Kulturraum Europa

Um Europa und seine Grenzen wird hart gerungen. Angesichts der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ist eine beliebte Argumentationslinie diejenige, die heute Hilal Sezgin in der Frankfurter Rundschau vorträgt:

Welches ist […] die Kultur, die wir dem „Kulturraum Europa“ gemeinhin zuordnen? Mit Stolz blickt Europa auf seine betonierten Städte voller wohlgenährter, alphabetisierter Bewohner – doch nichts von dem, worauf es stolz ist, ist europäischen Ursprungs. Wenn man von Obelixens Wildschweinfang absieht, hat Europa die wenigsten Dinge aus eigener Kraft geschafft. Städtebildung, Ackerbau und Zahl und Schrift, Gesetzgebung und jede Religion, die in Europa heute noch Bedeutung hat, entstanden im Vorderen Orient. Ob Christus Mensch, Gott oder beides sei, wurde im kleinasiatischen Nicäa verhandelt, aus dessen Nachbarschaft auch die meisten antiken Philosophen und der Dichter Homer vermutlich stammten, und England wurde von einem Mann aus Karthago missioniert. […] Gutenberg hat den Buchdruck für Europa bloß nach-erfunden, und Luthers Leistung war, die Bibel neu zu übersetzen. [Perlentaucher]

Mir scheint, als ob der Autor hier ein paar Kleinigkeiten unterschlagen würde. Aber ich kann mich auch täuschen. Der Artikel ist die zweite Folge einer Serie namens „Mein Europa“. In der ersten berichtete Ina Hartwig über ihr postmodernes selbstgebasteltes Patchwork-Europa.

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Dankesrede über das Böse

Was hat es zu bedeuten, dass die Dankesrede von Amos Oz zur Verleihung des Goethe-Preises vom 28. August 2005 zwar in der FAZ [1,50 EUR] abgedruckt, aber offensichtlich nicht nur in einer kaum lesbaren Form online veröffentlicht wurde? Immerhin findet sich eine englische Übersetzung in Auszügen – im Guardian [via Perlentaucher]. Der Autor spricht über die Unterscheidung zwischen gut und böse.

[…] the modern age […] has blurred the clear distinction that humanity has made since its early childhood, since the Garden of Eden. Some time in the 19th century, not so long after Goethe died, a new thinking entered western culture that brushed evil aside, indeed denied its very existence. That intellectual innovation was called social science. For the new, self-confident, exquisitely rational, optimistic, thoroughly scientific practitioners of psychology, sociology, anthropology, and economics – evil was not an issue. Come to think of it, neither was good. To this very day, certain social scientists simply do not talk about good and evil. To them, all human motives and actions derive from circumstances, which are often beyond personal control. „Demons,“ said Freud, „do not exist any more than gods do, being only the products of the psychic activity of man.“ We are controlled by our social background. For about 100 years now, they have been telling us that we are motivated exclusively by economic self-interest, that we are mere products of our ethnic cultures, that we are no more than marionettes of our own subconscious.

In other words, the modern social sciences were the first major attempt to kick both good and evil off the human stage. For the first time in their long history, good and bad were both overruled by the idea that circumstances are always responsible for human decisions, human actions and especially human suffering. Society is to blame. Painful childhood is to blame. The political is to blame. Colonialism. Imperialism. Zionism. Globalisation. What not. So began the great world championship of victimhood.

For the first time since the book of Job, the devil found himself out of a job. He could no longer play his ancient game with human minds. Satan was dismissed. This was the modern age.

Den Hinweis auf diese Rede verdanke ich Petra, die eine Reportage der Zeit erwähnt, in der Sabine Rückert aus ihr zitiert.

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Seeschlacht bei Lepanto

465px-The_Battle_of_Lepanto_by_Paolo_Veronese.jpgSchon wieder ein politisch nicht ganz korrektes Marienfest. Und erneut eine gewonnene Schlacht gegen die Türken, die ihm den Anlass gab. Sieger war die Heilige Liga, zu der auch Papst Pius V. gehörte, der später heiliggesprochen wurde. Ihm verdanken wir die weiße päpstliche Soutane und die nach dem Konzil von Trient herausgegebenen, 400 Jahre geltenden liturgischen Bücher sowie den römischen Katechismus.

Venedig verlor im diesem Krieg übrigens die Insel Zypern an das Osmanische Reich. Und insofern passt der Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit der heutigen Türkei terminlich ganz gut ins Bild, ist doch auch heute Zypern ein Gegenstand des Streits.

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Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz

Das Rosenkranzgebet in seiner heutigen Form wurde seit dem 15. Jahrhundert vor allem von den Dominikanern und den Jesuiten verbreitet. Das Rosenkranzfest gilt nicht dem Rosenkranz selbst, sondern der „Rosenkranzkönigin“, der Jungfrau Maria. Das Fest wurde von dem Dominikanerpapst Pius V. 1572 zur Erinnerung an den Sieg über die Türken in der Seeschlacht bei Lepanto (7. Oktober 1571) eingeführt. Nach dem Sieg über die Türken bei Peterwardein (Ungarn) am 5. August 1716 wurde das Fest auf Bitten Karls VI. auf die ganze Kirche ausgedehnt. [Schott]

rosenkranzkoenigin.jpg Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen.
Kurzlesung der Vesper (Gal 4,4-5)

Anderswo
paxvobis über das Rosenkranzfest

Christenclub

Auch wenn ich hier gelegentlich hart mit meiner Landesbischöfin ins Gericht gehe: Wo sie Recht hat, hat sie Recht. So konterte sie jetzt das Diktum des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, die EU müsse die Türkei aufnehmen, wenn sie beweisen wolle, dass sie kein „Christenclub“ sei:

„Europa ist im positiven Sinn ein Christenclub. Vielleicht hat uns Ministerpräsident Erdogan ja mit diesem Begriff einen positiven Anstoß gegeben.“ [IDEA]

Mit Popkultur kennt sie sich aus.

„Insofern sollten wir vielleicht ein Plakat oder ein T-Shirt entwerfen mit der Aufschrift ‚Ich bin Mitglied im Christenclub‘. Ich würde es tragen“, so die Bischöfin. Der Geist von Europa sei geprägt von den Erfahrungen und Werten des christlichen Glaubens: „von Nächstenliebe, den Zehn Geboten, von Gleichheit und Freiheit.“ Diesen Geist gelte es zu erhalten, „nicht in Abschottung, aber mit Selbstbewußtsein“.

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Kardinal Graf von Galen

Die Seligsprechung des früheren Bischofs von Münster, Kardinal Clemens August von Galen, am Sonntag beschäftigt das Feuilleton schon seit einiger Zeit. Heute ein Interview mit dem Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf:

„DIE WELT: Welches Signal soll von der Seligsprechung ausgehen?

Wolf: Diese Frage zu beantworten ist nicht Sache des Historikers. Er hat offene Fragen an die Geschichte zu stellen. Nur soviel: Ein Seliger kann natürlich kein Heros sein. Nach katholischem Verständnis ist der Selige gerade nicht der perfekte Mensch ohne Fehl und Tadel. Bei Galen gibt es freilich einen entscheidenden Punkt, der heißt Zivilcourage. Galen hat sich überwunden und bei der Verletzung von Menschenrechten geredet. Wenn das die Botschaft der Seligsprechung ist – Christen fehlt oft Zivilcourage -, dann ist das eine gute Botschaft. Galen hat nicht geredet beim Thema Juden, das bleibt ein Mangel. Aber er hat geredet in der Frage der Euthanasie. Er denkt natürlich von den Werten her: Wo hat Politik ihre Mitte? Eine ganz aktuelle Diskussion. An diesem Punkt wächst Galen, der mittelmäßig begabte Prediger, über sich hinaus. Er kämpft auch gegen das durchaus katholische Obrigkeitsdenken. Wenn das die Botschaft ist, dann ist es eine gute Botschaft. Man macht den Seligen nicht kleiner, indem man seine Schattenseiten zur Kenntnis nimmt. Ein Seliger ist Mensch, und nicht Gott.“ [Die Welt via Perlentaucher]

Völlig überschätzt

Bevölkerungsforscher Herwig Birg – der demographisch interessierte Stammleser kennt ihn bereits – im Interview:

„DIE WELT: Niedrige Geburtenraten, die nicht zur Bestandserhaltung reichen, plagen fast alle Industriestaaten. Was war dafür ausschlaggebend? Die Pille oder der Kapitalismus?

Birg: Die Pille wird völlig überschätzt. Sie war nur Mittel, ein Ziel zu erreichen, das man ohnehin hatte – nämlich keine Kinder zu haben. Die Pille ist also nicht ursächlich, sondern bestenfalls verstärkend. Und der Kapitalismus? Der Ökonom Joseph Schumpeter sprach von der Selbstausbeutung des Kapitalismus in demographischer Hinsicht. Wenn der Wohlstand wächst, sinkt die Geburtenrate, weil in entwickelten Ländern wie Deutschland Kinder für die Eltern häufig einen Wohlstandsverlust bedeuten. Diese Selbstausbeutung nach innen ist inzwischen gepaart mit der demographischen Ausbeutung anderer Länder. Hier tritt ein neuer Kolonialismus zutage: Wir wollen die Besten importieren und profitieren von Menschen, die anderswo eine Lücke hinterlassen. Das ist desaströs.“ [Die Welt]

Herwig Birg: Die ausgefallene Generation. Was die Demographie über unsere Zukunft sagt. Verlag C.H. Beck, München, 158 Seiten, 16,90 Euro.

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Wo bleibt das Positive?

Hier! Der demographische Wandel mag ein Problem sein, aber die steigende Lebenserwartung eher nicht. Meint Thomas Fricke in der FTD:

„Wenn wir immer länger im Diesseits verweilen, hat das Land am Ende immer mehr Alte, die krank werden und teuer behandelt werden müssen. Sollte man meinen. Nur lassen neue Studien jetzt auf das Gegenteil schließen: auf erstaunlich mäßige Kosten und enormen Nutzen, den jedes gewonnene Lebensjahr bringt. Das könnte einen gewichtigen Teil deutscher Untergangsfantasien ad absurdum führen. Womöglich müssen wir zu unserem Glück ja viel mehr Geld für teure Medizin und erhöhte Lebenschancen ausgeben – nicht weniger.“

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Ende der Reformation

Anglikanische Traditionalisten planen die Rückkehr nach Rom. Primas John Hepworth hat den Auftrag erhalten, einen Plan dafür zu entwickeln.

„Es gibt keine trennenden Lehrunterschiede zwischen uns und Rom, die uns hindern würden, miteinander in voller Gemeinschaft zu stehen“, erklärte der anglikanische Erzbischof in einem Interview mit einer Tageszeitung.

„Die Zeit scheint für die ‘Traditionelle Anglikanische Gemeinschaft’ zu arbeiten. Wir könnten die 27. kirchliche Gruppe werden, die in Gemeinschaft mit Rom tritt – die erste, die von der Reformation berührt wurde.“

„Meine weite Hoffnung ist, das Ende der Reformation des 16. Jahrhunderts zu sehen“, erklärte der anglikanische Bischof. [kreuz.net]

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Anbetung

Welt-Korrespondent Paul Badde aus Anlass der Weltbischofssynode, mit der das Jahr der Eucharistie endet.

„Die katholische Kirche betet keine Heiligen an. Sie betet auch nicht Maria an, die von Katholiken und Orthodoxen in Ost und West seit dem Konzil von Ephesus im Jahr 431 als Gottesmutter verehrt wird. Sie betet aber tatsächlich dieses Stück Brot an, von dem nach der Lehre der katholischen Kirche geglaubt wird, dass es sich im Akt der Wandlung in jeder katholischen Messe bleibend in den Leib Christi verwandelt hat.

Große Denker und Heilige von Johannes vom Kreuz in Spanien bis zu Edith Stein in Deutschland hätten sich für diesen Glauben die Haut abziehen lassen. Offenkundig ist das aber nicht nur von anderen Konfessionen und Religionen, sondern auch von immer Katholiken kaum noch nach zu vollziehen. Dennoch bleibt es Herzstück des katholischen Glaubens.“ [kath.net]

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