Verba ultima

Peter Glotz‘ handschriftliche Gliederungspunkte am Schluss seines letzten Manuscripts:

„Die Verkennung der Macht des Nationalstaats. Das großmäulige Verspielen der europäischen Option. Gegen Kohls ökonomischen Kurs der Wiedervereinigung. Das Leben im Krankenhaus. Das unwürdige Leben. Das Vorleben eines Sterbens unter Leiden durch Johannes Paul II. Aber ich bin nicht der Papst. Ich muss nicht symbolisch sterben. Der begleitete Tod.“ [Spiegel Online via Mario Sixtus]

Klärungsprozesse

Noch vor der Wahl Joseph Kardinal Ratzingers zum Papst hatte ich vermutet, dass seine Person in der hiesigen Kirche längst überfällige Klärungsprozesse in Gang setzen würde. Nun scheint es, als ob ein solcher Prozess noch viel schneller und heftiger als erwartet begonnen habe – allerdings im Verhältnis der Kirche zu den kirchlichen Gemeinschaften reformatorischer Provenienz. Mit Ereignissen wie dem seltsam begründeten Ausstieg aus der Einheitsübersetzung und den Interventionen der Landesbischöfin von Hannover brechen Konflikte auf, die lange Zeit unter dem Teppich gehalten werden konnten. Gut so.

Franz von Assisi


Altissime, omnipotens, bone domine,
tuae sunt laudes, gloria, honor er omnis benedictio,
tibi soli referendae sunt
et nullus homo dignus est te nominare.

Lauderis, domine deus meus, propter omnes creaturas tuas
et specialiter propter honorabilem fratrem nostrum solem,
qui diescere facit et nos illuminat per lucem;
pulcher est et radians et magni splendoris
et tui, domine, symbolum praefert.

Laudetur dominus meus propter sororem lunam et stellas,
quas in caelo creavit claras et bellas.
Laudetur dominus meus propter fratrem ventum,
aerem, nubem, serenitatem et propter omnia tempora,
per quae omnibus creaturis ministrat alimentum.

Laudetur dominus meus propter sororem aquam,
quae est multum utilis, humilis, pretiosa et casta.
laudetur dominus meus propter fratrem ignem,
per quem noctem illuminat;
ille roseus est, rutilus, invictus et acer.

Laudetur dominus meus propter nostram matrem terram,
quae nos sustentat et alit
et producit varios fructus
et varicolores flores et herbas.

Lauderis, mi domine, propter illos,
qui pro tuo amore offensas dimittunt
et patienter sustinent tribulationem et infirmitatem.
Beati illi, qui in pace sustinuerunt,
quia a te, altissime, coronabuntur.

Lauderis, mi domine, propter sororem nostram mortem,
quam nullus vivens potest evadere.
Vae illis, qui moriuntur in peccato mortali!
Beati illi, qui in hora mortis suae inveniunt se
conformes tuae sanctissimae voluntati,
mors enim secunda non poterit eis nocere.

Laudate et benedicite dominum meum, gratificamini
et servite illi, omnes creaturae, cum magna humilitate!

Anderswo
Pax et bonum: Der größte Heilige für mich
vaticarsten.de: Eine Woche in Assisi

Beiläufig

„Ein neuer Kurs oder nur die beiläufige Erledigung alter Konflikte?“

So fragt der Spiegel (40/2005) in einem recht milden Stück über das Gipfeltreffen zwischen Hans Küng und Papst Benedikt XVI. Offensichtlich ein Thema, an dem der Spiegel zwar qua Chronistenpflicht nicht vorbeikommt, das aber keinen Haken für eine echte Spiegel-Story bietet.

Schrecklicher Gott

Der Luxemburger Ökonom Guy Kirsch nimmt (FAZ vom 1. Oktober) die feine, aber wichtige Unterscheidung zwischen Angst und Furcht vor.

Während die Angst in dem Gefühl einer potentiellen, nicht definierten Bedrohung besteht, ist unter dem Begriff der Furcht jenes Gefühl zu verstehen, das man angesichts einer identifizierten Gefahr hat.

Was insbesondere auch verdeutlicht, warum Gott zwar zu fürchten ist, aber keine Angst machen muss. Andere Instanzen hingegen schon:

Der Staat ist – wie jüngst der Nobelpreisträger James Buchanan in einem Interview gesagt hat – für viele an die Stelle Gottes getreten: Von ihm, nicht aber von sich selbst erwarten sie ihr Heil. Doch ist der Staat – so muß man hinzufügen – zu einem schrecklichen Gott geworden. Von ihm kann manches Unheil ausgehen.

Replik

Richard Mailänder, der Leiter des Referates Kirchenmusik im Erzbistum Köln, weist in einem Leserbrief die Kritik des FAZ-Leitartiklers Daniel Deckers an der musikalischen Gestaltung von Vigil und Abschlussmesse des Weltjugendtags zurück.

So geht sein Angriff auf die „neuen geistlichen Lieder“ glatt am Weltjugendtag vorbei. Wo waren diese hier denn überhaupt? Und was versteht der Autor darunter? Im Schlußgottesdienst war mit „Herr, wir bringen in Brot und Wein“ ein einziges vertreten, sieht man vom Mottolied ab. Alle anderen Gesänge sind kaum unter diesem Begriff zu subsumieren, und falsch ist auch, daß bei der Vigilfeier „durch die Musik die Entstehung einer konzentriert-meditativen Atmosphäre verhindert wurde“. Zweifellos mag man darüber streiten, ob die Taizé-Gesänge in der dort gesungenen Weise weiterentwickelt werden sollen oder ob man sie besser wie ursprünglich komponiert beläßt.

Beschwerde

Auf der Leserbriefseite der FAZ vom Wochenende führt Hans Küng Klage über die Berichterstattung des Blattes über seinen Besuch in Castel Gandolfo.

Während die meisten deutschen Zeitungen das vatikanische Pressekommuniqué vom 26. September über meine Begegnung mit Papst Benedikt XVI. auf der Titelseite brachten, hat die F.A.Z. eine verstümmelte und mißverständliche Version ihres Vatikankorrespondenten Heinz-Joachim Fischer auf die unterste Ecke von Seite 6 verbannt. […] Schon der Titel „Keine Angst vor Audienzen“ ist falsch, da es gerade nicht um eine „Audienz“, sondern um ein „Gespräch in freundschaftlicher Atmosphäre“ ging. […] Falsche Zitation und vergiftete Komplimente, Ironisierung der Intentionen des Papste, Diffamierung meiner katholischen Grundhaltung und Verfälschung des Projekts Weltethos als Vernunftreligion – etwas zuviel des Bösen. […] Vielleicht aber könnten die Ergebnisse meines Gesprächs mit dem Papst […] dazu beitragen, daß man in der F.A.Z.-Redaktion beginnt, meine wissenschaftliche Arbeit ernsthaft zur Kenntnis zu nehmen. Bisher hat man sie entweder ignoriert oder, wo nicht möglich, schlechtgemacht.

Der Leserbrief ist das Gegenstück zur jüngst erschienenen Glosse über einen Auftritt Küngs in der Frankfurter Paulskirche.

Eichsfelder

Stammleser wissen bereits, dass ich das Eichsfeld meine Heimat nennen darf. Der Landstrich gehört heute teils zu Thüringen, teils zu Niedersachsen. Das Eichsfeld war also, wie sich daraus leicht entnehmen lässt, bis 1989/90 durch den Eisernen Vorhang geteilt. Es war und ist eine katholische Insel mitten im reformatorischen (und heute weitgehend neuheidnischen) NordMitteldeutschland.

Die Eichsfelder haben mit ihrer noch immer tiefen katholischen Prägung mit den Nachbarn im Süden mehrerlei gemein: ihren Stolz und ihr Gottvertrauen, das sich im Alltag als Optimismus und Durchhaltewillen bewährt. Ähnlich wie die Fuldaer in Hessen schildern die Eichsfelder dem Fremden kein Problem, sondern vor allem ihre Chancen. Im umliegenden Stammland der Reformation, in Mühlhausen oder Nordhausen, ist das umgekehrt. Da ist die Grundstimmung in Moll gefärbt, es dominieren Sorgen, Klagen und der Ruf nach dem Staat.

Mit diesen Worten beschreibt Claus Peter Müller in der FAZ vom 1. Oktober treffend, wie ich finde, diesen Menschenschlag, der sich niemals gescheut hat, sich durch Abgrenzung gegenüber dem Umland zu definieren. Das eigentliche Thema ist der Stadtumbau in Leinefelde.

Eigentlich ist Leinefelde keine Stadt. Es war ein kleines Dorf bei Worbis im niederdeutschen Teil des Eichsfelds östlich des oberdeutschen Eichsfelds um Heiligenstadt gelegen. Beide Teile aber waren stets katholisch und damit gegen politische Extreme resistent. Sowohl die Nationalsozialisten als auch später die Sozialisten bekamen das zu spüren.

In den 80er Jahren, als meine Familie regelmäßig ihre entfernten Verwandten im Obereichsfeld besuchte, hatte ich ab und an Gelegenheit, diesen widerständigen Katholizismus aus der Nähe zu sehen. Es war eine fremde, aber zugleich irgendwie vertraute Welt. Den gleichen Eindruck gewann ich ab 1989/90 von der ganzen DDR. In den 60er Jahren war übrigens der heutige Kardinal Joachim Meisner als Kaplan in Heiligenstadt.

Theresia vom Kinde Jesus

Theresia, geboren 1873, trat mit fünfzehn Jahren in den Karmel von Lisieux ein. Damals hatte sie bereits eine ungewöhnlich reiche religiöse Erfahrung. Sie selbst betrachtete Weihnachten 1886 als entscheidendes Ereignis in ihrem Leben; sie erfuhr die Gnade einer „völligen Umkehr“ und verstand von da an die Liebe zu Christus und zu den Menschen als die eigentliche Berufung ihres Lebens. Ihr Leben im Karmel verlief äußerlich sehr einfach; ihr innerer Weg ging steil nach oben. Sie begriff, dass ihre Christusliebe sich in der Kreuzesnachfolge verwirklichen musste. Die Heilige Schrift wurde mehr und mehr ihre einzige Lektüre; innere Prüfungen und körperliche Krankheit waren ihr Alltag. In der Nacht zum Karfreitag 1896 hatte sie ihren ersten Bluthusten; am 30. September 1897 starb sie mit den Worten: „Mein Gott, ich liebe dich.“ Über ihre innere Welt sind wir durch ihre Aufzeichnungen „Geschichte einer Seele“ und ihre von der Priorin gesammelten „Worte“ unterrichtet. Theresia ging auf das Ganze, auf das Große. Sie wollte Jesus mehr lieben, als er jemals geliebt wurde; sie brachte sich der barmherzigen Liebe Gottes als Brandopfer dar; sie wollte alle Menschen lieben, wie Jesus sie liebte. Vor Hochmut wurde sie durch die Erkenntnis bewahrt, dass sie selbst zu alledem völlig unfähig war und nur durch die Kraft der zuvorkommenden Liebe Gottes überhaupt etwas tun konnte. – Papst Pius XI. hat sie 1925 heilig gesprochen und zur Patronin der Missionen erhoben. [Schott]

Der Weg

„O nein, nie habe ich für mich außergewöhnliche Gnaden begehrt … Ich habe kein anderes Mittel als Blumen zu streuen, das heißt, keines der kleinen Opfer, keinen Blick, kein Wort mir entgehen zu lassen, auch die kleinsten Taten zu beachten und sie aus Liebe zu vollbringen.“

„Ich kann mich nur von der Wahrheit nähren. Aus diesem Grunde habe ich nie nach Visionen verlangt …“

„Ich sehe nur ein halbverschleiertes Licht, das Licht, das aus den gesenkten Augen des Antlitzes des Herrn entströmt.“ (Theresia vom Kinde Jesus)

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