Die Alten mehr arbeiten lassen

Die demographische Frage hat mich ja hier schon seit einiger Zeit beschäftigt. Sehr lakonisch nennt Demographie-Forscher James Vaupel im Interview mit der Zeit einige Maßnahmen beim Namen, auf die wir uns wohl werden einstellen müssen. Vor allem: Länger arbeiten – wie der Papst. Aus dessen Lebensplan vom Ruhestand in Bayern wurde bekanntlich nichts. Was wird sein, wenn ich dereinst in seinem Alter bin?

Vaupel: Langes Leben ist eine Errungenschaft der modernen Zivilisation, ein enormes Geschenk für die Menschen, die erleben, wie ihre Kinder heiraten, ihre Enkelkinder aufwachsen. Das ist die individuelle Seite der Geschichte. Von der gesellschaftlichen Seite gesehen, ist es völlig klar, dass es deswegen Reformen und Veränderungen geben muss. Die Rentenpolitik muss geändert werden, denn die Leute sollten länger arbeiten. Die Aus- und Fortbildung muss verändert werden, denn ältere Arbeitskräfte müssen neue Fertigkeiten lernen oder einen ganz neuen Beruf.

ZEIT: Das Rentenalter von 65 stammt ja auch aus Zeiten, wo viele Menschen in diesem Alter kaum noch arbeitsfähig waren.

Vaupel: Als Bismarck die Rentenversicherung einführte, mit einer Pensionsgrenze von 70 übrigens, wusste er ganz genau, dass die Lebenserwartung im Deutschen Reich deutlich unter 65 lag.

ZEIT: Die deutsche Bevölkerung vergreist nicht nur, sie schrumpft auch noch.

Vaupel: Eine stärkere Beteiligung der Älteren am Arbeitsleben kann auch bei diesem Problem helfen. Immigration ist eine Möglichkeit, doch Immigranten sind schwer zu integrieren. Auf lange Sicht ist der empfehlenswerte Weg: mehr Babys. […]

ZEIT: Früher konnten Reiche viele Kinder haben, heute machen Kinder auch wohlhabende Eltern arm.

Vaupel: Das ist das Problem. Kinder sind wertvoll für jede Gesellschaft, die Kosten tragen in Deutschland aber die Eltern.

ZEIT: Was kann die Politik tun?

Vaupel: Ganztagskindergärten und -schulen einrichten zum Beispiel. Im Übrigen ist es doch absurd, dass die Arbeitslast auf die 30- bis 50-Jährigen konzentriert ist. Das sind die Menschen, die Kinder großziehen sollen. Mit 60 hat man viel Zeit, wenn die Kinder erwachsen sind. Reformen am Arbeitsmarkt sollten die Leute im mittleren Alter entlasten und die Alten mehr arbeiten lassen. Die können doch eine Menge. Denken sie an den neuen Papst. Der ist 78!

Gottes CEO

Kirche und Unternehmensberater – zwei Welten treffen aufeinander. Die Betrachtungsweise von Frederick W. Gluck, der lange für die Unternehmensberatung McKinsey gearbeitet hat und nun in der FTD die Kirche als globalen Konzern analysiert, mag ungewohnt sein und in manchen Punkten auch zynisch klingen – aber lässt sie sich völlig von der Hand weisen? Wohl kaum.

Kein modernes Unternehmen dieser Größe hätte ohne ein starkes Finanzmanagement auf allen Organisationsebenen eine Überlebenschance. Die Kirche könnte durch eine zentralisierte Beschaffung allein in den USA Milliarden Dollar einsparen. Für diesen Bereich ist aber niemand zuständig, deshalb fallen jedes Jahr unnötige Kosten in Milliardenhöhe an. Mit über einer Million Mitarbeiter hat die katholische Kirche in den USA einen Personalbestand, der mit dem von Wal Mart vergleichbar ist. Aber die wenigsten Mitarbeiter werden professionell geführt. Es fehlen zum Beispiel auf allen Ebenen effektive Systeme zur Leistungsmessung. Zudem müssen viele Mitarbeiter nicht wettbewerbsfähige Löhne akzeptieren.

Diese Versäumnisse sind teuer, in finanzieller wie personeller Hinsicht. Die Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten sind eingeschränkt, die Planung und Durchführung von Reformen ist extrem schwierig oder sogar völlig unmöglich.

Keine Organisation dieser Größe könnte heute überleben ohne ein effektives Personalwesen mit einem Personalchef an der Spitze, der für alle Bereiche von der Mitarbeiterschulung bis hin zur Karriereplanung und Vergütung verantwortlich ist. Diese Verantwortungsbereiche werden in der Regel auf verschiedene Ebenen aufgeteilt, wobei die Strategieentwicklung ganz oben und die Ausführung weiter unter angesiedelt ist.

Die Kirche muss ihre Strukturen und Prozesse für ihre täglichen Aktivitäten überdenken. In einem Unternehmen dieser Größe wäre normalerweise eine Vielzahl von Führungskräften für die Überwachung und Leitung der einzelnen Geschäftsbereiche verantwortlich.

Da die Kirche zwei Aufgaben gleichzeitig erfüllen muss den Glauben vermitteln und ein Unternehmen managen -, wäre wohl eine parallel angelegte Struktur angemessen. Dieses Problem sollte eingehend analysiert und mit viel Umsicht gelöst werden. Dass die Kirche in allen Bereichen wesentlich effizienter und wirtschaftlicher werden muss, kann jedenfalls nicht mehr einfach ignoriert werden.

Gerade die Finanzkreise zahlreicher deutscher Bistümer ist vor allem ein Managementproblem. Jahrzehntelange Versäumnisse kulminierten in einigen Bistümern derart, dass eine Insolvenz nur mühsam vermieden werden konnte. Meine Diözese wird, trotz etlicher Notmaßnahmen in den vergangenen Jahren, Ende 2005 ihre Rücklagen nahezu aufgebraucht haben.

Unter dem Strich bleibt auch eine Institution wie die Kirche an die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit gebunden, nicht mehr Geld auszugeben als sie einnimmt. Oder anders formuliert: Wenn sie es nicht schafft, die nötigen Ressourcen für ihren Fortbestand zu beschaffen, wird sie nicht fortbestehen. Diese Aussage trifft natürlich zuerst die Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit die konkrete Sozialgestalt, aber kann durchaus auch ganze Bistümer in ihrem Bestand bedrohen. Das wäre historisch gesehen nun wirklich keine neue Entwicklung.

Bild

Jochen Scherzer findet die Bild-Schlagzeile „Wir sind Papst“

„einfach nur genial“.

Was er in seiner kurzen Analyse zu erwähnen vergisst: Sie ist auch eine Parodie auf „Wir sind Kirche“ und schon deshalb sehr amüsant.

Im Gebet verharren


Als Jesus in den Himmel aufgefahren war, kehrten die Apostel vom Ölberg, der nur einen Sabbatweg von Jerusalem entfernt ist, nach Jerusalem zurück.
Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben: Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon, der Zelot, sowie Judas, der Sohn des Jakobus.
Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern.
Apg 1,12-14

Im Griff

Der FDP-Parteitag war für mich schon so eine Art Konklave in Privatklamotten. Mit einem kleinen Unterschied zwischen Konklave und FDP: im Konklave wurde ein Chef gewählt, der den Laden im Griff hat.

Harald Schmidt, 05.05.05

Allein?

Heute wieder GL 457 als Gloria. Allein Gott in der Höh sei Ehr… Wieso allein? Gloria in excelsis Deo. Ehre sei Gott in der Höhe. Wo steht da allein? Was hat Nikolaus Decius im Jahre 1522 veranlasst, hier ein zusätzliches Wort einzufügen? Da höre ich doch eine bekannte Formel anklingen: Sola gratia, sola fide, sola scriptura, solo Christo. Das mag einiges erklären. Aber der erste Satz des Gloria ist doch biblisch, steht bei Lukas, dem Poeten (2,14):

Verherrlicht ist Gott in der Höhe / und auf Erden ist Friede / bei den Menschen seiner Gnade.

Oder in den Worten der Neovulgata:

“Gloria in altissimis Deo,
et super terram pax in hominibus bonae voluntatis ”.

Seltsam. Bin ich zu empfindlich oder wurde hier ein liturgischer Gesang zum konfessionellen Kampflied gemacht? Und was bedeutet es, dass es längst in den katholischen Liederkanon Aufnahme gefunden hat?

Kommunikation

Ein weiterer gewichtiger Grundsatzartikel von Petra. Diesmal zur Kommunikation der Kirche unter besonderer Berücksichtigung der Morallehre. Als Mensch, der sich beruflich mit Kommunikation befasst, finde ich darin viel Richtiges.

Ein schwerer Fehler heutiger Verkündigung liegt aus meiner Sicht darin, dass eher zu viel über Ethik und Moral gesprochen wird denn zu wenig. Auch in der aktuellen Wertedebatte findet sich so ein Zug, der die Kirche letztlich auf eine Art Werteagentur reduzieren will. Dabei ruht, jedenfalls nach kirchlicher Lehre, der größte Teil ihrer Morallehre schlicht auf Naturrecht. Will sagen: Es handelt sich nicht um irgendein geoffenbartes Sondergut, sondern um allgemeine, jedem Menschen guten Willens einsichtige Regeln des Zusammenlebens.

Nun haben wir ja gerade der Debatte Habermas/Ratzinger (deren vollständige Dokumentation Scipio jetzt ausgegraben hat) entnehmen können, dass hier ein Teil des Problems liegt. Der damalige Kardinal habe zugestanden,

daß der Begriff „Natur“ als objektiver Schlüsselbegriff, mit dem man den Wahrheitsanspruch des Christentums auszudrücken pflegte, „stumpf“ geworden sei. Er sei als „Notschrei“ nach besseren Begriffen zu verstehen. Die Sache des Naturrechts wolle er aber weiterhin verteidigen.

Der christliche Wertekanon wird nur verständlich, wenn auch seine Grundlagen verstanden werden, als da sind:

  1. Gott hat alles geschaffen und den Menschen nach seinem Abbild.
  2. Gott ist Mensch geworden für uns Menschen und zu unserem Heil.
  3. Christus ist für uns gekreuzigt worden, gestorben und begraben, am dritten Tage auferstanden und aufgefahren in den Himmel.
  4. Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt.

Ohne basics wie diese bleibt auch der ganze Rest ein Buch mit sieben Siegeln. Und ein Religionsunterricht oder eine Katechese, die sich mit allen möglichen Subtilitäten befassen, nur nicht mit den Grundlagen, die bauen nun einmal auf Sand.

Himmelfahrt


Der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch den Geist der Weisheit und Offenbarung, damit ihr ihn erkennt.
Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den Heiligen schenkt
und wie überragend groß seine Macht sich an uns, den Gläubigen, erweist durch das Wirken seiner Kraft und Stärke.
Er hat sie an Christus erwiesen, den er von den Toten auferweckt und im Himmel auf den Platz zu seiner Rechten erhoben hat,
hoch über alle Fürsten und Gewalten, Mächte und Herrschaften und über jeden Namen, der nicht nur in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen genannt wird.
Alles hat er ihm zu Füßen gelegt und ihn, der als Haupt alles überragt, über die Kirche gesetzt.
Sie ist sein Leib und wird von ihm erfüllt, der das All ganz und gar beherrscht.
Eph 1, 17-23

Meißsner

Nicht immer ist der Kölner Kardinal ganz glücklich in seiner Wortwahl. Aber hier (im Interview mit dem Rheinischen Merkur) trifft Joachim Card. Meißsner den Nagel auf den Kopf:

Benedikt XVI. hat in seiner ersten Rede die „kollegiale Gemeinschaft“ zwischen Bischöfen und Papst betont. Manche Beobachter leiten daraus ab, dass es künftig mehr Mitsprache der Ortskirchen in Rom geben könnte . . .

Das ist reine Ideologie. Der so genannte römische Zentralismus liegt an der Feigheit und der Schwäche der Ortsbischöfe. Wir können das meiste selber entscheiden, aber wenn wir es nicht entscheiden, geht es natürlich nach Rom. Und dann beschwert man sich über den römischen Zentralismus. Wenn wir machen, wozu wir als Bischöfe beauftragt sind, dann hat Rom herzlich wenig zu tun.“