Über Ehe und Familie

In der Debatte um aktuelle Fehlentwicklungen des Eherechts – Stichwort Irland – werden zwei Aspekte stark vernachlässigt. Da wäre zum einen die Tatsache, dass es sich hier nur um den vorläufigen Schlusspunkt eines mindestens seit Jahrzehnten andauernden Prozesses handelt, der soziologisch als Individualisierung und empirisch als Auflösung von Ehe und Familie beschrieben werden kann. Und zum anderen die einfache Kennziffer für die Performance unserer Familienpolitik – die Geburtenrate.

1. Die meisten westlichen Gesellschaften haben in den vergangenen Jahrzehnten das Konzept Ehe und Familie schrittweise aufgelöst. Statt ehelicher und familiärer Bande erhielt nun das Individuum den höheren Rang.

Ein wichtiger politischer Schritt dazu war die Adenauersche Rentenreform, die es erstmals breiten Gesellschaftsschichten wirtschaftlich ermöglichte, auf eigenen Nachwuchs zu verzichten und trotzdem im Alter abgesichert zu sein. Das Rentensystem sorgt seitdem zuverlässig für eine Umverteilung zulasten der Familien und zugunsten der Kinderlosen, die sich nicht an der Versorgung der heranwachsenden Generation beteiligen, selbst aber im Alter von den Kindern anderer Leute versorgt werden.

In die gleiche Zeit fällt die nahezu flächendeckende Verbreitung künstlicher Verhütungsmittel, die den Verzicht auf Nachwuchs auch praktisch erheblich erleichterte. Und nicht zu vergessen die faktische Freigabe der Abtreibung, der schwarzen Schwester der künstlichen Empfängnisverhütung. Seit Jahrzehnten wird ein signifikanter Teil der in einem Jahr gezeugten Kinder schon im Mutterleib getötet – illegal, aber straffrei.

Mit diesen Reformschritten war der Zusammenhang zwischen Ehe und Nachkommenschaft aufgeweicht und die frühere Ausnahme der Kinderlosigkeit auf dem besten Wege zum Normalfall. Das Akronym DINK war entstanden: double income, no kids, und im Alter eine höhere Rente als die Familienväter und -mütter sie bekommen, bezahlt von deren Kindern. Absurd, aber seit Jahrzehnten Realität.

Der nächste Schritt – nach der Schwächung der Generationenfolge – war die Lockerung des Ehebandes durch die Einführung und Erleichterung der Ehescheidung. Wirtschaftlich gesehen wurde dadurch die Versorgungsgemeinschaft einer Ehe zunehmend in Frage gestellt und tendenziell prekär. Die Ehe besteht nun nicht mehr bis zum Tod, sondern nur noch unter Vorbehalt der jederzeit möglichen Auflösung.

Kinder, einst Reichtum und Garant eines sorgenfreien Ruhestands, sind heute zum Armutsrisiko geworden und versorgen als Erwachsene über ihre Steuern und Rentenbeiträge statt ihrer eigenen Eltern vorrangig deren kinderlose Generationsgenossen. „Alleinerziehend“ ist zum Synonym für „von Armut bedroht“ geworden.

Denn geblieben ist, mit relativ geringen Einschränkungen, die lebenslange Versorgungspflicht zwischen Eltern und Kindern. Aber nur deshalb, weil der nimmersatte Sozialstaat sich bis jetzt nicht in der Lage sah, auch noch die Lasten zu tragen, die diese Versorgungsgemeinschaften immer schon selbstverständlich schulterten.

Das aktuelle Scheidungsrecht in Deutschland entlässt den zu versorgenden Teil einer früheren Ehe mittlerweile brutalst schnell ins wirtschaftlich Bodenlose, was einer weiteren Bestrafung für jeglichen Aufwand zur Versorgung und Betreuung der eigenen Kinder gleichkommt. Wer Kinder hat und sich um sie kümmert, wer dafür die Erwerbstätigkeit reduziert, der hat verloren. Das betrifft immer noch überwiegend Frauen – wäre aber auch nicht besser, wenn es umgekehrt wäre.

Geblieben ist auch noch das Ehegattensplitting, also die steuerliche Berücksichtigung der simplen Tatsache, dass von einem Familieneinkommen zwei Eheleute leben müssen. Deshalb werden sie so besteuert wie zwei Alleinstehende, die jeweils die Hälfte des Familieneinkommens erzielen. Einkommensunterschiede zwischen Ehepartnern führen somit nicht zu einer höheren Besteuerung. Der aufmerksame Leser sieht bereits, dass es sich nicht um einen Vorteil, gar eine Subvention handelt, sondern nur um die Vermeidung ungerechtfertigter Nachteile. Bereits seit 2013 gilt diese Regelung auch für eingetragene Partnerschaften.

2. Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass die Geburtenrate wie ein Stein fiel und auf niedrigstem Niveau verharrt. Die Geburtenziffer in Deutschland schwankt seit Jahrzehnten um den Wert 1,4. Über dem Schwellenwert von 2,1 lag sie zuletzt 1970, also vor 45 Jahren.

Warum ist der Wert von 2,1 so wichtig? Eine Geburtenziffer von 2,1 beschreibt eine stabile Bevölkerungsentwicklung. Die Bevölkerung wächst nicht, aber sie schrumpft auch nicht. Die Alterspyramide, also der Bevölkerungsaufbau nach Altersgruppen, bleibt intakt. Es gibt genug junge Menschen, die an der Zukunft interessiert sind und die Alten versorgen können. Für ein äußerst wohlhabendes Land wie das unsere wäre das eine komfortable Situation.

Stattdessen fehlt uns seit 45 Jahren jeweils ein Drittel eines Jahrgangs. Die übrigen zwei Drittel müssen also die entsprechenden Lasten zusätzlich schultern. Und da die in den siebziger und achtziger Jahren nicht geborenen Kinder auch als Eltern ausfallen, befindet sich dieser Schrumpfungsprozess inzwischen in der zweiten Generation. Das ganze wird nur abgemildert durch die geburtenstarken Nachkriegsjahrgänge, die noch im Erwerbsleben stehen, und durch Einwanderung. Kann aber Einwanderung die Lösung sein? Nur zum Teil.

De facto wandern ja nicht die fehlenden Neugeborenen eines Jahrgangs zu, sondern überwiegend erwachsene Menschen. Sie füllen so quasi nachträglich die leeren Ränge ihrer Jahrgänge auf. Dadurch haben wir praktisch einen erheblichen Teil unserer generativen Leistung ins Ausland ausgelagert.

Wir importieren neben Rohstoffen nun auch Menschen, die anderswo geboren, aufgezogen und ausgebildet wurden. Gibt es dafür einen angemessenen Ausgleich oder ist das eine Form des Neo-Kolonialismus? Müssten wir nicht Geld in die Herkunftsländer der Einwanderer überweisen, um die dort entstandenen Aufwände abzugelten? Die Einwanderer selbst tun dies häufig, um ihre im Heimatland verbliebenen Familien zu unterstützen.

Neben solchen Fragen bleibt festhalten, dass die Überalterung der hiesigen Bevölkerung durch Zuwanderung nur abgemildert, aber keineswegs ausgeglichen wird. Zugleich muss die Frage erlaubt sein, was aus einer Gesellschaft wird, die sich selbst nicht mehr reproduzieren kann und stattdessen auf Menschenimporte angewiesen ist.

Man kann all diese Veränderungen unterschiedlich bewerten. Es gibt ja durchaus die von einem manischen Selbsthass getriebene Position, die ein langfristiges Aussterben der deutschen Bevölkerung für wünschenswert hält. Ähnlich werden auch Familie und Ehe als rückständig und zu überwindende Relikte früherer Zeiten betrachtet. Und Kinder als zu vermeidendes Armutsrisiko. Nach mir die Sintflut, scheint mir das dazu passende Motto zu sein.

Papst Benedikt hat in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag von der Ökologie des Menschen gesprochen. Die Familie gehört zur Natur des Menschen, und an der Geburtenziffer lässt sich ablesen, wie es darum bestellt ist. Die Geburtenziffer ist der KPI unserer Gesellschaft, wie das Bruttoinlandsprodukt der KPI unserer Wirtschaft ist.

All jene oben beschriebenen Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte hätten also beweisen müssen, dass sie die Geburtenziffer nicht negativ, sondern positiv beeinflussen. Das Gegenteil ist der Fall. Was folgt nun daraus? Für die Verfechter dieser Art von Fortschritt bleibt nicht viel mehr als die Hoffnung, dass sich dieses seit 45 Jahren im freien Fall befindliche System irgendwann wieder stabilisieren wird. Nun, das wird es in jedem Fall. Die Frage ist nur, wie hart der Aufschlag sein wird und ob es noch rechtzeitig gelingt, die Reißleine zu ziehen und den Fallschirm zu öffnen – wenn es ihn denn gibt.

3. Vor diesem Hintergrund lässt sich die sogenannte Öffnung der Ehe für Menschen, die bis jetzt nicht die Ehevoraussetzungen erfüllen, auf den ersten Blick als Gegenbewegung zur Individualisierung lesen. Und tatsächlich ist die gegenseitige Übernahme von Verantwortung sicher zu begrüßen.

Schon bei der Einführung der eingetragenen Partnerschaft indes gab es auch Stimmen aus dem sich selbst für progressiv haltenden Lager, die alles Eheähnliche als reaktionär verdammen und daher ablehnen. Deren Ziel ist die Abschaffung von Ehe und Familie, und tatsächlich ist, wie wir bis jetzt gesehen haben, dieses Ziel schon zu gewissen Teilen erreicht.

Wenn Ehe nicht mehr mit Fortpflanzung verbunden ist, dann ist nicht mehr so leicht einzusehen, warum sie genau einem Mann und genau einer Frau vorbehalten sein soll. Und wenn diese Ehevoraussetzung erst einmal entfallen ist, steht sicher demnächst eine Debatte über Polygamie an.

Doch zunächst soll uns die Frage beschäftigen, was gegen diese neuerliche Änderung des Ehebegriffs spricht. Der Katechismus der Katholischen Kirche schreibt über homosexuell veranlagte Menschen:

Man hüte sich, sie in irgend einer Weise ungerecht zurückzusetzen. [KKK 2358]

Ist es also eine ungerechte Zurücksetzung, wenn Homosexuelle keine Ehe schließen können? Nun, wenn das Konzept Ehe bereits so weit aufgeweicht ist, dass Fortpflanzung nicht mehr zu einer Ehe gehört, nicht einmal potentiell oder gedanklich, dann könnte man das meinen.

Insofern haben eigentlich Adenauers Rentenreform, die Einführung künstlicher Verhütung und die Freigabe der Abtreibung die Voraussetzung dafür geschaffen, dass diese Frage überhaupt gestellt werden kann. Noch vor sechzig Jahren hätte man wahrscheinlich über das Ansinnen gelacht und zurückgefragt: Und wie wollt ihr Kinder bekommen?

Nun, auch dieses Problem ist durch Instrumente wie Leihmutterschaft (die in Deutschland verboten ist), künstliche Befruchtung oder Adoption inzwischen gelöst – allerdings nicht zum Wohle der Kinder, um das es in dieser ganzen Debatte ohnehin überhaupt noch nicht ging. Was dient eigentlich dem Wohl der Kinder?

Im Grunde ist unbestritten, dass es im Allgemeinen dem Wohl des Kindes dient, bei seinen biologischen Eltern aufzuwachsen. Bestritten wird dies nur von familienfeindlichen Ideologen, deren Zahl allerdings wächst. Aus dem Kindeswohl ergibt sich auch eine starke Pflicht für Eltern, eine Trennung nach Möglichkeit zu vermeiden.

Man wird kaum sagen können, dass die geforderte Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare das Kindeswohl befördert. Bestenfalls kann es eine Art zweitbeste Lösung sein, dass Kinder getrennt von mindestens einem Elternteil aufwachsen, wie es in solchen Konstellationen der Fall wäre. Und zwar dann, wenn ein Elternteil oder beide Eltern ihrer Pflicht gegenüber den eigenen Nachkommen aus guten Gründen nicht nachkommen können.

4. Lässt sich aus solchen Ausnahmen ein allgemeines Gesetz ableiten? An sich nicht. Jedoch ist genau dies bei allen oben beschriebenen gesellschaftlichen und familienpolitischen Veränderungen der letzten Jahrzehnte geschehen.

Mit dem berühmten Satz „Kinder bekommen die Leute immer“ soll Konrad Adenauer den Einwand gegen seine Rentenreform beiseitegewischt haben, dass dadurch zwar die Versorgung der jeweiligen Rentnergeneration vergesellschaftet werde, die Versorgung der Kinder jedoch Privatsache bleibe, was Familien benachteilige und somit zu einem Rückgang der Geburtenzahlen führen würde. Adenauer nahm an, dass die Familie mit Kindern die Norm und Kinderlosigkeit die Ausnahme bleiben würde. Er konnte oder wollte nicht voraussehen, dass sich die Norm durch die veränderten Rahmenbedingungen verschieben und die Ausnahme immer mehr zur Regel werden würde.

Mit einer ähnlichen Denkfigur wurde die Freigabe der Abtreibung begründet. Aus relativ seltenen, extremen Ausnahmen wie der Schwangerschaft nach einer Vergewaltigung oder der Gefährdung des Lebens der Mutter konstruierten die Befürworter ein allgemeines Gesetz. Dass die Extremfälle nur einen verschwindend geringen Anteil aller Abtreibungen ausmachen, fiel dabei unter den Tisch. Die Ausnahme wurde zur Norm, und heute haben wir gesellschaftlich fast schon so etwas wie eine Pflicht zur Tötung ungeborenen Lebens.

Die Eltern behinderter Kinder müssen sich heute fragen lassen, ob das nicht vermeidbar gewesen wäre – i.e. das Kind nicht vor der Geburt hätte getötet werden können oder müssen. Ganzen Bevölkerungsgruppen wird auf diese Weise praktisch das Lebensrecht abgesprochen, und es ist nur konsequent, auch über die Tötung „auf Verlangen“ alter oder kranker Menschen zu diskutieren, wie es gerade wieder geschieht. Eine Gesellschaft, die das menschliche Leben nicht konsequent schützt, ist zutiefst inhuman.

Und nach dem gleichen Strickmuster war die Argumentation für die Einführung der Ehescheidung gestrickt. Aus der Ausnahme einer nicht mehr tragfähigen Ehe, die keinen anderen Ausweg als die Trennung lässt, ist heute ein allgemeines Gesetz geworden. Die Schwelle zur Scheidung ist drastisch gesunken. Die Ehe, die nicht geschieden wird, ist auf dem besten Weg zur Ausnahme.

In allen drei Fällen wurde die Norm verändert, mit enormen Auswirkungen auf die Mehrheit, die ja angeblich gar nicht von der Änderung betroffen war. Die gleiche Argumentationsfigur begegnet uns auch jetzt wieder allenthalben, gekleidet in die Behauptung, dass sich durch die angestrebte Öffnung für bestehende Ehen oder künftige heterosexuelle Eheschließungen nichts ändern würde.

Dieses Argument ist selbstverständlich falsch, denn eine Änderung der Norm hat immer Auswirkungen auf alle, für die eine Norm gilt. In diesem Fall würde das ohnehin schon geschwächte und aufgeweichte Verständnis der Ehe weiter geschwächt und aufgeweicht. Dagegen lässt sich höchstens sagen, dass es darauf nun auch nicht mehr ankäme.

Gewichtiger allerdings ist ein zweites Argument, das auf der Frage beruht, was die angestrebte Änderung eigentlich für die Geburtenziffer bedeuten würde, den zentralen KPI jeder Gesellschaft. Die Antwort: Im besten Falle nichts. Das läge dann daran, dass die familienpolitischen Maßnahmen der vergangenen Jahrzehnte überwiegend wirkungslos oder gar schädlich wären, jedenfalls nichts zur Erhöhung der Geburtenziffer beigetragen hätten. In diesem Fall wäre es dann auch egal, wenn eine weitere Gruppe in den Genuss allerlei zweifelhafter Regelungen käme, die ihren eigentlichen Zweck – die Familienförderung – ohnehin verfehlen.

Sollten aber wirksame Maßnahmen darunter sein, deren Wirkung nur durch andere, stärkere Gegentrends neutralisiert würde, dann könnte ein ähnlicher Effekt eintreten, wie ihn die Adenauersche Rentenreform hatte. Wenn neben den immer zahlreicher werdenden kinderlosen Ehepaaren noch eine weitere Gruppe von familienpolitischen Fördermaßnahmen profitieren würde, ohne einen eigenen Beitrag zur Reproduktion zu leisten, dann ginge das wieder einmal zu Lasten der Familien mit Kindern.

Schließlich kann das Geld nur einmal ausgegeben werden. Hier liegt ein klassischer Verteilungskampf vor, bei dem eine Gruppe ihren Anteil vom Kuchen fordert, die bis jetzt nicht in diesen Genuss kam. Käme sie zum Zuge, würde der verbleibende Rest des Kuchens kleiner. Man sieht also leicht, dass das oben zitierte Argument, es würde sich ja für Normalbürger nichts ändern, schlicht falsch ist.

Es verwundert eher, warum ein einfach zu durchschauender Propagandatrick so große Verbreitung in einer sich kritisch dünkenden Öffentlichkeit findet. Man könnte sich an Orwell und 1984 erinnert fühlen. Meine Erklärung dafür ist simpel: Wunschdenken dominiert heute die meisten Diskurse. Wir leben in einer Pippi-Langstrumpf-Welt.

Zweimal drei macht vier –
widdewiddewitt und drei macht Neune!
Ich mach‘ mir die Welt –
widdewidde wie sie mir gefällt.

5. Herr Kästner, wo bleibt das Positive? Nun, mittelfristig werden sich Gesellschaften durchsetzen, deren KPI – die Geburtenziffer – bei mindestens 2,1 liegt. Bevölkerungsgruppen, die mehr Kinder hervorbringen, verdrängen die Kinderarmen und Kinderlosen. Insofern ist das Konzept Ehe und Familie immer stärker und wird sich schließlich durchsetzen.

Jedes Kind versteht, dass zweimal drei nicht vier ist, während es mit Pippi Langstrumpf von einer Welt träumt, die Kindern gefällt. Eine Welt, die Kinder schätzt und liebt, ist die beste aller Welten.

6. Nachdem dieser Beitrag ohnehin schon viel zu lang ist, will ich abschließend noch kurz einige zu erwartende Einwände gegen die hier formulierte Argumentation behandeln.

Biologismus: Entspricht nicht meiner Intention. Wohl aber argumentiere ich auf Basis eines Verständnisses von Naturrecht, von dem ich zwar weiß, dass es nicht allgemein geteilt wird, das ich aber weiterhin für eine mit guten Gründen vertretbare Position halte. Insbesondere den Grünen wäre dringend anzuraten, ihre weltanschaulichen Grundlagen auf dieser Basis zu reflektieren und die inneren Widersprüche ihres Denkens zu überwinden.

Nationalismus: Ist ebenfalls nicht intendiert. Die Geburtenrate bezieht sich auf die Gesamtbevölkerung in Deutschland, ohne Berücksichtigung des Passes oder der Herkunft. Der nichtdeutsche Teil der Bevölkerung trägt heute schon überproportional zur Geburtenrate bei, auch wenn mir dazu keine gesicherten Zahlen bekannt sind, weil die entsprechenden Statistiken nicht geführt werden.

Konservatismus: Ist kein sinnvolles Argument, weder positiv noch negativ. Fortschritt ist kein Wert an sich, ebenso wenig wie sein Gegenteil. Beides kann nur von einer normativen Basis aus bewertet werden. Nur dann lässt sich wirklicher menschlicher Fortschritt vom zivilisatorischen Rückschritt unterscheiden. Hier habe ich im Prinzip von der Wertebasis unseres Grundgesetzes aus argumentiert.

Katholizismus: Kommt hier nur relativ sparsam vor. Im Gegenteil könnte man diesem Text eher eine soziologische oder politikwissenschaftliche Argumentation vorwerfen und gerade das katholische Element vermissen. Das war aber durchaus intendiert, ging es mir doch nur darum, zwei in der gegenwärtigen Debatte vernachlässigte Aspekte herauszustellen. Eine vollständige Abhandlung zum Thema vorzulegen entsprach nicht meiner Absicht.

Von dümmlichen Vorwürfen mit -phobie bitte ich abzusehen.

Nachtrag: Ähnliche Überlegungen stellt Roland Tichy an.

Als Katholik in der Diaspora

Als Katholik in der Diaspora konnte ich mich an das Gefühl gewöhnen, Angehöriger einer Minderheit zu sein. Und wie das so ist mit Minderheiten – sie werden wohl in den meisten Gesellschaften benachteiligt. Um es vorsichtig auszudrücken. Wir Katholiken können und sollten uns schon einmal darauf einstellen, dass es uns auch in Deutschland so ergehen wird.

Und ist das Futur überhaupt noch angebracht? Katholische Positionen offen zu vertreten kann im Deutschland des Jahres 2015 bereits den Job kosten. Das hat das Westfalen-Blatt erst in den vergangenen Tagen unter Beweis gestellt.

In diesem Fall ging es nur um eine verunglückte Kolumne, nicht einmal um eine pointiert katholische Position. Hätte die Kolumnistin zum Beispiel geschrieben, dass sie sich durch die Inszenierung einer homosexuellen Partnerschaft als Eheschließung verhöhnt fühle – ich weiß nicht, was geschehen wäre.

Die meisten westlichen Gesellschaften haben das über Jahrtausende bewährte Konzept einer christlichen Ehe in nur wenigen Jahrzehnten fast vollständig ausgehöhlt und nahezu alle Elemente eliminiert, die eine Ehe ausmachen. Aus dem Bund fürs Leben wurde ein Bündnis auf Zeit, der Bezug auf Nachkommenschaft und damit der Bund zwischen den Generationen wurde praktisch aufgelöst, Sexualität hat nur noch wenig mit Nachkommenschaft zu tun, hat daher ihren Platz nicht länger nur in der Ehe und ist allgegenwärtig geworden. Zivilisatorisch ein klarer Rückschritt.

Selbstverständlich ist eine Ehe im klassischen, christlichen Verständnis ein Ideal und niemals eine Beschreibung eines flächendeckend verwirklichten Zustands gewesen. Aber was ist das, was heute wahrscheinlich eine Mehrheit in Deutschland als Ehe bezeichnet, anderes als eine Änderung im Personenstandsregister? Wozu eigentlich heiraten, wenn keines der konstitutiven Elemente einer Ehe mehr gegeben ist? Wegen der Steuervorteile?

Und warum an der Ehe als Bund zwischen Mann und Frau festhalten, wenn Nachkommenschaft nicht mehr zur Ehe gehört? So gesehen ist die Entscheidung in Irland konsequent. Irland hört damit auf, ein katholisches Land zu sein. Auch in Irland werden Katholiken nun zur Minderheit, die entsprechende Nachteile zu erwarten hat.

Ich bin sicher, dass es Leute gibt, die darauf höhnen werden: Geschieht euch recht, so seht ihr einmal, was ihr anderen angetan habt. Partiell ist das sicher wahr (wenn auch nicht gut und schon gar nicht schön). Doch schwerer wiegt der Verlust der Unterscheidungsfähigkeit, der jede Ungleichbehandlung pauschal zu einer Ungerechtigkeit erklärt. Dabei ist es nicht gerecht, Ungleiches gleich zu behandeln, sondern Gleiches. Wo Unterscheidungen angebracht sind, muss unterschieden werden, um der Gerechtigkeit willen. Das hat mit Diskriminierung nichts zu tun.

In gewisser Weise kehrt das europäische Christentum mit dem Schrumpfen zur Minderheit an seinen Ausgangspunkt vor der Konstantinischen Wende zurück. Wir Christen werden uns wieder auf Verfolgungen einstellen müssen. Das ist nicht weiter schlimm und in vielen Teilen der Welt längst Normalität.

Aber bevor es ans Leben geht, ist noch etwas Zeit. Vorerst sollten wir nur damit rechnen, unsere Arbeit und unsere Freiheit zu verlieren. Der kürzlich verstorbene Kardinal und emeritierte Erzbischof von Chicago Francis Eugene George sagte 2010 in einer Ansprache:

„I expect to die in bed, my successor will die in prison and his successor will die a martyr in the public square. His successor will pick up the shards of a ruined society and slowly help rebuild civilization, as the church has done so often in human history.“

Das ist unser Job als Katholiken. Willkommen in der Diaspora.

Johannes Paul II. und die Theologie des Leibes

Völlig entgangen war mir bisher, dass das epochale Werk Menschliche Liebe im göttlichen Heilsplan von Johannes Paul II. schon seit fast zwei Jahren wieder lieferbar ist. Ich hatte seinerzeit das Buch Theologie des Leibes für Anfänger: Einführung in die sexuelle Revolution von Papst Johannes Paul II. von Christopher West mit Gewinn gelesen, dann aber vergeblich nach den Texten gesucht.

Rheinisch-katholisch hat übrigens schon im Februar angesichts der damals noch relativ frischen Missbrauchsdebatte auf die Theologie des Leibes und die beiden Bücher hingewiesen. Eine Einführung besonders für Jugendliche findet sich beim You-Magazin.

Das Problem konfessionsverbindender Ehen

Das Problem konfessionsverbindender, wie es oft beschönigend heißt, eigentlich also konfessionsverschiedener Ehen müsse dringend gelöst werden, hörte ich heute im Radio vom Ökumenischen Kirchentag. Appelliert wurde an alle, die in Theologie und Kirche Verantwortung tragen.

Die Lösung ist doch ganz einfach: Einer der beiden Ehepartner konvertiert zur Konfession des anderen, schon gibt es kein Problem mehr. Warum immer die Lösung von Institutionen erwarten, wenn doch jeder einzelne alles in der Hand hat, was es zur Lösung braucht?

Ich lebe selbst in einer solchen Ehe, also weiß ich, wovon ich rede.