Was mich am linksautoritären Habitus, der sich seiner selbst nicht bewusst ist, fast am meisten nervt, ist die lange und immer länger werdende Liste von Diskursverboten, die er verhängt. Mehr und mehr Positionen, Publikationen und Publizisten werden auf den Index gesetzt und aus dem legitimen Meinungsspektrum auszugrenzen versucht. Dies verengt die Debatte völlig unnötigerweise und steht in keiner guten Tradition.
Die katholische Kirche kannte bis in die 60er Jahre hinein den Index Librorum Prohibitorum. 1933 wurden in Deutschland Bücher verbrannt, wie auch, ebenfalls im 20. Jahrhundert, in der Sowjetunion. Die katholische Kirche hatte immerhin gute Gründe, nämlich das Seelenheil, was sich von linken und rechten Sozialisten nicht gerade behaupten lässt.
Heute trifft es sowohl liberale als auch rechte Positionen, also praktisch alles, was nicht dem links-autoritären Dogma gehorcht oder sich wenigstens noch irgendwie in der ominösen Mitte bewegt. Doch selbst die Mitte ist ein gefährlicher Ort geworden, da zu ihr auch (gemäßigt) rechtsautoritäre, rechtsliberale und linksliberale Anteile gehören.
Am härtesten geht der linksautoritäre Habitus mit profilierten rechtsliberalen Positionen ins Gericht. Das ist klar, weil sich hier auf beiden Achsen Abstoßungsreaktionen zeigen. Dem Linken ist der Rechte nicht geheuer, und dem Autoritären missfällt der Liberale.
Das prominenteste Beispiel dafür ist die Junge Freiheit, zugleich ein gutes Beispiel, weil sie sowohl relativ weit rechts als auch relativ liberal positioniert ist. Diese beiden Positionierungsmerkmale schließen sich tatsächlich nicht aus, auch wenn das linksautoritäre Dogma dafür blind ist.
Dieses Dogma glaubt im Kern an den starken Sozialstaat, dem sich die freie Gesellschaft ebenso unterzuordnen hat wie Recht und Ordnung sowie die freie wirtschaftliche Betätigung der Bürger. Die liberale Idee der Meinungsfreiheit ist dem linksautoritären Dogma ein Greuel, jedenfalls soweit sie andere Meinungen als die eigene betrifft.
Ein typisches liberal-konservatives Blatt ist der Cicero, dem zwischenzeitlich sogar einmal ein Linksruck bescheinigt wurde und der neuerdings eines Rechtsrucks bezichtigt wird. Die taz, die diesen Vorwurf erhebt, ist selbst eher ein Projekt des linksautoritären Habitus mit entsprechendem Standbein, hatte aber immer auch ein linksliberales Spielbein.
The European wird in der englischsprachigen Wikipedia als „moderate“ geführt und hat laut Gründungschefredakteur Alexander Görlach keine eigene politische Position. Obwohl dort regelmäßig rechtsliberale Autoren publizieren, scheint The European bis jetzt noch vom Diskursverbot ausgenommen zu sein – wahrscheinlich, weil dort auch Liane Bednarz zum Autorenkreis zählt. Nicht so das libertäre eigentümlich frei, das als rechtsliberales Blatt zu genau ins Beuteschema des linksautoritären Dogmas passt.
Interessanterweise befindet sich der Rechtsfaschismus ja gerade nicht im rechtsliberalen Politikfeld, sondern stellt das rechtsautoritäre Extrem dar (was wiederum näher am linksautoritären Extrem – dem Linksfaschismus – liegt als es auf den ersten Blick scheint). Weil dem so ist, greift der gern gebrauchte Faschismusvorwurf für das rechtsliberale Politikfeld auch nicht.
Dass er trotzdem gebraucht wird, hat mit mangelnder Differenzierungsfähigkeit entlang der Achse liberal-autoritär ebenso zu tun wie mit der Blindheit des linksautoritären Habitus, der sich seiner selbst nicht bewusst ist. Alles, was nicht ins linksautoritäre Dogma passt, rührt er zu einer einzigen Soße zusammen. Eine sinnvolle Analyse sieht anders aus.
Was auf der autoritäten Seite nicht verstanden und auch anders gehandhabt wird: Wirkliche Liberale lassen auch die Gegenseite zu Wort kommen und bewerten den freien Austausch auch konträrer Meinungen höher als dogmatische Linientreue. Weshalb in rechtsliberalen Blättern eben auch rechtsautoritäre, aber ebenso linke Autoren zu Wort kommen.
Mir persönlich würden zwei Ausschlusskriterien genügen. Da wäre zum einen der Faschismus, aber bitte in beiden Varianten, Links- wie Rechtsfaschismus, also die links- und rechtsautoritären Extreme. Das zweite Kriterium ist die latente oder offene Gewaltbereitschaft, die zum größten Teil wahrscheinlich bereits durch den Ausschluss des Faschismus ausgeschlossen ist.
Mir jedenfalls sind keine gewaltbereiten links- oder rechtsliberalen Extremisten bekannt. Doch wer weiß, ich mag mich irren.
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Grafik: Church of emacs (Lizenz)