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Wahlentscheidung 2009 (Epilog)

Gut drei Wochen sind seit der Bundestagswahl vergangen. Doch alles in allem hält meine Zufriedenheit mit dem Wahlergebnis an. Mein Direktkandidat Serkan Tören (FDP) ist über die Landesliste seiner Partei in den Bundestag eingezogen. Er ersetzt praktisch die bisherige SPD-Abgeordnete, die den Wahlkreis an ihre CDU-Konkurrentin verloren hat. Mein Wahlkreis ist also weiterhin mit zwei Abgeordneten aus beiden Regierungsparteien im Parlament vertreten. Über die FDP-Landesliste Niedersachsen sind sogar neun Abgeordnete gewählt worden, drei mehr als vor vier Jahren.

Als Wechselwähler, der in diesem Jahr erstmals die FDP gewählt hat, ist das Ergebnis also in meinem Sinne. Als Katholik gefällt mir, dass die CDU unter Angela Merkel Stimmen eingebüßt hat. Der Merkelsche Papst-Affront, die Familienpolitik der Ursula von der Leyen und nicht zuletzt ihre in den Koalitionsverhandlungen schon wieder auf das Abstellgleis geschobene Zensurpolitik sind Gründe genug. Als Demokrat freue ich mich über eine stabile Regierungsmehrheit für eine Koalition aus zwei Parteien – und für die einzige realistische Alternative zur Großen Koalition. Die nach dem 27. September bestenfalls noch eine große Koalition wäre.

Die Grünen sind erfreulicherweise dabei, sich aus der babylonischen Gefangenschaft im linken Lager zu befreien. Nach Hamburg verhelfen sie im Saarland zum zweiten Mal der CDU zur Regierungsmehrheit. Im Bund muss erst die Generation Trittin/Künast/Roth abtreten, bevor es zu schwarz-grünen Bündnissen kommen kann. Doch Trittin (Jg. 54), Künast (Jg. 55) und Roth (Jg. 55) werden uns noch bis wenigstens 2021 erhalten bleiben. So lange dürfte auch Angela Merkel (Jg. 54) Kanzlerin bleiben. Das wären dann 16 Jahre, wie Helmut Kohl.

Zwei Tage vor der Wahl hatte ich den Fragenkatalog auf wen-waehlen.de durchgeklickt. Ich war erschrocken, welche Staatsgläubigkeit sich in diesem Fragenkatalog ausdrückt. Als könne oder solle der Staat praktisch alle Lebensbereiche regeln. Was ist nur aus dem guten, alten Subsidiaritätsprinzip geworden? Haben wir nicht schon genug Gesetze, Vorschriften, Steuern, Abgaben, Staatsauf- und -ausgaben?

Es gibt ein präzises Maß für die Differenz zwischen unseren Erwartungen an den Staat und dem, was wir dafür zu geben bereit sind. Es nennt sich Staatsverschuldung. Wir verlangen seit 40 Jahren mehr vom Staat, als wir zu zahlen bereit sind. Und wir setzen mit jeder Wahl noch eins drauf. Abtprimas Notker Wolf hat in seinem Buch Worauf warten wir? Ketzerische Gedanken zu Deutschland (2005) ein Zeitgeistpanorama entrollt:

Unsere Politiker finden schon lange nichts mehr dabei, den Maßstab unseres Glücks festzulegen und im Namen dieses Glücks die Vormundschaft für uns zu übernehmen. … Der Staat ist für das Glück des Einzelnen zuständig, weshalb unsere Politiker uns unser Glück auch vorschreiben dürfen.

Daran beteiligt sich, so wie es aussieht, auch die künftige schwarz-gelbe Bundesregierung. Täte sie es nicht, dann würde sie nicht gewählt. Wie Gerhard Schröder für die Agenda 2010 abgewählt wurde, deren Erfolge schließlich der Regierung Merkel zugute kamen.

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Kommentar

  1. Es gibt ein präzises Maß für die Differenz zwischen unseren Erwartungen an den Staat und dem, was wir dafür zu geben bereit sind. Es nennt sich Staatsverschuldung. Wir verlangen seit 40 Jahren mehr vom Staat, als wir zu zahlen bereit sind. Und wir setzen mit jeder Wahl noch eins drauf.

    Mal davon abgesehen, daß ich als Ösi bei Ihnen ja ohnehin nicht wählen könnte — die Probleme sind allerdings in Ösistan auch nicht viel anders, und damit kann ich auch in einem D-Blog was dazu sagen:

    Es geht hier nicht nur um die Gier der Bevölkerung „vom Staat“ was zu kriegen, es geht v.a. auch um die Gier des Staats- und Parteienapparates, via Besteuerung und Verteilung von „Wohltaten“ Macht auszuüben, Planposten zu schaffen, die eigene Unersetzlichkeit zu demonstrieren! Würde der Staat sich aus vielen Lebensbereichen einfach zurückziehen, und dafür die Steuern senken (die vielen überflüssigen Beamten müßte man allerdings auf dem Weltmarkt vermutlich als Dekorationsfiguren verkaufen — denn so wirklich, echt produktiv arbeiten können von denen die wenigsten. Deshalb wurden sie ja auch Beamte!), dann kämen wir bald drauf, daß es uns keinen Deut schlechter ginge als zuvor, im Gegenteil: die tollste Bürokratie wird meine subjektiven Bedürfnisse nie so exakt erkennen und befriedigen können wie ich selbst mit dem eigenen Geld!

    Es sind also nicht nur die „Wünsche an den Staat“, sondern auch die Omnipotenz-Phantasien der Politiker und Staatsbeamten (m.a.w.: der herrschenden Klasse in unserem pseudodemokratischen System), die den Haushalt riunierten und wohl auch weiter ruinieren werden. Und hier ist auch eine fundamentale Demokratie-Kritik angebracht: ein Staat, in dem die Mehrheit der Bevölkerung vom Staat alimentiert wird, degeneriert unter demokratischen Wahlbedingungen fast notwendigerweise. Wenn die MEhrheit der Wähler jene sind, die weniger zum Haushalt beitragen als sie von ihm beziehen, gehört schon viel Vertrauen in den Edelmut und Gerechtigkeitssinn dieser Leute, will man annehmen, sie würden eine Politik, die sie um ihre Vorteile bringt, unterstützen. Ein paar edeldenkende Individualisten vielleicht, aber die Masse? Undenkbar!

    Und damit liegt die Verantwortung wohl v.a. bei denen, die dieses System in den letzten Jahrzehnten allmählich imer höher gezogen haben: den Politikern, Beamten und Apparatschiks in Gewerkschaften, Verbänden & Co.! Daß jemand auf die Frage: „Wollen Sie eine goldene Uhr geschenkt?“ mit einem entschlossenen „Nein!“ antwortet, ist nicht wahrscheinlich. Wenn der, der die Uhren verschenkt, sie vorher jemand anderen geklaut hat, sähe ich doch eher in ihm den Gauner, als in dem möglicherweise gutgläubigen Geschenknehmer. Und daß uns der Staat bei einer Abgabenquote von realistischerweise weit mehr als 50% des Einkommens eher als Abruzzenräuber denn als weise-sparsamer Landesvater engegentritt, wird man wohl schwerlich bestreiten können …

  2. Der gute alte LP.

    Weiß Bescheid über Beamte.

    Und darüber wie Staatsauf- und ausgaben zustande kommen.

    Nein, es ist tatsächlich so, daß in den allermeisten Fällen die Wähler es so wollten. Die würden sogar noch mehr wollen (aber manchmal hindert die Verfassung noch übermütige Kanzlerinnen, etwa wenn sie verfassungswidrigerweise etwas zum Thema Schulen machen will).

    Nur in wenigen Fällen, etwa beim Rauchverbot, handeln Politiker ohne Willen der Wählerschaft.