Werte brauchen Gott?

Mich hat das ganze Wertegequassel auch schon lange gestört. Jetzt kommt der erklärte Atheist und WamS-Journalist Alan Posener und bringt auf den Punkt, wo das Problem liegt:

Nein, wenn Gott eine Notwendigkeit ist, dann doch wohl nicht, weil es ohne ihn Fleiß und Disziplin, Liebe und Treue nicht gäbe; sondern weil es ohne ihn (in den Augen dessen, der glaubt) weder die Welt noch die Liebe noch die Menschen noch ein Leben nach dem Tod noch einen Sinn im Leben gäbe. Es ist die große Leistung Martin Luthers, mit dem Protestantismus das Christentum zurückgeführt zu haben auf jene Freiheitsvision des Zeltmachers Paulus, der da sagte: Ihr braucht nicht das Gesetz zu erfüllen, um gottgefällig und also erlöst zu sein. Die Rechnung ist schon durch den Tod Jesu beglichen. Ihr seid frei. Und also könnt ihr das Gesetz nun aus freien Stücken erfüllen, aus Liebe.Man lönnte allenfalls sagen: Gott braucht Werte. Eine eher jüdische Haltung, denke ich, bei der die Erfüllung des Gesetzes den Alltag heiligt. Aber wie man sieht: das Gesetz ist nicht Zweck, sondern nur Mittel zum Zweck. Beim Slogan „Werte brauchen Gott“ ist es umgekehrt.

Ich bin Atheist. Es könnte mir also gleichgültig sein, wenn die Kirchen Gott derart klein machen, dass er sozusagen eine funktionale Leerstelle für eine Leute ausfüllt, die anscheinend auf Vernunft und Einsicht nicht setzen und an die Wirksamkeit von Strafe und Belohnung nicht glauben. Ist es aber nicht.

Wertedebatte

Die hier zuletzt heftig gescholtene CDU debattiert ihr neues Grundsatzprogramm. Johannes Leithäuser weist in der Wochenendausgabe der FAZ auf Differenzen zwischen demjenigen von 1994 und dem sechs Jahre jüngeren familienpolitischen Leitbild hin.

1994: Die Ehe ist das Leitbild der Gemeinschaft von Frau und Mann. Sie ist die beste Grundlage für die gemeinsame Verantwortung von Mutter und Vater in der Erziehung der Kinder.2000: Familie ist überall dort, wo Eltern für Kinder und Kinder für Eltern Verantwortung tragen.

„Verabschiedet sich die CDU vom christlichen Menschenbild?“, fragte im Januar die Tagespost:

In der „Mainzer Erklärung“ […] kommt der Begriff „christliches Menschenbild“ nicht mehr vor. Es scheint sogar vordergründig, dass abgerückt wird von einer christlichen Perspektive und Werteverortung der politischen Entscheidungsprozesse.

Heute hingegen betonte Angela Merkel, das christliche Menschenbild bleibe Leitbild der CDU. Und Christoph Böhr erläuterte die Details:

Aus dem christlichen Menschenbild müsse ein zeitgemäßes Gesellschaftsbild folgen.

Wir dürfen gespannt sein.

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Der richtige Papst zur richtigen Zeit

Harald Schmidt gibt mal wieder ein Interview. Diesmal der taz.

Über Hitler darf man lachen, über den Papst auch. Wie finden Sie den neuen?

Durch den neuen bin ich dazu gekommen, theologische Bücher zu lesen. Weil es mich fasziniert, wie er durch Gelassenheit die Luft aus den schärfsten Diskussionen lässt. Das ist Fügung: es ist der richtige Papst zur richtigen Zeit. Es gibt ein Bedürfnis in der Bevölkerung nach Halleluja. Nach irgendeiner höheren Macht, die sagt, „Werdet leicht wie die Spatzen“.

Werte, auf die man sich verlassen kann.

Vermutlich auch.

Was sind Ihre Werte?

Ich hab’s nicht so mit Werten. Wenn man es schaffen würde, sich an die Zehn Gebote zu halten, liefe es ja sicher nicht schlecht. Mein Eindruck ist, dass in der Bevölkerung so eine Art von Erleichterung herrscht, dass man jetzt wieder sagen kann: man grillt. Oder: man heiratet. Oder: man hat’s gern gemütlich zu Hause. Ich stelle gerade ein Ironieverbot in den Medien fest. Es ist eine neue Ernsthaftigkeit gefragt. Was soll schlimm daran sein, wenn jemand eine Dauerwelle hat?