Synodales Hotel

Ein ästhetischer Genuss ist die heute begonnene 4. Tagung der 10. Synode der EKD ja nicht gerade. In der Tagesschau war das grauenhafte Tagungshotel in voller Pracht zu sehen. Verfügt die EKD in Berlin über keine schöneren Säle, die 120 Synodale fassen würden? Sie sind doch wahre Asketen, die Jungs und Mädels von der protestantischen Fraktion.

Verlangen nach der Weisheit

Wer nach der Weisheit verlangt, wird sie erkennen. Wer ihretwegen wacht und an sie denkt, dem kommt sie entgegen.
Magnificat-Antiphon der Ersten Vesper vom 32. Sonntag im Jahreskreis

Karl Borromäus

Karl Borromäus, nach dem hl. Ambrosius der zweite große Bischof von Mailand, ist eine bedeutende Gestalt der Gegenreformation im 16. Jahrhundert. Als Sohn des Grafen Gilberto Borromeo und der Patrizierin Margherita Medici wurde er 1538 in der Burg Arona am Lago Maggiore geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Pavia wurde er Sekretär seines Onkels, des Papstes Pius IV. Medici. 1560 wurde er Kardinaldiakon und Administrator des Erzbistums Mailand. Die Priester- und die Bischofsweihe empfing er 1563. Er war ein Mann der unermüdlichen Arbeit und des Gebets, der sich vom Glanz seiner Karriere nicht blenden ließ. Seine Briefe füllen hundert Bände der Ambrosianischen Bibliothek. Der Abschluss des Konzils von Trient war zum guten Teil sein Verdienst. Von 1566 an ging er daran, in seiner Diözese die Konzilsbeschlüsse durchzuführen. Durch Synoden, Visitationen und Gründung von Seminaren reformierte er den Klerus und die Seelsorge; er stellte Missbräuche ab, sorgte für die Armen und Kranken, besonders im Pestjahr 1576. Im Oktober 1584 hielt er in Monte Varallo seine jährlichen Einkehrtage. Als er nach Mailand zurückkehrte, stellten die Ärzte fest, dass seine Kräfte völlig verbraucht waren. Er starb mit 46 Jahren am 3. November 1584. [Schott]

Das Hirtenamt

Auf Wunsch des jungen Kardinals Borromeo schrieb der Erzbischof von Braga (in Portugal) ein Büchlein über die Pflichten des Bischofs. Darin steht: „Du beklagst dich, das Hirtenamt sei ein Hindernis deiner Frömmigkeit? Es ist in Wirklichkeit nichts anderes als die ständige Übung der höchsten Tugenden: der Liebe, der Gerechtigkeit und des Erbarmens.“ – Das ließ sich Karl Borromeo gesagt sein.

Herr und Gott,
erhalte in deiner Kirche den Geist,
von dem der heilige Karl Borromäus erfüllt war,
und gib ihr die Bereitschaft,
sich ständig zu erneuern.
Gestalte sie nach dem Bild deines Sohnes Jesus Christus,
damit die Welt ihn erkennen kann,
unseren Herrn und Gott,
der in der Einheit des Heiligen Geistes
mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.
Tagesgebet

Mit historischem Blick

„Martin Otto setzt [in der FAZ, 1,50 EUR] mit historischem Blick die Diskussion um den ökumenischen Theologen Klaus Berger fort“, meldet heute der Perlentaucher.

Und in der SZ rät [nur für E-Paper-Abonnenten] Martin Ohst, evangelischer Theologieprofessor in Wuppertal, dem „wegen seines evangelischen Anscheins und katholischen Herzens umstrittenen Kollegen“ (Perlentaucher), sich alle „Wehleidigkeit zu verkneifen“ (Ohst). Schließlich habe er die evangelische Kirche für seine Karriere benutzt.

Sterbenskrankes Gemeinwesen

„Platzeck hat es beschrieben: Er sehe die einerseits von Selbstgerechtigkeit, andererseits von Hysterie durchsäuerte Wirklichkeit des Westens illusionslos, ohne andererseits vergessen zu haben, was es heiße, ‚Bürger in einem tatsächlich sterbenskranken Gemeinwesen zu sein‘. Das könnte auch von Angela Merkel stammen.“ [FAZ]

Männer mit Schmerbauch

„Es hat schon Wirkung gezeigt, dass man Fleiß und Ordnung als Kategorien der freudschen Triebunterdrückung abtat und die Familie als kleinbürgerliche Zwangsanstalt darstellte. Die Menschen haben wirklich irgendwann geglaubt, dass man unbedingt sexuelle Freizügigkeit leben muss, auch über die Grenzen der Institution Ehe hinweg, und dann sind die Ehen natürlich vermehrt zerbrochen. Anstelle der aktiven Kleinbürger, die man einst als zwanghaft und eng wahrgenommen hat, begegnen einem heute vermehrt Männer mit Schmerbauch und Frauen im Trainingsanzug, mit weniger Selbstvertrauen und Sinn für soziale Formen. Ich habe 30 Jahre in Duisburg gelebt, mir tut das weh. Da ist aus einem gesellschaftskritischen Impuls etwas entstanden, was am Ende zu sozialer Benachteiligung geführt hat.“ [Udo Di Fabio im Zeit-Interview]

Mittelalterlich

An der Blogozese ist der jüngste Spiegel-Titel [1 EUR] bislang spurlos vorbeigegangen. Dabei ist „Mythos Mittelalter“ wirklich gruselig. Ein Zerrbild vom Feinsten. Auszüge:

Roh tritt uns der Homo sapiens jener Zeit entgegen. Fühlte er sich überhaupt schon als Individuum im heutigen Sinne? Spiegel besaß damals kaum jemand. Kein Maler war in der Lage, ein wirklichkeitsgetreues Porträt zu entwerfen. Und wo heute alle „ich“ schreien, ertönte das Lob auf den Christengott. Es ist der Herr und barmherzige himmlische Vater, der aus jeder Pore des auf Totalität gerichteten mittelalterlichen Glaubens atmete. Buße und Sühne bestimmten den Alltag. Ständig wurde gekniet, gebeichtet, gesühnt.

Nur wer ohne Todsünde sei, so lehrten die Dogmen der Kirche, werde dereinst am Tag des Jüngsten Gerichts aus den Gräbern auferstehen zum ewigen Heil. Der Rest müsse in der Verdammnis schmoren.

Voller Aberglaube und Angstgespinste steckten die Seelen der Vorfahren. Ihr Innenleben glich den Bildern von Hieronymus Bosch, gefüllt mit Fratzen, Dämonen und dem „Höllenfürsten“ Satan.

Gleichwohl erschufen die Menschen ihrem so ungnädigen Herrn geradezu tollkühne Gotteshäuser. Bauten mit Streben, Rosetten und schlanken Steinpfeilern wuchsen in der Gotik wie gegen das Naturgesetz in den Himmel. Köln, Straßburg, Ulm – vieles war so herrlich angelegt, dass es nie richtig fertig wurde.

Heute indes sind die alten Fetische des Glaubens längst verstaubt. Der Mantel Christi hängt in Trier, seine Dornenkrone in Paris – es sind Touristenattraktionen. Und die Kirchen sind leer.

Zurück bleibt die Suche nach Substanz, nach Lebenssinn und wahrer Existenz. „Unser Leben ist ein Geschäft, das damalige war ein Dasein“, klagte bereits vor hundert Jahren der Historiker Jacob Burckhardt. Der Philosoph Georg Lukács erklärte die Bewohner der Neuzeit zu Bettlern, sie seien geistig „obdachlos“.

Frischgestrickte Neokonservative lassen sich von der Sittenstrenge des Mittelalters gern begeistern. Könnte die CDU, so ihre Forderung, nicht wieder ein bisschen mehr auf Werte achten? Etwas mehr Hosianna, Zukunftsglaube und Kindersegen statt der verlotterten Spaßkultur? Auch der Schriftsteller Botho Strauß verriet sich als Anhänger des frommen Vorgestern. „Ohne Transzendenz“, sorgt er sich, „gibt es keine Moral.“

Doch im Ernst: Die Posaune Gottes, sie schallt nicht mehr. Der Schöpfer ist tot und eine Verklärung der Epoche nicht angebracht. Unter Androhung der Hölle betrieb die Kirche die Disziplinierung der Massen. Wer widersprach, bekam schnell heiße Füße. […]

Eingelullt wurde das Volk dabei von Kirchenglocken. Überall erscholl das Hosianna, Mönche liefen umher.

Es sind die unbeweibten Diener des Stuhls Petri, die etwa um das Jahr 1000 zu Hochform aufliefen. In Deutschland erfolgte eine erste Welle von Klostergründungen.

Harte Arbeit scheuten aber auch die Mönche nicht. Mit Hacken und Beilen zogen die Männer, die seit der Reform von Cluny im Jahr 910 Kapuzen und schlichte Kutten trugen, in die Wildnis und machten das Land urbar. Auf dem Gebiet des heutigen Deutschland lebten unter vier Millionen Einwohner.

„Müßiggang ist der Feind der Seele“ lautet eine Ordensregel der Benediktiner. Steineschleppen und Waldroden galt ihnen als Akt der Nächstenliebe. Um 4.15 Uhr hielten sie das erste Morgengebet („Matutin“). Dann begann das Tagwerk. Der Begriff „mühselig“ – der Klerus hat ihn erfunden.

Besonders geschickt waren die Zisterzienser. Sie verstanden sich auf Wasserkraft, betrieben Getreidemühlen und Erzminen. Im Kloster Altzella, einer Ruine in Sachsen, leiteten die Brüder einen Fluss um und betrieben so die schweren Holzkeulen ihrer Walkmaschinen, wie eine neue Grabung beweist.

Freitags aßen die frommen Griesgrame Fisch, ansonsten zogen sie Bohnen und Kräuter. Und sie betrieben Seelsorge und Krankenpflege.

An sozialen Veränderungen war aber auch der Klerus nicht interessiert. „Ordnung ist die Verteilung gleicher und ungleicher Dinge“, heißt es bei Franz von Assisi. Selbst dem Bettler war „im Hause Gottes“ sein natürlicher Platz zugewiesen. Die Neidkultur war noch nicht erfunden. […]

Es ist der vielgescholtene Klerus, der mit seinem Begriff der menschlichen „Würde“ und der Einzigartigkeit des Individuums vor Gott die Rohheiten des Heidentums zumindest gedanklich aufsprengte.

Unterm Kreuz Christi entstand ein völlig neues, auf Affektstau und Veredelung zielendes Menschenbild. Die Kirche untersagte nicht nur schrittweise das Schmatzen und Furzen, sondern zwang auch zur Einübung von Fleiß, Ordnung, Sauberkeit – alles zivilisationserhaltende Eigenschaften, die womöglich den Totalkollaps verhinderten.

Vor allem ging es den Popen dabei um die Fesselung des Eros. „Geschaffen ist der Mensch aus ekelerregendem Samen“, hämmerte Papst Innozenz III. um 1200 seinen Mitmenschen ein, „empfangen ist er in der Geilheit des Fleisches, in der Glut der Wollust.“

Moderne Romanautoren blenden solche Texte aus. Sie verwandeln das finstere Jahrtausend gern in ein Boudoir ungezügelter Lüste, gefüllt mit deftigem Sex und schweinischen Mönchen.

Genussvoll beschreibt Iny Lorentz in ihrem Bestseller „Die Wanderhure“ (über 500 000-mal verkauft), wie Dirnen rohen Landsknechten am Gemächt fingern. Und Ken Follett lässt in den „Säulen der Erde“ die Jungfernhäutchen reißen.

Doch in Wahrheit stöhnte das Mittelalter im Würgegriff schwarzberockter Spaßbremsen, die dem großen Mitraträger im Vatikan gehorchten. Und der konnte Sex nicht leiden.

Auch der Ort, an dem die große Anti-Lust-Kampagne ersonnen wurde, lässt sich benennen. Es war der Monte Cassino, eine windige Anhöhe zwischen Rom und Neapel, auf der im 6. Jahrhundert ein hagerer Abt lebte, geboren in Umbrien, umgeben von Schülern. Gemeint ist Benedikt (480 bis 547), der Begründer des abendländischen Mönchtums.

Hochmut, Völlerei, Lachen – all das verabscheute der Gottesmann, mehr noch die „böse Begierde“. Benedikt war überzeugt: „Der Tod steht an der Schwelle der Lust.“

Am liebsten nahm er die Bibel zur Hand und blätterte beim Apostel Paulus. Bereits dieses „Genie im Hass“, wie Friedrich Nietzsche ihn nannte, hatte den Leib zum Sitz der Sünde erklärt. Im Körper sei überhaupt nichts Gutes, der Christ müsse ihn „martern und knechten“.

Diese Idee trieb bald böse Blüten. Mönche quetschten sich zur Bewahrung der Keuschheit Ringe um den Penis. Andere banden sich Gewichte ans Glied. Kirchenvater Origenes soll sich selbst entmannt haben, ob mit Schwert oder glühendem Eisen, ist nicht überliefert.

Genüsslich hat der Kirchenkritiker Karlheinz Deschner mehrere Bücher mit der Schilderung klerikalen Selbsthasses gefüllt.

Mönche aßen Gras, sie tobten, standen Kopf, quälten sich mit Schlafentzug oder hungerten bis zum Delirium. Manche Eremiten redeten nur sonntags, manche gar nicht. „Der Geist des Herrn jedoch will, dass das Fleisch abgetötet und verachtet, gering geschätzt und schimpflich behandelt werde“, so Franz von Assisi.

„Mitunter kam es zu förmlichen Kasteiungswettkämpfen“, lästert Deschner. „Jede Seite suchte Rekorde aufzustellen und zu brechen, wollte die längsten Faster, die besten Beter und Kniebeuger haben, die beständigsten Schweiger und Tränenvergießer.“

Den Weltrekord im Stehen errang der Mönch Symeon aus Syrien. Der „Säulenheilige“ stand über 30 Jahre bei Wind und Wetter auf einer Kolumne, machte Kniebeugen und schlief dort auch.

Solche Qual-Demos taten dem Zulauf der Klöster keinen Abbruch. Mit der Gotik setzte um 1200 die große Zeit der Mönchsorden ein. In schneller Folge gründeten sich neue Konvente. Ihre Chefs gingen mit gutem Askesebeispiel voran:

* Franz von Assisi, Gründer des Franziskaner-Ordens, ließ seinen Körper verkommen;

* Dominikus, Stifter der Dominikaner, peitschte sich bis zur Bewusstlosigkeit;

* Bernhard von Clairvaux, Führer der Zisterzienser, stank vor lauter Fasten „der Odem so übel, dass niemand um ihn bleiben mochte“, wie Luther berichtet.

Klar, Luther war ja auch dabei…

Biografisch verbogene Ökumene

„Robert Leicht fordert den Theologen Klaus Berger auf, endlich Klarheit in seine ‚biografisch verbogene Ökumene‘ zu bringen“, berichtet heute der Perlentaucher. Klarheit und Wahrheit sind in jedem Fall, nicht nur der Causa Berger, wünschenswert.

Ich wüsste indes nur noch eine einzige offene Frage: Wann kehrt Berger in die volle Gemeinschaft mit der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche zurück? Auf die Antwort werden wir wohl mindestens bis zu seiner Pensionierung warten müssen. Oder bis zu seinem Requiem.

Der ursprüngliche Leicht-Artikel ist übrigens inzwischen online, der neue (noch) nicht.