhnt. Wir müssen uns nicht mehr selbst rechtfertigen vor Gott – was ohnehin, wie jeder weiß, ein vergebliches Bemühen ist.

„Er hat für uns beim ewigen Vater Adams Schuld bezahlt und den Schuldbrief ausgelöscht mit seinem Blut, das er aus Liebe vergossen hat“, heißt es im Exsultet, dem feierlichen Lobgesang der Osternacht. Mit Christi Tod am Kreuz hat ein Mensch Adams Schuld bezahlt, die in der Abwendung von Gott bestand. Der Mensch wird schuldig, indem er die Liebe Gottes zurückweist. Und deshalb wird Gott selbst Mensch, um den Menschen mit sich zu versöhnen.

Es hat also auch mit dem Kirchgang von Frau K. am Heiligabend seine Richtigkeit. Denn was feiern wir zu Weihnachten? Gott ist Mensch geworden. Ohne Weihnachten kein Karfreitag. Und kein Ostern. Das ist schon mal einen Kirchgang wert.

Ungerechtigkeit

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) ist die Geschichte einer riesengroßen Ungerechtigkeit. Es war schon mindestens unhöflich, dass der jüngere Sohn vorzeitig um sein Erbe bat, um sich damit ein schönes Leben zu machen. Es war verantwortungslos, das ganze Geld in kürzester Zeit auf den Kopf zu hauen. Doch es ist in höchstem Maße ungerecht, dass der Vater den zurückgekehrten Sohn, der gerade ein Großteil seines Vermögens verschleudert hat, auch noch mit einem Fest belohnt.

Der Zorn des älteren Bruders ist da nur allzu verständlich. Er arbeitet jahrelang fleißig auf dem Hof seines Vaters und bekommt nicht einmal einen Ziegenbock, den er mit seinen Kumpels hätte verspeisen können. Für den Jüngeren dagegen, der gerade einen riesengroßen Bock geschossen hat, lässt der Vater sogar das Mastkalb schlachten. Im Zorn spricht der große Bruder aus, wo der kleine Bruder das Geld gelassen hat: bei Dirnen, bei Frauen also, die für Geld mit fremden Männern ins Bett gehen.

Und nun wird er nicht bestraft für seine Verfehlungen, sondern auch noch belohnt? Ja, schlimmer noch: Offensichtlich hat das Fest begonnen, ohne dass der große Bruder dabei sein konnte, denn er war ja noch auf dem Feld bei der Arbeit. Niemand hat ihn gerufen. Hat ihn überhaupt einer vermisst?

Doch wenn das Fest ungerecht ist, was wäre die Alternative? Der Vater könnte sagen: Was willst Du eigentlich? Du hast bekommen, was Du wolltest. Geh weg, ich will Dich nie wieder sehen. Wäre das gerecht? Vielleicht. Wäre es auch gut? Ganz sicher nicht. An der Oberfläche wäre vielleicht der Gerechtigkeit Genüge getan. Die Chance aber, alles wieder gut zu machen, die wäre vertan. Dieses Gutsein, diese Güte des Vaters ist völlig unverdient. Die hat sich der jüngere Sohn nicht verdient, ganz im Gegenteil. Die bekommt er einfach so.

Aber war es nicht sein gutes Recht gewesen, seinen Teil des väterlichen Erbes einzufordern und damit zu machen, was er wollte? „Fight For Your Right To Party“, singen die Beastie Boys. Kämpft für Euer Recht auf Party! Macht das Beste aus Eurem Leben. Feiert, bis der Arzt kommt oder das Geld alle ist. Oder beides. Was dagegen? Und weiter: Wenn es schief geht, wenn das Geld alle ist und ihr ganz unten angekommen seid, dann ist doch immer noch Zeit genug, zum Vater zurückzukehren. Ihr könnt Euch sicher sein: Euer Vater wird Euch nicht zurückweisen, sondern umarmen – und ein Fest mit Euch feiern.

Hat der jüngere Sohn vielleicht von Anfang an so kalkuliert? War das sein Plan, sich zwar von seinem Vater zu trennen und eigene Wege zu gehen, aber früher oder später zurückzukehren, im sicheren Wissen, jederzeit willkommen zu sein? Wenn wir genauer hinschauen, sieht es nicht so aus. Denn erst als sein Geld alle ist und die wirtschaftliche Lage im Land sich so verschlechtert hat, dass er auch keine Arbeit findet, als er weniger zu essen hat als die Schweine, die er hüten muss – da fällt ihm auf, dass selbst die Tagelöhner seines Vaters mehr zu essen haben als er. Die Tagelöhner sind Arbeiter, die immer nur für einen einzigen Tag beschäftigt werden, die am Abend ihren Lohn bekommen und am nächsten Tag sehen müssen, ob sie wieder Arbeit bekommen oder nicht.

Erst am absoluten Tiefpunkt beginnt der jüngere Sohn zu kalkulieren: Ein Tagelöhner seines Vaters zu sein wäre besser als Schweinehirt zu bleiben und weiterhin zu hungern. Er hat nichts mehr zu verlieren, sein Weg hat ihn in die Sackgasse geführt. Jetzt erst bereut er, was er getan hat. Jetzt kehrt er um und geht zu seinem Vater zurück. Er ist bereit, als Tagelöhner für ihn zu arbeiten. „Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.“ Doch schon bevor er das überhaupt sagen kann, fällt ihm der Vater um den Hals. Der Vater kommt ihm mit seiner Liebe zuvor. Die Tatsache, dass sein Sohn umgekehrt ist, dass er zurückgekommen ist, ist ihm Freude genug. Der Vater weiß vermutlich schon, was er sagen will, bevor er es aussprechen kann.

Stellen wir uns eine andere Wendung dieser kleinen Geschichte vor: Was wäre geschehen, wenn der Sohn zurückgekommen wäre, ohne Reue zu zeigen? Wenn er nicht eingestanden hätte, dass es falsch war, das väterliche Erbe zu verschleudern und schließlich buchstäblich im Dreck zu enden?

Vor einigen Wochen gab es eine breite Diskussion darüber, ob Terroristen, die zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren, vorzeitig freigelassen werden dürfen. Es ging um Verbrecher, die seit ungefähr 25 Jahren im Gefängnis sitzen und nun demnächst auf ihre Freilassung hoffen können.

Eine der großen Fragen in dieser Debatte war, ob diese Leute jetzt eigentlich Reue zeigen müssen für ihre einstigen Untaten. Müssen sie vielleicht die Angehörigen ihrer Opfer um Vergebung bitten? Müssen sie den Ideen abschwören, die sie damals zu Attentaten veranlasst hatten?

Wenn die Diskussion ein Ergebnis hatte, dann war es, dass der Rechtsstaat und die Justiz mit Reue und Vergebung nicht viel anfangen können. Ob ein verurteilter Straftäter aus seiner Haft entlassen wird, hängt von anderen, leichter greifbaren Kriterien ab. Zum Beispiel davon, wie er sich in der Haft verhalten hat und ob zu befürchten ist, dass er in Freiheit erneut Verbrechen begehen würde. Zeichen der Reue und die Bitte um Vergebung mögen für eine Freilassung sprechen – eine zwingende Voraussetzung sind sie nicht.

Das wäre nämlich zu viel verlangt. Das Böse hat seine eigene Logik. Es verschleiert die klare Sicht auf die Dinge. Wäre es anders, dann hätte der Sohn schon viel früher erkennen müssen, dass er auf dem falschen Weg ist. Doch erst als er ganz unten ist, merkt er, was los ist. Jetzt bereut er seine Sünden und bemüht sich um Schadensbegrenzung. Der Sohn wagt es nicht einmal, um Vergebung zu bitten – er ist bereit, auf seinen Platz als Sohn des Hauses zu verzichten und wie ein einfacher Tagelöhner für seinen Vater zu arbeiten.

Doch dies lässt die Gnade des Vaters nicht zu. Mit der Reue und dem Eingeständnis seines Scheiterns ist der Weg zur Versöhnung frei. Weil der Sohn seine Sünden bereut, kann der Vater auf die gerechte Strafe verzichten und ein rauschendes Fest feiern. „Auch im Himmel wird mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren“, heißt es bei Lukas (15,7) unmittelbar vor unserem Gleichnis. Und man bemerkt vielleicht den etwas herablassenden Ton, mit dem von den „neunundneunzig Gerechten“ die Rede ist. Es geht um mehr als nur um Gerechtigkeit – es geht um Güte, es geht um Gnade, es geht um die Liebe des Vaters zum Sohn.

Aus Güte, aus Gnade und aus Liebe ruft der Vater uns zur Umkehr. Reue, Umkehr, Buße und Vergebung sind die Themen der Fastenzeit, mit der sich die ganze Kirche auf Ostern vorbereitet. Ostern ist der Sieg der Liebe über den Tod. Der heutige vierte Fastensonntag gibt schon einen Ausblick auf dieses Ziel. Der Eröffnungsvers der Messe heißt:

Freue dich, Stadt Jerusalem!
Seid fröhlich zusammen mit ihr, alle, die ihr traurig wart.
Freut euch und trinkt euch satt an der Quelle göttlicher Tröstung.

Hier klingt die festliche Freude an über die Rückkehr des verlorenen Sohns. Die Freude des heutigen Sonntags ist die Freude Gottes über den Sünder, der umkehrt. Gott freut sich, wenn er einem Sünder vergeben kann. Gott liebt die Menschen auch dann, wenn sie schuldig geworden sind. „Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete“, schreibt Paulus im zweiten Korintherbrief (5,19). Und er fordert uns auf: „Lasst euch mit Gott versöhnen!“ (5,20) Gott tut dazu den ersten Schritt. Er ist mehr als einfach nur gerecht. Gott ist Liebe (1 Joh 4,16).

Eine Note von Kalkül

Die Worte rational und vernünftig unterscheiden sich durch eine Nuance. Rational, da klingt immer so ein bisschen der Gedanke des Kalküls mit. Vernünftiger Gehorsam, das kann man schon sagen, weil es nicht unvernünftig ist, einer solchen personalen Evidenz zu folgen. Vernunftprinzipien sind nicht das absolut Erste – Vernunft setzt voraus: Vertrauen in die Vernunft. Vertrauen aber ist etwas Personales. Es gilt einem Gesicht, einer Stimme.

Sie sagten, im rationalen Gehorsam schwingt eine Note von Kalkül mit. Das könnte zum Beispiel der Verlorene Sohn sein, der eben jetzt doch zum Vater zurückgeht, weil es ihm da objektiv besser geht? Aber Glaube wäre noch mehr, zum Beispiel der Glaube der Märtyrer, die auf Christi Wort hin sein Wort verkünden, obwohl sie genau wissen, dass sie dafür ihr Leben verlieren?

Ja. Und beim Verlorenen Sohn ist es wohl auch so, dass in dem Augenblick, wo der Vater ihn in seine Arme schließt, der Kalkül bedeutungslos wird und er einfach froh ist, wieder bei diesem Vater zu sein. Jesus lehrt uns oft, unseren Vorteil klug zu kalkulieren. Ich sehe darin immer ein Zeichen der göttlichen Barmherzigkeit. Gott könnte sich ja zu schade sein, uns mit Drohungen und Versprechungen zu sich zu locken. Er ist sich nicht zu schade. Die Wunder Jesu sind ja auch von dieser Art. Er tadelt die Juden, dass sie „Zeichen“ sehen wollen, ehe sie ihm glauben. Aber dann gibt er diese Zeichen.

Robert Spaemann im Interview der Tagespost

Nicht unmittelbar zu Gott

Die Meinung, der Einzelne stehe unmittelbar zu Gott, irrt. So konnte man erst denken, als man vergessen hatte, was es heißt, unter der unmittelbaren Wucht des Heiligen Gottes zu stehen, und an Stelle dieser Erschütterung das „religiöse Erlebnis“ getreten war. Da begann man zu behaupten, jeder könne und müsse es haben. In Wahrheit ist es dem Menschen nicht gemäß, unmittelbar zu Gott zu stehen. Gott ist heilig und redet durch seine Boten. Wer nicht bereit ist, den Boten anzunehmen, sondern den Herrn selbst hören will, zeigt damit, daß er nicht weiß – oder nicht wahr haben will – wer Gott ist, und wer er selbst. . Wir können das Gemeinte auch so ausdrücken: Gott hat das Wesen und das Heil des Menschen auf den Glauben gestellt. Dieser Glaube aber scheint mit seiner Reinheit und Härte erst herauszukommen, wenn er dem Boten gegenüber geleistet wird. Wer also Gott selbst zu hören verlangt, würde damit zeigen, daß er im Grunde nicht glauben, sondern wissen; nicht gehorchen, sondern auf eigener Erfahrung stehen will.

Romano Guardini: Der Herr, 4. VI.

Ein typischer Tag

Stöckchen und dergleichen Brauchtum sind normalerweise meine Sache nicht. Bruder Bernd wünscht sich nun eine Beschreibung meines typischen Tages. Dem Wunsch komme ich gern nach.

5.50
Der Wecker klingelt. Wenn ich es schaffe, stehe ich sofort auf.

6.00
Laudes am großen Tisch in der um diese Jahreszeit noch dunklen Küche.

6.30
Bis Sommer 2006 bin ich um diese Zeit meistens eine halbe Stunde gelaufen, meine Runde über die Deiche. Im August hatte ich mir dann das rechte Sprunggelenk gebrochen und durfte monatelang nicht mehr laufen. Gehen schon, aber laufen nicht.

Außerdem beginnt die Schule für meinen Ältesten seit diesem Schuljahr schon um 8.00 Uhr. Das hat unseren familiären Zeitplan um eine halbe Stunde vorverlegt.

Also Frühstück machen für die Familie, die nach und nach verschlafen eintrudelt. Im Radio läuft der Deutschlandfunk. Zur Morgenandacht rauscht meist gerade das Kaffeewasser.

7.10
Ins Bad. Rasieren, Duschen, Zähneputzen. Sachen packen, Frühstückstisch abräumen (falls das nicht meine Frau macht). An drei Tagen bringe ich meinen Jüngsten in den Kindergarten. Dort können wir frühestens um

8.00
eintreffen. Danach ins Auto und ab zur Arbeit. Auf dem Weg zwei bis drei Gesätze vom Rosenkranz. Je nach Verkehrslage sitze ich ab

9.00 bis 9.30
am Schreibtisch. Arbeit.

13.00
Mittagessen mit den Kollegen oder geschäftlich.

14.00
Arbeit.

18.30 bis 19.00
Feierabend. Ab nach Hause, wo ich etwa um

19.30 bis 20.00
eintreffe. Selten früher. Im Auto die übrigen Gesätze des Rosenkranzes. Früher war ich regelmäßig um 19.00 in der Messe der Karmeliterinnen auf Finkenwerder. Schon länger nicht mehr.

Kinder ins Bett bringen, Geschichte vorlesen, beten. Abendessen, falls nicht schon vorher geschehen.

20.00
Theoretisch Tagesschau. Davon bleibt oft nicht viel übrig. Mittwochs fängt um diese Zeit die Chorprobe an. Oder andere Abendtermine, an anderen Wochentagen: Firmkatecheten, Taufelternabend, Scholaprobe, Berufliches.

20.15
Falls nichts dergleichen ist, dann Küche aufräumen. Spülmaschine aus- und einräumen.

20.30
Vesper, meistens im Arbeitszimmer. Wenn Abendtermine anstehen, dann erst entsprechend später, selten auch gar nicht.

20.45
Am heimischen Schreibtisch. Irgendwas ist immer: Papierkram, Bloggen, Lesen, Zeit für mich.

22.45
Mittwochs und donnerstags gern Harald Schmidt.

23.15
Zähneputzen, Lesehore, noch etwas Lesen und dann Komplet (die fällt in letzter Zeit häufiger aus).

24.00
Licht aus. An Müdigkeit mangelt es mir nicht.

Irgendwo im Morgenprogramm werde ich demnächst wieder mein Laufpensum installieren. Ich kann ohnehin nur mit zehn Minuten anfangen und es dann langsam steigern.

Familienleben findet praktisch nur sonnabends und sonntags statt.