Warum Ästhetik alles andere als unwichtig ist

Gelegentlich entsteht der Eindruck, dass ästhetische Gründe irgendwie unwichtig sind. Es kommt auf Funktion und Inhalt an, die Form ist zweitrangig. Form follows function?

Welch ein Irrtum! Ästhetik ist Wahrnehmung. Wenn wir von Ästhetik sprechen, dann sprechen wir davon, wie etwas wahrgenommen wird. Und das soll unwichtig sein?

Jede Botschaft, auch und gerade die frohe, braucht eine Form, damit sie überhaupt wahrgenommen werden kann. Martin Mosebach hat bekanntlich der Häresie der Formlosigkeit einen ganzen Essayband gewidmet.

Diese Häresie hat uns jede Menge schreiend hässlicher Kirchengebäude und eine vielfach verhunzte Liturgie beschert. Wo Hässlichkeit und liturgischer Murks zu Prinzipien erhoben werden, da lässt sich Gott nicht mehr wahrnehmen. An die Stelle Gottes tritt der Mensch mit all seinen Unzulänglichkeiten.

Wie langweilig! Die Wahrnehmung Gottes geht hingegen immer mit Schönheit einher. Kirchengebäude und Liturgie müssen schön sein, damit sie etwas vom Wahren, Guten, Schönen durchscheinen lassen. Die Wahrheit, die Christus ist, die Güte Gottes und die Schönheit seiner Verehrung liegen eng beeinander.

Neben diesen grundsätzlichen Überlegungen habe ich auch ganz persönliche Gründe für diese Ansicht. Als ich in den neunziger Jahren vor der Frage stand, ob ich Christ oder Agnostiker bin, da sagte ich mir: Um Agnostiker zu sein, müsste ich das gesamte christliche Erbe als Irrtum verwerfen, oder wenigstens als auf den Sand des Nicht-Erkennbaren gebaut.

Das schien mir unmöglich. Die herrlichen Kathedralen, die wunderbare sakrale Kunst, die unglaublich schöne geistliche Musik – das kann doch nicht das Produkt eines großen Irrtums der Menschheit sein.

Bei vielen heutigen Kirchenbauten, moderner Sakralkunst und neuem geistlichen Lied hingegen bin ich mir da nicht so sicher.

Auch wenn das eine schöne Schlusspointe wäre, so will ich doch dem Eindruck wehren, früher sei alles besser gewesen. Das denke ich nicht. Was aber die Jahrhunderte überlebt hat, das ist das Wahre, Gute, Schöne. Das Unwahre, Schlechte und Hässliche verschwindet früher oder später.

Insofern können wir das Urteil über unsere Kirchengebäude, die heutige Sakralkunst und die gegenwärtige geistliche Musik getrost späteren Generationen überlassen. Wenn sie überhaupt noch etwas davon sehen werden.