Wer den ehemaligen Münsteraner Pfarrer Thomas Frings aufmerksam wahrnimmt, der erkennt in seiner Situationsanalyse auch eine scharfe Kritik der Konsumgesellschaft, genauer: ihrer Konsequenzen für die heutige Pastoral. Große Teile des verbliebenen kirchlichen Lebens in Deutschland richten sich an anspruchsvolle Konsumenten mit einer entsprechenden Haltung.
Die Kirche ist dafür insbesondere durch ihre diakonische Ausrichtung sehr anfällig. Diakonie heißt Dienst, und Dienst kann viele Ausprägungen annehmen. Vom selbstlosen, aus Liebe zu Christus und zum Nächsten vollzogenen Dienst hin zum Service, der Anspruchshaltungen bedient, ist es oft nur ein kleiner Schritt. Prekär wird es insbesondere da, wo Ansprüche – ob berechtigt oder nicht – nicht mehr ohne Weiteres bedient werden können.
Eine konsumentenorientierte Pastoral bringt die Kirche in eine Wettbewerbsposition zu sehr vielen Alternativangeboten. Sonntagsmesse oder Golfplatz? Kirchliche Beerdigung oder freier Trauerredner? Firmung oder Jugendweihe? An den Wendepunkten des Lebens oder auch zu bestimmten Zeitpunkten wie Weihnachten und Erstkommunion wird der kirchliche Dienst noch gern in Anspruch genommen und sogar vehement eingefordert, oft ohne dass dahinter eine Glaubenspraxis oder gar innere Überzeugung stehen würden.
Das deutsche Kirchensteuersystem fördert und erzwingt diese Entwicklung – doch soll davon an dieser Stelle nicht weiter die Rede sein. Interessant ist die Frage, ob nicht andere Antworten auf die an die Kirche herangetragenen Ansprüche möglich und sinnvoll sind. Zunächst wäre da Verbindlichkeit zu nennen, oder treffender: Commitment. Jede Gemeinschaft hat ihre Standards und Grundregeln. Warum hören wir davon so selten?
Wer sein Kind taufen lassen möchte, der möge doch zunächst für ein Jahr in der Gemeinde mitleben, schlägt Thomas Frings in seinem Domradio-Interview vor. Warum eigentlich nicht? Sicher hindert uns die Angst vor dem Verlust möglicher Kirchensteuerzahler an solchen Schritten, doch ist dies keineswegs ein Naturgesetz. Der amerikanische Pastor Rick Warren hat auf solchen klaren Regeln eine bis heute stark wachsende Megachurch errichtet. Was hindert uns also – außer unserer eigenen Angst und unseren fehlenden eigenen Überzeugungen?
Die jahrgangsweise Abfertigung von Grundschulkindern mit der Erstkommunion und Jugendlichen mit der Firmung hat jedenfalls ihre Berechtigung längst verloren. Zu unterschiedlich sind mittlerweile die Voraussetzungen, die Kinder und Jugendliche mitbringen. Hier sind altersspezifische Kurse gefragt, die sie auf einen geistlichen Weg führen und die aus mehreren Modulen bestehen.
Während das Eingangsmodul jedem offen steht, sind alle weiteren an bestimmte und klar kommunizierte Voraussetzungen gebunden. Der Automatismus, mit dem heute die Anmeldung zum Kommunion- oder Firmkurs quasi selbstverständlich zum Empfang des Sakramentes führt, ist aufzugeben.
Zur Ironie der gegenwärtigen Situation gehört, dass derzeit an vielen Stellen die Konsumgesellschaft aufbricht und zu stärker partizipativen Modellen kommt. Dies wird auch in der Kirche versucht, bleibt aber vielerorts noch dabei stecken, dass bis jetzt professionell angebotene Dienstleistungen nun halt von Laien – im doppelten Wortsinn – erbracht werden sollen. Dieser Ansatz ist zum Scheitern verurteilt.
Gleiches gilt für das partizipative Missverständnis, demzufolge nun auch das Evangelium selbst und die Lehre der Kirche zur allgemeinen Mitgestaltung freigegeben seien. Das käme einer Selbstabschaffung gleich. Das Evangelium haben wir von Christus selbst empfangen, wir müssen es weitergeben – nicht daran herumbasteln, bis es besser zu unserer eigenen Agenda passt.
Das Wie, das Wo, das Wer der Verkündigung hingegen und vor allem ihr Adressat – das sind alles Punkte, die zur Partizipation geradezu auffordern. Denn dazu ist jeder Christ qua Taufe berufen.