Noch ein Fundstück des Perlentauchers: Michael Gassmann berichtet heute im FAZ-Feuilleton über Forschungsergebnisse, nach denen die katholische Kirche als endgültig rehabilitiert angesehen werden kann, was ihr Verhalten im Zweiten Weltkrieg betrifft.
April 2005
Metaphysisches Begehren
Eine Perle, die der Taucher heute an die Oberfläche fördert:
„In der Kolumne Theorie und Technik untersucht Isolde Charms in Folge der Papstbeerdigung, ob die allgemeine Geständnisfreudigkeit vom Sex auf die Religion übergegangen ist. Mit Foucault gesprochen lasse sich das von zu beobachtende Phänomen auch anders fassen: Nach seiner Analyse galt das körperliche Begehren als unser innerster Kern, nun scheine es, als würde ihm das metaphysische Begehren den Rang ablaufen.
‚Früher war das Medium des Geständnisregimes im Wesentlichen die Kirche mit ihren über die Jahrhunderte ausgefeilten Beichtpraktiken. Später kam dann noch eine Reihe anderer Medien hinzu: medizinische, wissenschaftliche, literarische – in allererster Linie jedoch die Psychoanalyse. Heute jedoch haben wir die mediale Öffentlichkeit als privilegiertes Medium des Geständnisses, die Religion aber ist zu deren neuestem Inhalt geworden: Aus einem Medium des Geständnisses ist sie zu dessen ‚obszönstem‘ Gegenstand geworden.'“
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Anathema sit
Scipio macht Vorschläge für päpstliches Handeln.
Sei uns gnädig, Herr, sei uns gnädig! /...
Sei uns gnädig, Herr, sei uns gnädig! / Denn übersatt sind wir vom Hohn der Spötter,
übersatt ist unsre Seele von ihrem Spott, / von der Verachtung der Stolzen.
Psalm 123, 3-4
Safranski
Zum ersten Mal wurde ich auf ihn aufmerksam, als seine Heidegger-Biographie (ein Ausschnitt hier) so überaus enthusiastisch gelobt wurde. Gelesen habe ich sie leider bis heute nicht. Jetzt befragt ihn der Spiegel (kostet 50 Cent, frei nachlesbar auf englisch: „The Pope Was the Message“) zum Tode des Papstes, und was er sagt, ist so voll von zitierbarem Material, dass es sich lohnen würde, den Text als Steinbruch für künftige Artikel zur Seite zu legen.
Leiden
Klaus Berger, seines Zeichens Lehrstuhlinhaber für Neutestamentliche Theologie in Heidelberg (in der Welt wird er als bedeutendster evangelischer Theologe hierzulande vorgestellt, was nur gilt, wenn sein Selbstverständnis als Exil-Katholik unterschlagen werden darf), Klaus Berger also, einer der Lieblingstheologen von Scipio, kommentierte die Theologie von Johannes Paul II:
„Es gibt eine ältere katholische Lehre, die momentan zu den Ladenhütern zählt, die mir aber doch wichtig zu sein scheint, um das Glaubenszeugnis dieses Papstes zu verstehen: Mit seinem Leiden hat der einzelne Christ direkten und produktiven Anteil am Leiden Jesu Christi. Es ist eben nicht damit getan, daß einer gelitten hat und die übrigen ein bequemes Leben erwarten dürfen, sich genüßlich zurücklehnen, weil Leiden jetzt überflüssig sei.“
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Effizienz
Er hat sie alle Lügen gestraft, die Bedenkenträger. Wie oft war in den vergangenen Jahren zu hören, der kranke Papst könne seine Aufgabe nicht mehr erfüllen, die Weltkirche zu regieren? Mag sein, dass er sich in den letzten Monaten nicht mehr mit dem täglichen Kleinkram der Kurie befasst hat. (Mein Bistum hat noch immer keinen neuen Hirten, wir leben in einer Zeit der doppelten Sedisvakanz.) Dafür aber hat er, in seinem Leiden und Sterben mitten in der Osteroktav, das Evangelium mit einer ungeheuren Wucht verkündet.
Die Hoffnung auf Auferstehung predigte er noch stumm vom Sterbebett aus, und die österlichen Jubelgesänge, die letzte Woche an seiner Bahre im Petersdom erklangen, klangen wie eine Bekräftigung. Die ungeheure Wallfahrt nach Rom, durch die Medien verstärkt, war ein lautes Echo auf seinen Ruf in der Wüste. Effizienter kann ein einzelner Mensch nicht predigen.
Was direkt nach seinem Tod begonnen hat, wird über die kommende Woche bis zum Beginn des Konklave weiter anschwellen – das kollektive Wunschzettelschreiben. Was ich mir vom neuen Bischof von Rom wünsche, ist nur dies: Er möge sich zuerst um die Verkündigung der Frohen Botschaft bemühen. Kein Manager, kein Reformer, sondern ein Kommunikator.
Teilhard de Chardin
Die Versöhnung von Wissenschaft und Glauben war das große Thema des Jesuiten Pierre Teilhard de Chardin, der am 10. April 1955 starb, einem Ostersonntag. Zu Lebzeiten bekam er innerkirchlich Ärger, doch heute kann er als rehabilitiert gelten. So zitiert ihn beispielsweise inzwischen auch Joseph Ratzinger, wenn er über die Enzykliken des letzten Papstes referiert:
Anthropozentrik ist beim Papst zugleich Christozentrik und umgekehrt. Gegenüber der Meinung, was der Mensch sei, könne nur aus den primitiven Formen des Menschseins sozusagen von unten her erklärt werden, ist der Papst der Überzeugung, daß das, was der Mensch ist, nur vom vollkommenen Menschen her erfaßt werden kann und daß von dort her der Weg des Menschseins zu erkennen ist. Er hätte sich dafür auf Teilhard de Chardin berufen können, der einmal so formuliert hat:
»Die wissenschaftliche Lösung des menschlichen Problems bietet keineswegs ausschließlich das ausschließliche Studium der Fossilien, sondern eine aufmerksame Betrachtung der Eigenschaften und Möglichkeiten des Menschen von heute, die den Menschen von morgen bestimmen werden.«
Johannes Paul II. geht freilich über diese Diagnose hinaus: Wer der Mensch ist, können wir letztlich nur an dem ablesen, der ganz das Wesen des Menschseins erfüllt: Gottes Ebenbild zu sein, ja, der Gottes eigener Sohn ist, Gott von Gott und Licht vom Licht.
Nimmt man mit Fides et Ratio die einschlägige Enzyklika zur Hand, so scheinen indes grundlegende Differenzen fortzubestehen. Zu diesem Ergebnis kommt ein kritischer Blick von außen:
Without the notion of a constantly self-renewing evolution, Creation as specified in terms of fixed and absolute things, leads one to the idea of progressive decay and degeneration and remedial or ‚redemptive‘ imperative as implied in the scriptures;
„For the creation waits with eager longing for the revealing of the sons of God; for the creation was subjected to futility, not of its own will but by the will of him who subjected it in hope; because the creation itself will be set free from its bondage to decay and obtain the glorious liberty of the children of God. We know that the whole creation has been groaning in travail together until now; and not only the creation, but we ourselves…“ (Rom. 8:19f). „
It is as if nature itself is on the way down unless God intervenes to ‚redeem it‘. This view is implicitly woven into ‚Fides et Ratio‘ and it differs radically from the views of Kepler, Teilhard de Chardin and Merton, where God is seen as immanent in Nature, … where God is the harmonic ordering in Nature, as the aboriginal peoples and buddhists believe.
Übrigens gab es heute eine ausführliche Sendung über Teilhard de Chardin beim SWR („Irrlehrer oder Visionär?“).
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Tiberias

Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.
Jesus sagte zu ihnen: Meine Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.
Er aber sagte zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, und ihr werdet etwas fangen. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es.
Joh 21,4-6