Christus, die offenbare Wahrheit

Drei Punkte sind es, die sich in den zum Teil erhitzten Debatten der letzten Wochen als strittig gezeigt haben:

  1. Gibt es eine Wahrheit und können wir sie erkennen? Oder können wir uns ihr nur annähern – mit der Konsequenz, dass sich auch von widersprüchlichen Aussagen nicht sagen lässt, welche wahr und welche falsch ist?
  2. Wie bestimmt sich das Verhältnis von Schrift und Tradition?
  3. Und was hat die Kirche damit zu tun? Wozu brauchen wir sie überhaupt?

Alle drei Fragen hängen eng miteinander zusammen. Ich glaube nicht nur, dass es eine Wahrheit gibt, die zugleich Weg und Leben ist (Joh 14,16), sondern auch, dass diese Wahrheit sich selbst uns Menschen offenbart hat. Sie hat sich uns gezeigt (und zeigt sich uns noch). Im Unterschied zur Wissenschaft, wo wir uns daran gewöhnt haben, dass alles vermeintliche Wissen nur hypothetisch ist und darauf wartet, durch neue Erkenntnisse widerlegt zu werden, handeln wir hier von einer offenbaren Wahrheit (Christus), die aus eigenem Antrieb auf uns Menschen zugegangen ist, und von einem Wort (Joh 1,1), das wir gehört haben.

Wie kommt die Wahrheit zu uns? Sie muss uns gesagt werden, wir müssen sie hören, wir können sie nicht von alleine finden. Von wem wird sie uns gesagt? Von den Aposteln, die sie selbst empfangen und überliefert haben (1 Kor 15,3), und ihren Nachfolgern. Der Gedanke der Nachfolge ist im Begriff der Überlieferung bereits enthalten. Die Überlieferung (=Tradition) der Wahrheit ist ein höchst aktiver Vorgang. Ihr Zweck und Ziel ist nicht, ein Bündel toter Glaubenssätze zu übermitteln, sondern einen lebendigen Glauben im Heiligen Geist – unter dessen Mitwirkung aus der Überlieferung heraus die Heilige Schrift entstand.

Diese drei Elemente (Geist, Überlieferung und Schrift, alle drei heilig genannt) lassen sich nicht voneinander trennen: Ohne Heiligen Geist ist die Überlieferung tot und bleibt die Schrift unverstanden; ohne Heilige Überlieferung wird der Geist zum leiblosen, flatterhaften Wesen und die Schrift zum toten Buch; ohne Heilige Schrift verliert die Überlieferung ihr Maß und der Geist sein Kind.

Insofern ist es falsch, die Schrift von der Traditition zu trennen (sola scriptura) oder die Gewichte so zu Lasten der Tradition zu verschieben, dass sie auf eine dienende Rolle unterhalb der Schrift reduziert wird. Eher dient die Schrift der Tradition als umgekehrt!

Die Kirche beruht auf allen drei Elementen (Geist, Überlieferung, Schrift). Sie ist am Pfingsttag durch den Heiligen Geist entstanden; sie überliefert im Heiligen Geist die Wahrheit (Christus), die sie selbst empfangen hat; sie hat die Schrift kanonisiert und legt sie im Heiligen Geist aus. Ihre Mittel sind die Sakramente, sie lebt von Leib und Blut Christi, und sie ist selbst ein Sakrament (Leib Christi). Christus selbst baut die Kirche (Mt 16,18), er selbst sendet den Geist der Wahrheit (Joh 15,16). Deshalb ist die Kirche der Wahrheit (Christus) verpflichtet.

Nur daraus erklärt sich auch die Unfehlbarkeit der Kirche: Denn könnte die Kirche sich in der Überlieferung der Wahrheit irren, dann hätten wir tatsächlich keine Möglichkeit, die Wahrheit zu kennen. Dann aber wäre die Offenbarung gescheitert. Die Wahrheit hätte sich uns Menschen zwar gezeigt, aber wir Menschen hätten sie (entgegen der Zusicherung in Mt 28,20) wieder verloren. In dem Falle allerdings wäre das Christentum hinfällig, denn was braucht uns eine Wahrheit zu kümmern, die sich uns nicht offenbart?

Es lässt sich also durchaus sagen, dass falsch ist, was im Gegensatz zur Wahrheit steht. Es muss sogar gesagt werden, wenn wir uns nicht selbst den Boden wegziehen wollen, auf dem wir stehen. Nicht anders haben es die großen Konzilien gehalten, wenn sie erkannte Irrlehren auch als solche bezeichnet und damit verworfen haben.

Hocus-Pocus

„I find it very difficult to take some of the Protestant propositions even seriously. What is any man who has been in the real outer world, for instance, to make of the everlasting cry that Catholic traditions are condemned by the Bible? It indicates a jumble of topsy-turvy tests and tail-foremost arguments, of which I never could at any time see the sense. The ordinary sensible sceptic or pagan is standing in the street (in the supreme character of the man in the street) and he sees a procession go by of the priests of some strange cult, carrying their object of worship under a canopy, some of them wearing high head-dresses and carrying symbolical staffs, others carrying scrolls and sacred records, others carrying sacred images and lighted candles before them, others sacred relics in caskets or cases, and so on. I can understand the spectator saying, ‚This is all hocus-pocus‘; I can even understand him, in moments of irritation, breaking up the procession, throwing down the images, tearing up the scrolls, dancing on the priests and anything else that might express that general view. I can understand his saying, ‚Your croziers are bosh, your candles are bosh, your statues and scrolls and relics and all the rest of it are bosh.‘ But in what conceivable frame of mind does he rush in to select one particular scroll of the scriptures of this one particular group (a scroll which had always belonged to them and been a part of their hocus-pocus, if it was hocus-pocus); why in the world should the man in the street say that one particular scroll was not bosh, but was the one and only truth by which all the other things were to be condemned? Why should it not be as superstitious to worship the scrolls as the statues, of that one particular procession? Why should it not be as reasonable to preserve the statues as the scrolls, by the tenets of that particular creed? To say to the priests, ‚Your statues and scrolls are condemned by our common sense,‘ is sensible. To say, ‚Your statues are condemned by your scrolls, and we are going to worship one part of your procession and wreck the rest,‘ is not sensible from any standpoint, least of all that of the man in the street.“

G. K. Chesterton, zitiert vom Pontificator

Bekenntnis

„Mein Blog ist für mich ein bisschen wie ein Zuchtmittel oder eine gerade Linie: es hält mich am Thema, lässt mich immer wieder neu meine Gedanken und meine Überzeugungen neu formulieren. Dazu braucht es allerdings Material; das gewinne ich mir als jemand, der gerne und viel liest, oft aus Büchern und Artikel, aus Diskussionsforen insgesamt eigentlich selten, gelegentlich kommt es aber doch vor. Dass ich in dem konkreten Fall eine Diskussion in diesem einen Forum reflektiere, ist sicherlich auch darin begründet, dass mein Ausstieg daraus erst einige Tage alt ist; ganz bin ich also sicherlich noch nicht gelöst. Wobei mein Ausstieg sich nicht auf dieses eine Forum beschränkt, ich habe mich auch andernorts (mykath) abgemeldet.

Mein Blog ist nun sicherlich kein Ersatz für solche Diskussionsforen, nicht für mich, und sicherlich nicht für andere. Tatsächlich hatte ich auch schon erwogen es offline zu nehmen; denken kann ich auch, wenn keiner meine Gedanken liest; neben allerlei menschlicher Schwäche, die für das online-Dasein meiner Linie spricht, spricht noch etwas anderes dafür: es hat für mich zwar keinen Diskussions-, dafür aber Bekenntnischarakter. Ich schreibe über Dinge, zu denen ich mich bekenne. Aus diesem Grunde habe ich auch ein Impressum in mein Blog eingefügt; ein Bekenntnis ohne Kenntnis der Person, die es ablegt, erschiene mir leer. Mein Blog ist, wenn Du so willst, passend zum Fest des gestrigen Tages meine ganz persönliche Fronleichnamsprozession. Ich trage meinen Glauben unter den Himmel des Blogmos. Ich bekenne ihn. Ihn zu diskutieren hat für mich seinen Reiz weitgehend verloren. Ich diskutiere schließlich auch nicht mit anderen über die Liebe zu meiner Frau.“

Erich über sein Blog

Bush

Wir alten Europäer geben uns gern Illusionen über die USA hin. Wir verstehen nicht, warum ein George W. Bush zum Präsidenten gewählt und vier Jahre später wiedergewählt wird. Sehr aufschlussreich ist, was dazu der ehemalige ARD-Korrespondent und heutige ZDF-Moderator Claus Kleber zu sagen hat. Aus einer Rezension im Deutschlandfunk:

„Bush stützt sich auf die religiöse Mitte seines Landes. Eine gute Ausgangsbasis, da 80 Prozent der Amerikaner bekennen, an Gott zu glauben, und mehr als 60 Prozent sogar erklären, dass Religion in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielt – vier Mal so viel wie in Deutschland. Kleber schreibt dazu:

Diese Zahlen zeigen so deutlich wie die Messgeräte texanischer Ölprospektoren, wo Schätze zu holen sind: Durch das kulturelle Fundament Amerikas zieht sich eine Goldmine, eine Art soziales Edelmetall, das auf die Säuren und Laugen täglicher Nachrichten und Sachdebatten nicht reagiert. Seine Lagerstätten sind am stärksten dort, wo religiöse Werte tief verwurzelt sind.

Bush junior hob das Gold in den Herzen. Der bekennende Evangelikale fand nach Alkoholexzessen und Misserfolgen erst spät auf den rechten Pfad zurück. Mit seiner tief empfundenen Religiosität spricht er die ’neue moralische Mehrheit‘ an. Und die besteht keinesfalls nur aus ungebildeten, rechten Eiferern, wie Kleber betont.

Diese Mitte ist viel religiöser, viel konservativer, als wir uns das von Amerika vorgestellt haben. Amerika war für uns ja immer ein Land der Moderne, und säkular, postreligiös zu sein, ist Teil der Moderne – nicht in Amerika. Amerikaner sind der Ansicht, dass man sehr wohl Hightech und moderne Formen von Business finance verbinden kann mit ganz altmodischen und fraglosen Wertordnungen, und daher kommt Bush.“

Claus Kleber: Amerikas Kreuzzüge. Was die Weltmacht treibt. Verlag C. Bertelsmann, 288 Seiten, 19,90 EUR.

Modern Mood

„The Catholic Church is the only thing which saves a man from the degrading slavery of being a child of his age. […] We do not really want a religion that is right where we are right. What we want is a religion that is right where we are wrong. In these current fashions it is not really a question of the religion allowing us liberty; but (at the best) of the liberty allowing us a religion. These people merely take the modern mood, with much in it that is amiable and much that is anarchical and much that is merely dull and obvious, and then require any creed to be cut down to fit that mood. But the mood would exist even without the creed. They say they want a religion to be social, when they would be social without any religion. They say they want a religion to be practical, when they would be practical without any religion. They say they want a religion acceptable to science, when they would accept the science even if they did not accept the religion. They say they want a religion like this because they are like this already. They say they want it, when they mean that they could do without it.“

G. K. Chesterton, zitiert vom Pontificator

Simply the Truth

„It is impossible to be just to the Catholic Church. The moment men cease to pull against it they feel a tug towards it. The moment they cease to shout it down they begin to listen to it with pleasure. The moment they try to be fair to it they begin to be fond of it. But when that affection has passed a certain point it begins to take on the tragic and menacing grandeur of a great love affair. The man has exactly the same sense of having committed or compromised himself; of having been in a sense entrapped, even if he is glad to be entrapped. But for a considerable time he is not so much glad as simply terrified.

It may be that this real psychological experience has been misunderstood by stupider people and is responsible for all that remains of the legend that Rome is a mere trap. But that legend misses the whole point of the psychology. It is not the Pope who has set the trap or the priests who have baited it. The whole point of the position is that the trap is simply the truth. The whole point is that the man himself has made his way towards the trap of truth, and not the trap that has run after the man. All steps except the last step he has taken eagerly on his own account, out of interest in the truth; and even the last step, or the last stage, only alarms him because it is so very true.

If I may refer once more to a personal experience, I may say that I for one was never less troubled by doubts than in the last phase, when I was troubled by fears. Before that final delay I had been detached and ready to regard all sorts of doctrines with an open mind. Since that delay has ended in decision, I have had all sorts of changes in mere mood; and I think I sympathise with doubts and difficulties more than I did before. But I had no doubts or difficulties just before. I had only fears; fears of something that had the finality and simplicity of suicide. But the more I thrust the thing into the back of my mind, the more certain I grew of what Thing it was. And by a paradox that does not frighten me now in the least, it may be that I shall never again have such absolute assurance that the thing is true as I had when I made my last effort to deny it.“

G. K. Chesterton, zitiert vom Pontificator

Sieg der Erkenntnis

Die Tagespost zitiert Joseph Card. Ratzinger (aus der Januarausgabe 2000 der italienischen Zeitschrift 30 Giorni):

„Im Christentum ist die Vernünftigkeit Religion geworden und ist nicht mehr ihr Gegner. Damit das geschehen konnte, damit sich das Christentum als Sieg der Entmythologisierung, als Sieg der Erkenntnis und so der Wahrheit verstehen konnte, musste es sich notwendig als universal betrachten und zu allen Völkern gebracht werden: Dies nicht als spezifische Religion, welche die anderen in einer Art von religiösem Imperialismus zurückdrängt, sondern als eine Wahrheit, die den Schein überflüssig macht. Und es ist gerade das, was in der weiten Toleranz der Polytheismen notwendig als untolerierbar, sogar als Feind der Religion, als ‚Atheismus‘ erscheinen musste… Es störte deshalb vor allem die politische Nützlichkeit der Religionen und gefährdete die Grundlagen des Staates, in dem es nicht eine Religion unter anderen, sondern der Sieg der Intelligenz über die Welt der Religionen sein wollte.“

Wohlgemerkt: Hier geht es um das Christentum an sich, nicht etwa um den Katholizismus… Der Artikel, an dessen Beginn das obige Zitat steht, trägt den Titel „Der Papst und die Krise Europas“.

Ökumene der Frommen

Tagespost-Kommentator Guido Horst über eucharistische Gastfreundschaft:

„Wenn ‚Kirche von unten‘ zur eucharistischen Gastfreundschaft aufruft, Katholiken und Protestanten bei Gottesdiensten der anderen Konfession den Empfang des Abendmahls oder der Eucharistie einfordern, dann hat das nichts mit Ökumene zu tun. Es sind Symptome einer Glaubenskrise, deren Auswirkungen von der Gedankenlosigkeit der einen bis zum offenen Ungehorsam der anderen reichen. Aber es gibt auch eine ‚Ökumene der Frommen‘.

Und diese ist zu unterscheiden von der oft falsch verstandenen ‚Ökumene der Masse‘. Als Frère Roger Schütz beim Trauergottesdienst für Johannes Paul II. aus der Hand von Kardinal Ratzinger die Kommunion empfing, wussten beide, was sie tun. Der evangelische Gründer der Gemeinschaft von Taizé glaubt an die Eucharistie, wie das die Katholiken tun. Und Ratzinger wusste, dass der verstorbene Papst Frère Roger immer wieder zur Kommunion eingeladen hatte. Jemand hatte sich und seinen Glauben geprüft, ein anderer hatte gesagt: Komm, sei unser Gast. In dieser Selbstprüfung und Ausdrücklichkeit ist das etwas ganz anderes als das unüberlegte Strömen zum gemeinsamen Abendmahl, wo es vielen mehr um das Gefühl oder den triumphierenden Gestus kirchlichen Ungehorsams geht.

Papst Benedikt XVI. hätte nicht die Ökumene zu einer der vordringlichen Aufgaben seines Pontifikats erklärt, wenn er nicht entschlossen wäre, die ‚Ökumene der Frommen‘ entschieden voranzutreiben.“

Ich möchte nicht den ganzen Kommentar zitieren, aber empfehle, ihn in Gänze nachzulesen. Im letzten Absatz spricht Guido Horst noch knapp den Petrusdienst an…