Eine Woche Sedisvakanz

Seit einer Woche ist der Stuhl Petri vakant. Die Hälfte der vorgeschriebenen Zeit bis zum Konklave ist bereits verstrichen. Unter Umständen beginnt es, da nun alle wählenden Kardinäle in Rom anwesend sind, auch schon früher.

Am kommenden Montag wird genau ein Monat vergangen sein, seit Papst Benedikt XVI. die Welt mit der Ankündigung seines Amtsverzichts überrascht hat. Dieses Kapitel der Kirchengeschichte ist abgeschlossen. Ich muss sagen, dass ich damit inzwischen im Reinen bin.

Das Tagesgeschäft der Kirche geht weiter, auch ohne Papst. In Rom sind die Kardinäle gefordert, und ihre tägliche Arbeit hat etwas Beruhigendes. Einer von ihnen wird mit hoher Sicherheit bald Papst sein. Welcher das sein wird, ist eine spannende Frage.

Doch sorgen muss diese Frage niemanden. Inzwischen waren so viele Portraits über Kardinäle zu lesen, die mir gut geeignet erscheinen, dass ich mich auf den neuen Papst von Herzen freuen kann. Ich bin gespannt auf die Messe für den zu wählenden Papst, auf den feierlichen Einzug ins Konklave, die Bilder des kleinen Schornsteins auf der Sixtinischen Kapelle.

Schon bald wird weißer Rauch aufsteigen, die Glocken von St. Peter werden festlich läuten, das „Habemus Papam“ von der Mittelloggia ausgerufen. Wir werden den Namen des neuen Papstes hören, und auch, wie er sich künftig nennen wird. Dann wird er selbst hervortreten, eine erste Ansprache halten und den Segen Urbi et Orbi spenden.

Einige Tage darauf folgt die Krönungsmesse auf dem Petersplatz, die vermutlich mangels Tiara nicht so heißen wird. Und sogleich die Heilige Woche, die am Ostertag erneut mit dem Segen Urbi et Orbi aufwartet. Sollte der neue Papst dann nach Castel Gandolfo aufbrechen, wird er dort mit seinem Vorgänger zusammentreffen – ein weiteres historisches Ereignis.

Wir werden viele Bilder sehen, jede Menge Schlagzeilen lesen, viel dummes Geschwätz darunter. Doch auch die wichtigsten Worte der Menschheitsgeschichte:

Christus resurrexit!

28. Februar 2013, 20 Uhr

Warum beendete Papst Benedikt XVI. sein Pontifikat gerade um 20 Uhr? Wie über die Gründe des Amtsverzichts ist auch darüber viel gerätselt worden. Die offizielle Antwort seines Sprechers Federico Lombardi enthüllt nur eine mögliche Deutung dieser Entscheidung: Um 20 Uhr ende gewöhnlich der Arbeitstag des Papstes, so der Sprecher.

Formal betrachtet war gestern Ultimo, der Februar zuende, und so beendete der Papst sein Amtszeit wie einen zum Monatsende gekündigten Arbeitsvertrag mit dem Ablauf der täglichen Arbeitszeit. Resturlaub steht einem Papst offensichtlich nicht zu.

Doch Scherz beiseite. Wir kommen den Gründen näher, wenn wir an die Komplet denken, die in vielen Klöstern um 20 Uhr gebetet wird.

Nunc dimittis servum tuum Domine, * secundum verbum tuum in pace.
Quia viderunt oculi mei salutare tuum, * quod parasti ante faciem omnium populorum,
lumen ad revelationem gentium * et gloriam plebis tuae Israel.

„Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, * wie du gesagt hast, in Frieden scheiden.“ Das sind Worte, die das Amtsverständnis des nun emeritierten Papstes treffend beschreiben, gerade wie es sich in den letzten drei Wochen noch einmal deutlich gezeigt hat. Der Diener der Diener Gottes, der Knecht darf nun in Ruhe und Frieden scheiden und sein Amt zurücklegen in die Hände dessen, der es ihm anvertraut hatte.

Viel deutlicher lässt sich nicht zeigen, dass es um Dienst und Dienen geht, nicht um Macht. Auch wenn die Medien, deren Weltsicht nur die Machtperspektive kennt und die ihre eigene Macht mehr missbrauchen als sie zum Wohl der Gesellschaft einzusetzen, dies niemals verstehen werden.

In der Wahl der Uhrzeit liegt noch eine weitere Botschaft. Nach jüdischer Tradition beginnt mit Sonnenuntergang bereits der neue Tag. Das alte Brevier kannte diese Regel auch noch – dort begann täglich mit der Vesper, die bei Einbruch der Dunkelheit gebetet wird, der nächste liturgische Tag.

Dies hat sich in der ersten Vesper der Sonntage und Hochfeste noch erhalten, die somit liturgisch am Vorabend beginnen. Und auch die nachkonziliare Innovation der Vorabendmesse kann sich auf diesen alten Brauch berufen.

Eine gute Nacht wünschte der Papst am Ende seiner letzten öffentlichen Worte der in Castel Gandolfo versammelten Menge. Gut vorstellbar, wenn nicht wahrscheinlich, dass er anschließend die Vesper gebetet hat, seine letzte Hore als Papst, bevor dann um 20 Uhr die Tore der Residenz geschlossen wurden.

Um die gleiche Uhrzeit begann in der Nacht des Todes von Papst Johannes Paul II. die Messe, die an seinem Sterbebett zelebriert wurde. Er starb um 21.37 Uhr.

Das Pontifikat seines Nachfolgers endete gut eineinhalb Stunden früher. Und dennoch in höherem Alter und bei relativer Gesundheit, wenn auch nachlassenden Kräften.

Wie alles, was Papst Benedikt XVI. sagte und tat, hat auch die Wahl der Uhrzeit, zu der er sein Amt zurückgab, eine Bedeutung.