Gut drei Wochen sind seit der Bundestagswahl vergangen. Doch alles in allem hält meine Zufriedenheit mit dem Wahlergebnis an. Mein Direktkandidat Serkan Tören (FDP) ist über die Landesliste seiner Partei in den Bundestag eingezogen. Er ersetzt praktisch die bisherige SPD-Abgeordnete, die den Wahlkreis an ihre CDU-Konkurrentin verloren hat. Mein Wahlkreis ist also weiterhin mit zwei Abgeordneten aus beiden Regierungsparteien im Parlament vertreten. Über die FDP-Landesliste Niedersachsen sind sogar neun Abgeordnete gewählt worden, drei mehr als vor vier Jahren.
Als Wechselwähler, der in diesem Jahr erstmals die FDP gewählt hat, ist das Ergebnis also in meinem Sinne. Als Katholik gefällt mir, dass die CDU unter Angela Merkel Stimmen eingebüßt hat. Der Merkelsche Papst-Affront, die Familienpolitik der Ursula von der Leyen und nicht zuletzt ihre in den Koalitionsverhandlungen schon wieder auf das Abstellgleis geschobene Zensurpolitik sind Gründe genug. Als Demokrat freue ich mich über eine stabile Regierungsmehrheit für eine Koalition aus zwei Parteien – und für die einzige realistische Alternative zur Großen Koalition. Die nach dem 27. September bestenfalls noch eine große Koalition wäre.
Die Grünen sind erfreulicherweise dabei, sich aus der babylonischen Gefangenschaft im linken Lager zu befreien. Nach Hamburg verhelfen sie im Saarland zum zweiten Mal der CDU zur Regierungsmehrheit. Im Bund muss erst die Generation Trittin/Künast/Roth abtreten, bevor es zu schwarz-grünen Bündnissen kommen kann. Doch Trittin (Jg. 54), Künast (Jg. 55) und Roth (Jg. 55) werden uns noch bis wenigstens 2021 erhalten bleiben. So lange dürfte auch Angela Merkel (Jg. 54) Kanzlerin bleiben. Das wären dann 16 Jahre, wie Helmut Kohl.
Zwei Tage vor der Wahl hatte ich den Fragenkatalog auf wen-waehlen.de durchgeklickt. Ich war erschrocken, welche Staatsgläubigkeit sich in diesem Fragenkatalog ausdrückt. Als könne oder solle der Staat praktisch alle Lebensbereiche regeln. Was ist nur aus dem guten, alten Subsidiaritätsprinzip geworden? Haben wir nicht schon genug Gesetze, Vorschriften, Steuern, Abgaben, Staatsauf- und -ausgaben?
Es gibt ein präzises Maß für die Differenz zwischen unseren Erwartungen an den Staat und dem, was wir dafür zu geben bereit sind. Es nennt sich Staatsverschuldung. Wir verlangen seit 40 Jahren mehr vom Staat, als wir zu zahlen bereit sind. Und wir setzen mit jeder Wahl noch eins drauf. Abtprimas Notker Wolf hat in seinem Buch Worauf warten wir? Ketzerische Gedanken zu Deutschland (2005) ein Zeitgeistpanorama entrollt:
Unsere Politiker finden schon lange nichts mehr dabei, den Maßstab unseres Glücks festzulegen und im Namen dieses Glücks die Vormundschaft für uns zu übernehmen. … Der Staat ist für das Glück des Einzelnen zuständig, weshalb unsere Politiker uns unser Glück auch vorschreiben dürfen.
Daran beteiligt sich, so wie es aussieht, auch die künftige schwarz-gelbe Bundesregierung. Täte sie es nicht, dann würde sie nicht gewählt. Wie Gerhard Schröder für die Agenda 2010 abgewählt wurde, deren Erfolge schließlich der Regierung Merkel zugute kamen.