Gott finden – Gedanken zum 23. Sonntag im Jahreskreis B

In einer Firmkatechetenrunde stellte der Pfarrer vor einigen Monaten die Frage, was wir eigentlich Gott fragen würden, wenn wir mit ihm von Angesicht zu Angesicht sprechen könnten. Da gab es die unterschiedlichsten Fragen aus der Runde.

Nun können wir Menschen zwar nicht direkt mit Gott sprechen. Aber wir können auf Gott hören, wir können uns für Gott öffnen und wir können Gottes Gegenwart spüren. Doch was heißt das konkret?

Erstens: Auf Gott hören. Wir hören das Wort Gottes in den Lesungen, im Psalm und im Evangelium. Doch das Wort Gottes ist mehr und ist anders als andere Worte. Das Wort Gottes ist Jesus Christus selbst.

Im Anfang war das Wort, heißt es im Prolog des Johannesevangeliums. Das ist einer der großartigsten Texte der Bibel und der gesamten Weltliteratur. Das Wort Gottes ist eine Person, das Wort Gottes ist Gott selbst.

Auf Gott hören heißt, dass wir uns unseren Glauben nicht nach unseren eigenen Ideen und Wünschen zurechtbasteln, sondern uns ganz an Gottes Wort ausrichten. Das ist ein Beziehungsgeschehen – wir treten in Beziehung zu Gott. Wir öffnen uns für Gott.

Zweitens: Uns für Gott öffnen. Christus selbst öffnet uns in der Taufe Mund und Ohren. Beim Effata-Ritus berührt der Priester Mund und Ohren des Täuflings mit dem Ruf Effata, das heißt: Öffne dich. Im Evangelium hören wir heute, wie Jesus mit diesem Ruf einen Taubstummen heilt.

Christus selbst öffnet uns in der Taufe Mund und Ohren. Das Öffnen hat zwei Dimensionen: das Hören – darüber sprachen wir gerade – und das Sprechen. Den Mund aufmachen. Das ist nicht einfach. Wir tun uns schwer damit, über unseren Glauben zu sprechen. Es fällt uns nicht leicht, uns zu unserem Glauben zu bekennen.

In der Öffentlichkeit oder auch am Arbeitsplatz, vielleicht sogar im Freundeskreis oder in der Familie werden wir schnell angefeindet, wenn wir uns zu christlichen oder gar katholischen Positionen bekennen. Ja, selbst in einer katholischen Gemeinde gibt es heftigen Gegenwind für Aussagen, die nichts anderes als katholische Lehre sind, wie sie eigentlich selbstverständlich sein müsste.

Uns für Gott zu öffnen ist also mit einem Risiko verbunden. Wir leben nicht mehr in einer Kultur und einer Gesellschaft, die vom Christentum durchdrungen ist und auf christlichen Grundsätzen beruht. Als Christen kommen wir heute schnell in einen Gegensatz zu unserer Umgebung.

Die Kinder, die jetzt gerade eingeschult wurden, werden das auch in der Schule erleben. Manch eines von ihnen wird das einzige katholische Kind in der Klasse sein. Vielleicht werden sie sogar von ihren Lehrern, im schlimmsten Fall sogar von Religionslehrern, dumme Sprüche zu hören bekommen. Lasst Euch dadurch nicht verunsichern, sondern haltet durch in Eurem jungen Glauben und bleibt in Verbindung mit Eurer Gemeinde.

Drittens: Die Gegenwart Gottes spüren. Wenn Ihr in eine Kirche kommt, dann könnt Ihr dort spüren, dass Gott da ist. Achtet einmal auf dieses Gefühl. Das ewige Licht neben dem Tabernakel ist ein Zeichen dafür. Jesus ist da, Ihr könnt ihn anschauen und er schaut Euch an.

Warum ist das wichtig? Weil es unsere Berufung als Kinder Gottes ist, in seiner Gegenwart zu leben – mitten in unserem Alltag, in der Schule, auf der Arbeit, in der Freizeit. In der Gegenwart Gottes zu leben ist nicht nur die Aufgabe der Priester und der Ordensleute, sondern das geht uns alle an. Wie können wir das tun?

“Wie schön ist es, dem Herrn zu danken, deinem Namen, du Höchster, zu singen, am Morgen deine Huld zu verkünden und in den Nächten deine Treue”, singt der Psalm 92. In der lateinischen Übersetzung heißt der zweite Teil: “Ad annuntiandum mane misericordiam tuam, et veritatem tuam per noctem.” Misericordia ist die Barmherzigkeit, und Veritas die Wahrheit. Also können wir den Vers auch so übersetzen: “am Morgen deine Barmherzigkeit zu verkünden und in den Nächten deine Wahrheit”.

Barmherzigkeit und Wahrheit gehören zusammen. Wir leben in der Wahrheit, die Christus selbst ist, der von sich gesagt hat: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Und wir verkünden seine Barmherzigkeit. Das können wir tun, wenn wir auf Christus hören, uns für ihn öffnen und seine Gegenwart spüren.

Jesus Christus will durch uns in der Welt handeln. Wir sind seine Werkzeuge, mit denen er in der Welt handelt. Im Antwortpsalm des heutigen Sonntags heißt es:

Recht verschafft er den Unterdrückten,
den Hungernden gibt er Brot;
der Herr befreit die Gefangenen.
Der Herr öffnet den Blinden die Augen,
er richtet die Gebeugten auf.

Der Herr ist es, der handelt. Aber durch wen handelt er? Durch uns Menschen. Und an wem handeln wir? An Christus, den wir im Unterdrückten, im Hungernden, im Gefangenen, im Flüchtling erkennen können. Wir sind oft selber blind für Christus und für unsere Mitmenschen. Wir sind gebeugt unter der Last des Alltags. Christus öffnet uns die Augen und richtet uns auf.

Wo finden wir also Gott? Zunächst in seinem Wort, und dann in unserem Nächsten.