Eskalation

Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen.

Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden.

Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner.

Mt 18,15-17

No roman-catholic confession (except one)

Nach einer kurzen Odyssee hat Geronimo nun bei twoday eine Pilgerkneipe mit dem programmatisch nicht-lateinischen Namen Pilgrim’s Inn eröffnet. Dort ließ ich mich prompt in eine neuerliche Ökumenedebatte verwickeln. Doch lest selbst:

Es gibt keine römisch-katholische Konfession. Es gibt die protestantischen Confessiones wie die Confessio Augustana, die – da beißt die Maus keinen Faden ab – in Teilen häretisch sind. Heute müssten wir uns indes schon glücklich schätzen, wenn nominelle Protestanten sich wenigstens zu dem bekennen würden, was in diesen Konfessionen bekannt wurde.

Die römisch-katholische Kirche heißt so, weil ihr Patriarch der Bischof von Rom ist. Sie ist nicht „reduziert“. Genauso wenig sind es die orthodoxen Ostkirchen, ebenfalls Kirchen im vollen Wortsinn, aber getrennt von Rom. Ich schlage als Richtschnur die klassischen Glaubensbekenntnisse vor (und wenn es Zweifel gibt, wie sie zu verstehen sind, einen Blick in die einschlägige Kirchenväterliteratur).

Mir ist […] deshalb […] das „ökumenische“ Ziel nicht recht klar. Es wird nicht möglich sein, zugleich an häretischen Bekenntnissen (=Konfessionen) festzuhalten und die Einheit der Christen herzustellen. Man kann natürlich den Gehalt dieser Bekenntnisse auf dem Weg des Formelkompromisses fast beliebig verwässern, aber genau das [hat Geronimo] abgelehnt – wie ich finde, zu Recht.

In der letzten Ökumene-Vorlesung eines Semesters im Rom, so hörte ich vor einiger Zeit, stand ein Student auf und sagte dem Dozenten, dass er sich die Einheit nicht anders als Rückkehr nach Rom denken könne. Dieser Gedanke war das ganze Semester peinlichst vermieden worden – aber der Dozent musste dem Studenten Recht geben, obwohl er die ganze Zeit um den heißen Brei herumgeredet hatte.

Typologie des liturgischen Irrtums

Die folgende Typologie ist fiktiv, aber durchaus typisch für die Irrungen und Wirrungen heutiger Liturgie. Diesmal angeregt durch das Beispiel der im Deutschlandfunk übertragenen Messe aus der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum in Berlin. Zelebrant: Pater Tobias Zimmermann.

  1. Die Messe beginnt nicht im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, sondern mit einer mehr oder weniger frei formulierten Stand-up, in die das Kreuzzeichen nach Art eines running gag eingefügt wird.
  2. Vom Bußakt bleibt nur das Kyrie, mit dem der Herr begrüßt wird. Erbarmen? Versteht eh‘ kein Mensch, was das heißen soll.
  3. An Stelle des Tagesgebetes steht eine freie Variation über das liturgische Tagesthema, angereichert mit allem, worum wir schon immer mal bitten wollten. In der Schlussformel tritt an die Stelle des Herrschers der Schöpfer („der in der Einheit des Heiligen Geistes mit dir lebt und Leben schafft“).
  4. Die Fürbitten sind mühsam bis peinlich.
  5. Gabengebet: siehe Tagesgebet. Der Herr ist zugleich Bruder („durch Christus, unseren Bruder und Herrn“).
  6. Das Hochgebet verschlimmbessert der Zelebrant durch Erweiterungen, Ergänzungen oder Straffungen. Die Schlussdoxologie spricht er gemeinsam mit der Gemeinde.
  7. Voller Emphase lädt er zum Vater unser ein. Der Embolismus entfällt, der Priester geht sofort zu einem erweiterten, ergänzten oder gestrafften Friedensgebet über. Spätestens jetzt übernimmt der Moderator die Rolle des Gastgebers beim Mahle. Beim Friedensgruß grüßt möglichst jeder jeden, und ein guter Gastgeber grüßt möglichst viele seiner Gäste persönlich per Handschlag.
  8. Nach dem Agnus Dei zeigt der Gastgeber Christus, das gebrochene Brot, und den Kelch mit Wein, etwas verschämt auch Lamm Gottes genannt. Wenigstens einigen seiner Gäste reicht er als Zeichen des Respekts und der Höflichkeit das eucharistische Brot zuerst, bevor er selbst den Herrn empfängt. Könnte deutlicher zum Ausdruck kommen, dass der Priester an Christi Statt handelt und nicht Empfangender, sondern Geber ist?
  9. Schlussgebet: siehe Gabengebet.
  10. Vor dem Schlusssegen dankt der Gastgeber allen Mitwirkenden und wünscht in einer Art Responsorium einen schönen Sonntag, worauf die Gemeinde antwortet: Danke, gleichfalls! In einer Überleitung betont er dann, dass er um den Segen bittet.
  11. Dennoch erteilt er anschließend den Schlusssegen, wenn auch mit einer variierten Formel, die den Kreis der Gesegneten (nach dem Vorbild von urbi et orbi?) weit über den Kreis der Anwesenden hinaus erweitert („alle, für die wir gebetet haben“, „alle, für die wir Sorge tragen“).
  12. Darauf folgt die Entlassung: Lasst uns gehen in Frieden.

Deo gratias.

Taufe des Herrn

Nur zwei Wochen nach Weihnachten endet heute der Weihnachtsfestkreis mit dem Fest der Taufe des Herrn. Die Liturgiereform hat, indem sie ihn auf maximal sechs Wochen beschränkte, die Proportionen dieser besonderen Zeit im Kirchenjahr schwer beschädigt.

Auf vier Wochen Vorbereitung auf die Ankunft des Herrn folgen nur zwei Festwochen, eindeutig zu wenig. Im nächsten Jahr sieht es kaum besser aus: Dann wird die Adventszeit auf drei Wochen und einen Sonntag verkürzt, die Weihnachtszeit auf nur 13 Tage.

Im Brauchtum haben sich noch Reste eines Sinnes für Proportionen erhalten. Deshalb bleiben in vielen Kirchen, so auch meiner Bischofskirche, Krippen und Weihnachtsbäume noch bis zum 2. Februar stehen, dem traditionellen Ende der Weihnachtszeit.

Als Jesus getauft war, öffnete sich der Himmel,
und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen.
Und die Stimme des Vaters aus dem Himmel sprach:
Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen habe.
Eröffnungsvers der Messe

Wie reagieren Sie?

Anmoderation eines Deutschlandfunk-Interviews heute morgen:

Jochen Spengler: In Baden-Württemberg werden seit Jahresbeginn Menschen muslimischen Glaubens, die in die Bundesrepublik eingebürgert werden wollen, mithilfe eines umstrittenen Fragebogens auf ihre Einstellung zur Verfassung hin überprüft. Gefragt wird unter anderem nach der Einstellung zur Homosexualität. Gegen diesen Gesinnungstest gibt es massive Proteste, nicht nur vom Zentralrat der Muslime in Deutschland. Doch das Stuttgarter Innenministerium will daran festhalten.

Und am Telefon begrüße ich nun den Justizminister des Landes Baden-Württemberg, den FDP-Politiker Ulrich Goll. Ihren Landesparteitag haben Sie gestern und vorgestern hinter sich gebracht, heute trifft sich die Bundes-FDP in Stuttgart zu ihrem traditionellen Dreikönigstreffen, dem einhundertvierzigsten – darüber wollen wir gleich sprechen. Gestatten Sie vorher einige Fragen, die ich dem Gesprächsleitfaden entnehme, den – wir haben es eben gehört – die Einbürgerungsbehörden gegenüber einbürgerungswilligen Muslimen anwenden.

Es ist die Frage Nummer 29, die lautet, ich zitiere: „Stellen Sie sich vor, Ihr volljähriger Sohn kommt zu Ihnen und erklärt, er sei homosexuell und möchte gerne mit einem anderen Mann zusammenleben. Wie reagieren Sie?“, Zitatende. Frage an Sie, Herr Goll, muss man da jetzt als vorbildlicher Deutscher sagen: Ich finde das super, dass mein Sohn homosexuell ist? Und verwirkt man den Einbürgerungsanspruch, wenn man sich nicht begeistert zeigt? Oder wie ist das zu verstehen?