Schmiede

Die NZZ rezensiert die Geschichte der protestantischen Frömmigkeit von Lucian Hölscher und liest dort diese

These: Der Protestantismus zerfasert. Oder, positiv formuliert: Die Einheit des Protestantischen liegt in der Freiheit zur Individualität. Jeder kann glauben, was er für wahr halten möchte. Die Institutionen der evangelischen Kirchen sind nur für diejenigen von Interesse, die ihrerseits kirchlich gebunden sein möchten. Die institutionell Ungebundenen verbinden gegebenenfalls Jesus Christus mit Marx und Engels oder sehen ihn als Befreiungshelden.

Lucian Hölscher: Geschichte der protestantischen Frömmigkeit in Deutschland. Verlag C. H. Beck, München 2005. 466 S., 39,90 EUR.

CSU im Vatikan

Die CSU ist heute mit 150 Mann Fraktionsstärke in den Vatikan gefahren, um sich Kraft bei einer Institution zu holen, die traditionell seit zweitausend Jahren aufsässigen Weibern einfach richtig einheizt.

Man kann über den Vatikan wirklich sagen, was man will, aber dass ein Papst über eine Frau gestolpert ist, ist sehr lange her.

Harald Schmidt, 2. November 2005

Allerseelen


Dies irae, dies illa
solvet saeclum in favilla:
teste David cum Sibylla.

Quantus tremor est futurus,
quando judex est venturus,
cuncta stricte discussurus!

Tuba mirum spargens sonum
per sepulcra regionum,
coget omnes ante thronum.

Mors stupebit et natura,
cum resurget creatura,
judicanti responsura.

Liber scriptus proferetur,
in quo totum continetur,
unde mundus judicetur.

Judex ergo cum sedebit,
quidquid latet apparebit:
nil inultum remanebit.

Quid sum miser tunc dicturus?
Quem patronum rogaturus,
cum vix justus sit securus?

Rex tremendae majestatis,
qui salvandos salvas gratis,
salva me fons pietatis.

Recordare, Jesu pie,
quod sum causa tuae viae:
ne me perdas illa die.

Quaerens me, sedisti lassus:
redemisti Crucem passus:
tantus labor non sit cassus.

Juste judex ultionis,
donum fac remissionis
ante diem rationis.

Ingemisco, tamquam reus:
culpa rubet vultus meus:
supplicanti parce, Deus.

Qui Mariam absolvisti,
et latronem exaudisti,
mihi quoque spem dedisti.

Preces meae non sunt dignae:
sed tu bonus fac benigne,
ne perenni cremer igne.

Inter oves locum praesta,
et ab haedis me sequestra,
statuens in parte dextra.

Confutatis maledictis,
flammis acribus addictis:
voca me cum benedictis.

Oro supplex et acclinis,
cor contritum quasi cinis:
gere curam mei finis.

Lacrimosa dies illa,
qua resurget ex favilla
judicandus homo reus.

Huic ergo parce, Deus:
pie Jesu Domine,
dona eis requiem. Amen.

Sequenz Dies irae (Zweite Lesung der Lesehore zu Allerseelen)

Mehr bei paxvobis, im Kompendium und bei St. Dymphna.

Ironie

Die Ironie (griechisch ειρωνεία – altgriechisch eironeía, heute ironía ausgesprochen – wörtlich die Verstellung) ist eine Äußerung, die oft – aber nicht zwingend – das Gegenteil des Gesagten meint, die mit scheinbarer Ernsthaftigkeit den gegnerischen Standpunkt ins Widersprüchliche zieht. Im Gegensatz zum Humor ist Ironie eher kritisch und nicht um Zustimmung bemüht. Ironie wird oft durch Mimik, Gesten oder Betonung zusätzlich unterstrichen und so als solche kenntlich gemacht.

Sokrates lehrte Ironie als Mittel zur Entlarvung vermeintlichen oder anmaßenden Wissens, jedoch nicht mit dem Ziel des Lächerlichmachens. Der Dialogpartner wurde vielmehr durch das scheinbar selbstständige Auffinden eigener Widersprüchlichkeiten in die Lage gebracht, diese zu durchschauen. Ludwig Tieck prägt hingegen den Begriff der Romantischen Ironie.

In der Umgangssprache werden gegenwärtig spöttische Wortbildungen wie Warmduscher gebraucht. In der Selbstironie spiegelt sich eine kritische, spielerische Haltung gegenüber dem eigenen Standpunkt wider.

Ironie ist nur aus dem Kontext heraus verständlich. Zum Beispiel ist die Bezeichnung Warmduscher nur in Regionen verständlich, wo es auch Duschen für die Mehrheit der Menschen gibt. In in einer schriftlichen Mitteilung ist Ironie nicht eindeutig zu erkennen. Der Autor und seine Einstellungen sind unbekannt, ebenso fehlt die Übermittlung der Satzbetonung.

Zeitungen helfen sich damit, Beiträge eindeutig als ironisch zu kennzeichnen (Glosse). Internetnutzer in Mitteilungsforen bemühen Smilies. Die einzige Möglichkeit, Missverständnisse zu vermeiden, ist, in schriftlichen Mitteilungen auf Ironie zu verzichten. [Wikipedia]

Smilies sind für Warmduscher.

Neue Sachlichkeit

Nico Lumma ruft sie aus:

„Im Rahmen der Lumma-Sachlichkeits-Offensive werden die Artikel ab sofort einem Redaktionsbeirat gelesen und diskutiert, bevor sie dann veröffentlicht werden. Man mag sich nicht vorstellen, was passieren würde, wenn gerade in Weblogs einfach so Artikel publiziert werden könnten, die dann vielleicht auch noch flapsig formuliert sind. Nicht auszudenken.

Dem will ich entgegenwirken und künftig dafür sorgen, dass hier nur noch sprachlich geschliffene und inhaltlich ausgewogene Artikel erscheinen. Letztendlich kann man ja auch nicht wollen, dass sich Widerspruch regt oder gar eine Diskussion in den Kommentaren stattfindet. Gerade Weblogs sollten hier ein Exempel statuieren und ich werde mit meiner Sachlichkeits-Offensive einer der Bannerträger der Neuen Sachlichkeit werden. Bitte unterstützt mich in diesem Unterfangen.“

Da bin ich doch gerne dabei.

Mosaik

Klaus Berger spricht [1,50 EUR] heute in der FAZ:

„‚Wenn ein Fall schwierig ist, sollte man das nicht, wie in der Titelseitenankündigung des Artikels von Edo Reents (FAZ vom 27. Oktober), zuerst dem Opfer ankreiden (‚K. Berger verschleiert‘) und nicht seine mangelnde Offenheit und Klarheit beklagen. Denn wenn alle meine Aussagen wahr sind (wofür ich mich verbürge), dann kommt es darauf an, wie man das Mosaik zusammenlegt. Diese Aussagen sind: ‚Ich bin nie aus der katholischen Kirche ausgetreten‘, ‚ich bin Mitglied der Evangelischen Kirche‘, ‚ich bin katholisch nach Herz und Heimat‘, ‚ich bin ökumenisch in der Theologie und habe nie etwas anderes darüber gehört‘. Wenn alles das zugleich wahr ist, gibt es nur eine richtige Lösung: Der Fall ist auf dem sanften Weg des Übertritts geregelt worden.'“ [Perlentaucher]

Nachreformatorischer Geisterkult

Halloween und Lutherbonbon gestern bei bild.de:

Die Evangelische Kirche in Deutschland ruft zum Halloween-Boykott auf. Heute, ausgerechnet am Reformationstag, feiern Millionen Kinder das kultige Geister- & Gruselfest.

Margot Käßmann (47), Landesbischöfin von Hannover: „Die Reformation hat uns von Geisterkulten befreit. Da brauchen wir nun keinen Import aus den USA.“

Von was die Reformation uns so alles befreit hat… Danke, Dr. Martinus!

Und wieso „ausgerechnet“ am Reformationstag? Hätte er halt seine Thesen nicht am Vorabend von Allerheiligen (engl. Allhallows Evening) an die Kirche hämmern dürfen.

Hort der religiösen Subjektivität

Gar trefflich weiß die NZZ den Fall Berger zu deuten:

Der Protestantismus hat historisch ein nicht geringes Scherflein dazu beigetragen, dass die Gewissensfreiheit den zentralen Rang erhalten hat, den sie im säkularen Staat einnimmt – wäre es dann nicht befremdlich, wenn es ausgerechnet im Hort der religiösen Subjektivität päpstlicher zugehen müsste als beim Papst? – Vom jetzigen Papst hat Berger geschrieben, dass er den Vorgang «genau» kenne und «sein theologisches nihil obstat gegeben» habe. Die päpstliche Unbedenklichkeitserklärung wäre – in den Augen des Laien – allerdings insofern nicht ganz unbedenklich, als sie sich über das Kirchenrecht hinwegsetzte. Danach nämlich hätte Berger sich mit seinem Übertritt zu einer anderen Konfession automatisch die Exkommunikation zugezogen. [Perlentaucher]