Zisterzienserkloster Walkenried

Am Montag hatte ich Gelegenheit, das ehemalige Zisterzienserkloster Walkenried zu besuchen. Von der beeindruckenden Klosteranlage sind vor allem der Kreuzgang, das Klausurgebäude und die Ruine der Klosterkirche erhalten. Seit 2006 befindet sich im Kloster eine sehr sehenswerte Ausstellung, für die wir leider nicht genügend Zeit hatten. Das ist aber nicht schlimm, da wir von Zeit zu Zeit dort ganz in der Nähe Verwandte besuchen und also noch des Öfteren nach Walkenried kommen können.

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Bedauerlicherweise traten die letzten Mönche von Walkenried im Jahre 1546 zum Protestantismus über, was das Ende des Klosters als solches bedeutete. Schon 1525 zerstörten aufständische Bauern den Dachreiter der Klosterkirche. Das resultierende Loch im Kirchendach blieb, die Kirche wurde unbrauchbar und in der Folgezeit ab dem 17. Jahrhundert als Steinbruch benutzt. So ging Walkenried eine der größten Kirchen Norddeutschlands verloren – und damit eine echte Touristenattraktion.

Ganz zu schweigen von den geistlichen Verlusten, die allerdings wohl auch wirtschaftliche Gründe hatten. Denn schon Mitte des 14. Jahrhunderts begann der Niedergang des einst bedeutenden Klosters:

Das Walkenrieder Kerngeschäft Montanwesen stagnierte durch die Krise im Harzer Bergbau. Zudem geriet die Agrarwirtschaft durch Pest und ökologische Probleme in eine Krise. 1509 war der Klosterkonvent auf das kanonische Minimum von 12 Mönchen und einem Abt geschrumpft.

Mit der gleichen Zahl hatte 1129 die Geschichte der Walkenrieder Abtei begonnen. Im Kapitelsaal, der nach der Zerstörung des Dachreiters zur Kapelle umgebaut und ab 1570 als solche genutzt wurde, hält bis heute die evangelische Gemeinde Walkenried ihre Gottesdienste ab.

In seiner Zeit als Mönch soll übrigens Martin Luther die damals noch intakte Walkenrieder Klosterkirche besucht und erklärte haben, es werde die Zeit kommen, in der in diesem herrlichen Bau die Wölfe Junge hecken werden. Einer Sage zufolge wäre der Reformator bei seinem Besuch in dem noch dezidiert katholischen Kloster beinahe durch eine Falltür vom Schlafhaus der Mönche in einen bis heute erhaltenen Schacht gefallen, in die „Lutherfalle“, doch nur ein Hündchen fiel herunter und rettete so den Reformator.

Abtei Mariawald kurz nach der Wende

Seit zwei Tagen bin ich nun in Mariawald, zwei Nächte werden noch folgen. Es ist mein dritter Gastaufenthalt in einem Kloster, nach den beiden Benediktinerabteien Gerleve (2007) und Meschede (2009) nun also Trappisten. Bei denen ist alles etwas zisterziensisch-schlichter als bei den Benediktinern.

Es fängt beim Äußeren an. So hat die Abteikirche nur einen kleinen Dachreiter mit zwei Glocken, die per Hand und Seil aus dem Chorraum geläutet werden. Mariawald ist zwar eine große Klosteranlage, aber mit elf Mönchen nur eine sehr kleine Abtei, insbesondere im Vergleich zu Gerleve und Meschede. Das Chorgebet wird inzwischen fast vollständig im überlieferten zisterziensischen Ritus gesungen, nur die Vigilien (um 3.15 Uhr!) werden derzeit noch nach dem deutschen Mariawalder Psalter gefeiert.*

Allerdings tragen das Chorgebet in diesen Tagen im Wesentlichen nur vier Mönche, was keinen sehr mächtigen und prachtvollen Gesang ergibt, sondern eher ein stilles, inniges und zurückhaltendes Chorgebet. Ich brauchte etwas Zeit, mich einzuhören, doch inzwischen fühle ich mich darin schon fast zuhause. Zumal ich mit dem Breviarium Romanum ein eng verwandtes Stundengebet praktiziere.

Im Alltag fehlt mir die Zeit für ein vollständiges Breviergebet. So bleibt es meist bei Laudes und Vesper, an der Komplet arbeite ich noch. Umso mehr habe ich es mir aber angewöhnt, wenn ich denn mal im Kloster bin, dort möglichst keine Gebetszeit zu verpassen. Der Tag bekommt dadurch seinen ganz eigenen Rhythmus.

Mariawald ist nicht nur die einzige Trappistenabtei in Deutschland. Mariawald ist auch das erste und meines Wissens einzige Kloster hierzulande, dass sich entschieden hat, zur Liturgie und zur Observanz im Alten Usus zurückzukehren. Der junge Abt Josef Vollberg hat damit eine radikale Konsequenz aus dem Niedergang des Klosters und dem ausbleibenden Erfolg der nachkonziliaren Reformen gezogen.

Falls jemand einen großen Novizenansturm erwartet hatte, dann ist der bis jetzt ausgeblieben. Wie zu hören war, waren zwar schon eine Reihe Nachwuchskräfte im Kloster, von denen jedoch die wenigsten blieben. Mir scheint es aber für eine erste Bilanz noch reichlich früh, ist doch die Umstellung auf die tradierte Liturgie und Observanz nicht einmal abgeschlossen.

Der Nukleus für eine neue Blüte des Klosters ist ganz klar vorhanden. Mariawald hat jetzt ein einzigartiges Profil. Für neue Berufungen braucht es indes Zeit. Wie mit der Wiedereinbürgerung des Usus antiquior in der Universalkirche verhält es sich auch hier: Mit der überlieferten Liturgie steht nun eine kleine, aber wachsende Minderheit neben einer schrumpfenden Mehrheit.

Mittelfristig sind die Aussichten für wachsende Gruppen freilich besser als für schrumpfende. Schrumpfungsprozesse sind immer schmerzhaft und bergen die Gefahr einer Abwärtsdynamik, während Wachstumsprozesse eher mit positiver Dynamik und besserer Stimmung einhergehen. Beide Prozesse befeuern sich selbst, weshalb eine Schrumpfungsdynamik, einmal in Gang gekommen, nur schwer zu stoppen ist. Wachstum hingegen hat seine eigene Dynamik.

Mariawald ist ein denkbar starker Kontrast zu Meschede. Hier traditionelle Trappisten, dort moderne Benediktiner. Hier lateinische Liturgie im alten Usus, dort ein vorbildlich modernisiertes und entkerntes Stundengebet auf Deutsch. Hier eine 500 Jahre alte Klosteranlage, dort ein im vergangenen Jahrhundert erbautes Kloster mit einer in den sechziger Jahren errichteten Abteikirche.

Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich diese beiden Klöster in den kommenden Jahrzehnten fortentwickeln. Kann Meschede aus seiner Blütezeit in den achtziger Jahren genug Schwung und kritische Masse mitnehmen, um auch künftig zu bestehen? Wird Mariawald neuen Schwung bekommen und die kritische Masse aufbauen, die zum Überleben notwendig wäre? Zu wünschen wäre es beiden.

* Vgl. dazu auch Thomas sein Abendland (2008).