Alexander Smoltczyk ist es wohl zu verdanken, dass der Spiegel vom kommenden Montag eine ganz lesbare Geschichte über erste Fundstücke aus dem vatikanischen Geheimarchiv der Jahre 1922 bis 1939 bringt. Die zentrale Passage:
Es finden sich die handschriftlichen Aufzeichnungen Pacellis über seine täglichen Treffen mit dem Papst – kurioserweise zwischen Benzin- und Stromrechnungen im Bestand „Stati Ecclesiastici“ verborgen, wo der Kirchenstaat seine Alltagsangelegenheiten ablegte. Es ist eine Entdeckung, welche die Seligsprechung von Pius XII. noch weiter hinausschieben dürfte.
Die Notate des Kardinals Pacelli, über dessen späteres Pontifikat der Schriftsteller Rolf Hochhuth sein Drama „Der Stellvertreter“ schrieb, zeigen eine Kirchenspitze, die den Aufstieg der Nazis zunächst mit Naivität, Ratlosigkeit, bisweilen Wohlwollen beobachtet. Gegenüber dem Kommunismus erschien ihr Hitler als das kleinere Übel.
Aus einer Audienz am 4. März 1933 etwa kommt Pacelli in offensichtlich gehobener Stimmung: „Adolf Hitler ist der erste und einzige Staatsmann, der sich öffentlich gegen die Bolschewisten stellt. Bis jetzt hat das nur der Heilige Vater getan“, so notierte der allmächtige Kardinal in seiner typischen Drei-Millimeter-Handschrift.
In einer anderen Schachtel liegt ein Zettel im DIN-A5-Format in derselben Handschrift. Es ist eine Aufzeichnung vom 1. April 1933, notiert nach der Audienz beim Papst, bei der über die beginnenden Judenverfolgungen in Deutschland gesprochen wurde. Einige Worte sind in eckige Klammern gesetzt, wohl als Kommentar zu einer Aussage des Papstes. Pacelli schreibt: „Es kann der Tag kommen, an dem man sagen können muss, dass etwas getan wurde.“ Ein Schlüsselsatz.
Es ist kein Satz eines Heiligen. Es geht nicht um richtig und falsch, nicht um Moral, sondern um diplomatisches Finassieren. Der Satz zeugt von ratloser Schwäche, Selbstlähmung, Feigheit.