Christoph Kardinal Schönborn und der fundamentalistische Individualismus

In einem klugen Interview mit dem österreichischen Magazin profil verweist Christoph Kardinal Schönborn zunächst mit einem Satz seine Chancen auf die Nachfolge Benedikts ins Reich der Fabel.

profil: Sie werden in so gut wie jeder internationalen Liste der Papstkandidaten genannt. Wie erklären Sie sich das?
Schönborn: Mit der Fantasielosigkeit der Papstberichterstattung.

Doch sagt er im selben Interview auf die nächste Frage hin auch Sätze, die ihn nachgerade papabile erscheinen lassen:

profil: Viele Themen kommen auf den nächsten Papst zu: von Priestermangel und Zölibat über Sexualmoral bis zu Ökologie, Armutsbekämpfung und Ökumene. Was sind die vordringlichsten Aufgaben?

Schönborn: Den Menschen den Weg zu Gott aufzuschließen, ihnen beizustehen und ihre Würde zu verteidigen. Und das in einer Welt, in der sich praktisch überall die Stellung der Kirche dramatisch verändert, ob durch den Verlust einstmaliger gesellschaftlicher Vorrangstellungen im Norden oder durch das Anwachsen zu einer gesellschaftlich immer bedeutenderen Größe in vielen Ländern der Dritten Welt. Es geht um die schwierige Aufgabe, in einer Welt, die von so vielen Seiten bedroht wird – Wirtschaftskrise, Kriegsgefahr im Mittleren und Fernen Osten, Christenverfolgung und Fundamentalismus, auch der fundamentalistische Individualismus im Westen –, Gutes zu tun und die Stimme der Liebe zu erheben, die – sofern sie eine unverwechselbar katholische Stimme sein will – vielerorts wieder und neu das Vertrauen der Menschen gewinnen muss.

Ist der fundamentalistische Individualismus für Schönborn, was seinerzeit für Ratzinger die Diktatur des Relativismus war?