Jene Achsendrehung, die „Glauben“ heißt


Meister Francke, Schlafende Wachen (Detail der Auferstehung Christi)

Sobald wir uns selbst zum Maßstab nehmen: unser menschliches Dasein, wie es ist; die Welt, wie sie um uns besteht; die Weise, wie unser Denken und Fühlen vorsichgeht – und von dort aus Jesus Christus beurteilen, dann müssen wir den Auferstehungsglauben als ein Ereignis bestimmter religiöser Erschütterungen, als ein Erzeugnis anfangender Gemeindebildung, das heißt aber als Täuschung ansehen. Und dann ist es nur eine Frage der Konsequenz, wie schnell man ihn samt seinen Voraussetzungen und Folgerungen ausscheidet und ein „reines Christentum“ herauszuarbeiten sucht. Das freilich wird nicht viel mehr sein, als eine dünne Ethik und Frömmigkeit.

Oder aber es wird uns klar, was die Christusgestalt fordert, nämlich Glaube. Wir erkennen, daß sie nicht gekommen ist, um uns neue Erkenntnisse und Erfahrungen innerhalb der Welt zu bringen, sondern uns vom Bann der Welt zu befreien. Wir hören ihre Forderung und gehorchen ihr. Wir nehmen die Maßstäbe, von denen aus über Christus gedacht werden muß, von ihm selbst entgegen. Wir sind bereit, zu lernen, daß er nicht mit edleren oder innerlicheren Werten und Kräften die Welt weiterführt, sondern daß mit ihm das neue Dasein beginnt.

Wir vollziehen jene Achsendrehung, die eben „Glauben“ heißt und nach welcher nicht mehr von der Welt her über Christus nachgedacht wird, sondern von ihm her über alles sonst. Dann sagen wir nicht mehr: In der Welt gibt es kein Lebendigwerden eines Gestorbenen, also ist die Auferstehungsbotschaft ein Mythos – sondern: Christus ist auferstanden, also ist die Auferstehung möglich, und seine Auferstehung die Grundlage der wahren Welt.
Romano Guardini, Der Herr

Das Wort Gottes ist lebendiger Befehl

Romano Guardini schreibt in seinem Buch Der Herr, das ich immer zur Hand nehme, wenn das Evangelium schwierige Fragen aufwirft, zum Gleichnis vom Sämann (hier nach Mt 13, 1-23):

Das Wort Gottes ist lebendiger Befehl und bringt selbst die Möglichkeit, ihn zu erfüllen. Es kommt, und indem es kommt, schafft es die Stunde, die entscheidet. Wird es nicht aufgenommen, dann vergeht nicht nur seine Stunde, sondern es wirkt zum Verderben.

Man fühlt eine Scheu, so zu sprechen – hat man selbst die Stunde innegehalten? Aber der Text will ausgelegt werden; so wollen wir uns unter sein Gericht stellen; wissen, daß er auch uns gilt und Gott bitten, er möge langmütig sein.

Wenn das Wort keine Bereitschaft findet, und die Zeit vorüber ist, dann entschwindet es nicht nur den Ohren, sondern macht, daß sie nicht mehr hören können. Es geht nicht nur vom Herzen weg, sondern läßt das Herz hart werden. Dann richtet der Mensch sich in der Welt ein; wird vielleicht tüchtig und gescheit und edel und alles mögliche sonst, aber zugeschlossen gegen die Botschaft, die in Christus kommt.