Sünde

Fachbegriffe des Christentums, erste Lieferung.

Nobody is perfect. Das ist im Grunde ein allgemein einsichtiger, mithin konsensfähiger Satz. Und zwar völlig unabhängig davon, nach welchen Maßstäben hier eigentlich gemessen wird. Kein Mensch ist fehlerlos – verglichen mit seinen höchst persönlichen Idealen, den Erwartungen anderer Menschen, dem kategorischen Imperativ, jeder beliebigen Ethik oder Moral.

Sünde ist ein konkreter Akt: der fehlerhafte Gedanke, das falsche Wort, die (von wem auch immer) verbotene Tat. Jeder einzelne Fehler ist eine Sünde. Sünden können unterschiedlich schwer wiegen, angefangen von der (fast) vernachlässigbaren Kleinigkeit, die einen kaum wahrnehmbaren Schaden anrichtet, bis zur großen Katastrophe, die das Leben kosten kann – fremdes, eigenes oder ewiges Leben. (Was ewiges Leben bedeutet, erkläre ich später. Nur soviel vorweg: Es bedeutet nicht ein sehr langes Leben.)

Sünden bleiben nicht ohne negative Folgen. Und zwar für das ganz banale Alltagsleben. Sünden sind irreversibel; man kann sie nicht ungeschehen machen. Sie sind ein Stachel im Fleisch; meistens ist ein schlechtes Gewissen (muss ich diesen Begriff auch erklären?) ein untrügliches Zeichen für eine Sünde. Das Gewissen drängt den Sünder – also den Menschen, der eine oder mehrere Sünden begeht – dazu, die Sache wieder aus der Welt zu schaffen.

Schenke den Sündern die Gnade der Bekehrung; führe uns alle durch Buße zum Heil.

Diese Fürbitte steht im Kleinen Stundenbuch in der Vesper vom Donnerstag der dritten Woche. Neben Sünde sind darin gleich vier weitere Fachbegriffe des Christentums enthalten, drei davon stehen bereits auf der Liste. Den vierten füge ich jetzt hinzu.

Konvertit

Der Pontificator (Autor meines Lieblingsblogs in englischer Sprache, das er nun möglicherweise schließen wird) wird katholisch:

“A convert comes to learn,” Newman wrote, “and not to pick and choose.” It is now time for me to withdraw from the lists of controversy, enter into a spiritual posture of learning and docility, and submit my mind, heart, and soul to the teaching of our Lord through the Magisterium of his Church. It is time for me to abandon the private judgment of my Anglicanism and be reformed by the Catholic Faith in all of its fullness. As Newman wrote to Henry Maskell: “You must come to the Catholic Church to learn, to take on faith, her mode and peculiarities of worship, her ideas of devotion, etc. as well as her doctrine.” This is now the task before me. [via Lumen de Lumine]

Gottes Segen!

Umkehrung der Logik

Noch einmal Matthias Kroeger, diesmal ein Interview aus dem längst verblichenen Sonntagsblatt (dessen Redaktion heute Chrismon herstellt):

„Wir müssen heute wieder den Mut haben, uns auf religiöse Erfahrungen einzulassen, ohne zuvor jedes Mal zu erklären: Wir glauben an einen Gott, der so oder so aussieht. Umgekehrt muß der Weg sein: Wir müssen Menschen in Erfahrungen hineinführen. Am Ende kann dann die Aussage stehen: Ich bin bereit, diese Erfahrung mit dem Wort Gott, Gnade, Heiliges… zu bezeichnen. Die Kirche soll kein Definitionsmonopol beanspruchen: Sie soll den Menschen überlassen, wie sie diese Erfahrungen benennen. Daraus ergeben sich die fälligen theologischen Wandlungen und Kommunikationen. Wir brauchen also eine völlige Umkehrung der Logik. Wissenschaftlich gesprochen: Theologie muß induktiv, nicht deduktiv sein.“

Humanismus

Der Perlentaucher liefert heute den Hinweis auf einen dreispaltigen Aufmacher des FAZ-Feuilletons. Darin legt der Philosoph Kurt Hübner dar, was ihm in der Präambel der EU-Verfassung fehlt. Und das ist nicht einfach der Gottesbezug.

„Wie gezeigt, fehlt in der Präambel der Hinweis darauf, dass es der christliche Humanismus war, aus dem sich Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit entwickelt haben. Wird aber dieser enge Zusammenhang nicht betont, so führt das zu dem Missverständnis, man hätte sich in einer Art krönendem Abschluss der historischen Entwicklung von dem ‚religiösen und humanistischen Erbe‘ emanzipiert. Als Folge davon ist die christliche Begründung des Humanismus verlorengegangen, ohne dass man eine andere gefunden hätte.“

Von Kurt Hübner stammt, den Hinweis verdanke ich ebenfalls dem Perlentaucher, das Buch „Das Christentum im Wettstreit der Weltreligionen“ (siehe die SZ-Rezension, bei der Hübner schlecht wegkommt). Ein anderes Werk trägt den an Fides et Ratio gemahnenden Titel „Glaube und Denken“. In den Amazon-Leserrezensionen wird Hübner dafür ebenfalls ziemlich zerrissen, aber die Rezensionsübersicht beim Perlentaucher sieht freundlicher aus: So hat zum Beispiel Klaus Berger seinerzeit das Buch sehr gelobt.

Nachtrag: Die Rezension zu „Glaube und Denken“ in der Zeit.

Agamben

Der italienische Philosoph Giorgio Agamben – die FR bezeichnet ihn anlässlich eines Auftritts dieser Tage in der Berliner Volksbühne als Superstar – könnte in seiner Zeitdiagnose womöglich auch mit Benedikt XVI. einig sein. Hier in der Paraphrase der Frankfurter Rundschau:

„Das Postulat vom Tod Gottes habe gerade nicht zur Abschaffung jedweder Religion geführt, sondern den Menschen nur an Gottes Stelle treten lassen, ganz auf sich allein gestellt, vollkommen überfordert mit seiner absoluten, souveränen und diktatorischen Vollmacht über sich und seines gleichen. Die Konzentrationslager, hier ist der Philosoph unerbittlich klar, erweisen sich insofern als Symptome einer postsäkularen Überforderung.“

Agamben allerdings zieht daraus (was nicht unbedingt überrascht) andere Schlüsse als der Papst. Das Fazit der taz:

„So bleibt es bei der Beschwörung eines seinsgeschichtlichen Verhängnisses, das Politik und Metaphysik, Gesetz und Moral, aber auch die Menschen und die Dinge voneinander trennt. Und es bleibt bei der Beschwörung der Hoffnung, dass sich das alles einmal wieder zum Guten wenden wird. So hat man an dem Abend vorgeführt bekommen, dass Giorgio Agamben zwar die Metaphysik wieder in ihr Recht setzen will, nicht aber Diskurs und Streit.“ [beide Zitate via Perlentaucher]

Giorgio Agamben: Profanierungen. Aus dem Italienischen von Marianne Schneider. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005, 96 Seiten, 7 Euro.

Lesenswert auch die Rezension zu Homo sacer, dem Buch, mit dem Agamben bekannt wurde, in der Süddeutschen.

Hierarchie

Das Magazin brand eins erklärt einen Begriff:

„Das Wort Hierarchie stammt aus dem Griechischen und heißt so viel wie heilige Ordnung. Das „heilig“ ist sehr wichtig. Denn heilig ist alles, was man glauben kann oder auch nicht. Über das Heilige lässt sich aber nicht verhandeln. Halb heilig gibt es so wenig wie ein bisschen schwanger.“ [via medienrauschen]

So weit, so gut. Aber ist der Begriff heilig korrekt erklärt? Wohl kaum. Ich nehme ihn mal in meine Liste auf.

Kirchenverständnis

Damit es nicht untergeht: In den Kommentaren zu diesem Beitrag führe ich gerade eine kleine Diskussion ein Wortgefecht mit einem anonymen Gesprächspartner über ein Bündel von Themen mit Schwerpunkten bei Matthias Kroeger und Ekklesiologie.

Nachtrag: Petra kommentiert das Wortgefecht.