Lackmustest

Zwar hat der Deutschlandfunk mal wieder weitgehend auf Erläuterungen verzichtet, was genau eigentlich der Kölner Erzbischof will und was nicht, und stattdessen seinen Kritikern breitesten Raum eingeräumt. Den journalistischen Totalschaden verhindet jedoch ein Interview mit einem jener Hirten, denen Scipio in dieser Angelegenheit mit gewisser Skepsis gegenübersteht, wenn er schreibt:

Momentan werden noch Wetten angenommen, ob bei Fortsetzung dieser „Affäre“ andere deutsche Bischöfe dem Kölner Mitbruder beispringen.

Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke jedenfalls zog sich heute früh einigermaßen achtbar aus der Affaire.

Irgendwie böse

Der Spiegel 49/2006 (Ausriss)

Relativ durchsichtig, wie diese Spiegel-Geschichte entstanden sein dürfte. Denn da gibt es einen ehemaligen erzbischöflichen Pressesprecher, der vor kurzem sein Amt verlor.

Opus Dei ist mir auch nicht unbedingt sympathisch. Für das Hamburger Nachrichtenmagazin allerdings scheint es zu den stillschweigenden Voraussetzungen zu gehören, dass das „Werk Gottes“ irgendwie böse – hier: konservativ (die Guten sind „liberal“) ist.

Denn warum das so sein sollte, wird in der relativ langen Story so gut wie gar nicht erläutert, von ein paar Anekdoten abgesehen, die nicht viel mehr als eine gewisse kulturelle Differenz zwischen Spiegel und Opus Dei belegen.

Der Rest der Geschichte ist trivial: Da gibt es ein Netzwerk, das an Einfluss gewinnt. So what?

Weiber zu Hyänen

Der Spiegel 48/2006 (Ausriss)

Noch einmal der Spiegel dieser Woche. In der Autorenzeile unter dieser plumpen Schmähung steht selbstverständlich der Name einer Frau. Liebe Frauen, so wird das nie was mit der Emanzipation.

Verlässlich

Wenn in dieser Welt auf etwas Verlass ist, dann ist es der plumpe Antikatholizismus des Spiegel. Aus der Hausmitteilung dieser Woche:

Liebe, Lust und Leidenschaft müssen im Islam keine Tabus, Genuss und Glaube kein Widerspruch sein: Sexualität soll, anders als etwa im Katholizismus, nicht nur der Fortpflanzung dienen. Wehe dem aber, der sich nicht bis zur Ehe geduldet – ihm drohen, manchmal schon wegen Zärtlichkeiten, empfindliche Strafen.

Kein Kommentar.

Ähnlich klischeehaft kommt eine Deutschlandfunk-Reportage [MP3] von Gunnar Schulz-Burkel über das pfingstkirchliche Jesus Camp und andere christliche Phänomene in den USA daher, auf die mich Str per Mail hingewiesen hat. An christlichen Privathochschulen, so wird dort berichtet, schreiben sich mehr Studenten ein als je zuvor, und der Absatz von CDs mit christlicher Rockmusik ist binnen eines Jahres um 300 Prozent gestiegen. Für Schulz-Burkel ist das offensichtlich der Untergang des unchristlichen Abendlandes.

Archivarbeit

Der Spiegel 41/2006 über die Öffnung des vatikanischen Geheimarchives für die Jahre bis 1939

Alexander Smoltczyk ist es wohl zu verdanken, dass der Spiegel vom kommenden Montag eine ganz lesbare Geschichte über erste Fundstücke aus dem vatikanischen Geheimarchiv der Jahre 1922 bis 1939 bringt. Die zentrale Passage:

Es finden sich die handschriftlichen Aufzeichnungen Pacellis über seine täglichen Treffen mit dem Papst – kurioserweise zwischen Benzin- und Stromrechnungen im Bestand „Stati Ecclesiastici“ verborgen, wo der Kirchenstaat seine Alltagsangelegenheiten ablegte. Es ist eine Entdeckung, welche die Seligsprechung von Pius XII. noch weiter hinausschieben dürfte.

Die Notate des Kardinals Pacelli, über dessen späteres Pontifikat der Schriftsteller Rolf Hochhuth sein Drama „Der Stellvertreter“ schrieb, zeigen eine Kirchenspitze, die den Aufstieg der Nazis zunächst mit Naivität, Ratlosigkeit, bisweilen Wohlwollen beobachtet. Gegenüber dem Kommunismus erschien ihr Hitler als das kleinere Übel.

Aus einer Audienz am 4. März 1933 etwa kommt Pacelli in offensichtlich gehobener Stimmung: „Adolf Hitler ist der erste und einzige Staatsmann, der sich öffentlich gegen die Bolschewisten stellt. Bis jetzt hat das nur der Heilige Vater getan“, so notierte der allmächtige Kardinal in seiner typischen Drei-Millimeter-Handschrift.

In einer anderen Schachtel liegt ein Zettel im DIN-A5-Format in derselben Handschrift. Es ist eine Aufzeichnung vom 1. April 1933, notiert nach der Audienz beim Papst, bei der über die beginnenden Judenverfolgungen in Deutschland gesprochen wurde. Einige Worte sind in eckige Klammern gesetzt, wohl als Kommentar zu einer Aussage des Papstes. Pacelli schreibt: „Es kann der Tag kommen, an dem man sagen können muss, dass etwas getan wurde.“ Ein Schlüsselsatz.

Es ist kein Satz eines Heiligen. Es geht nicht um richtig und falsch, nicht um Moral, sondern um diplomatisches Finassieren. Der Satz zeugt von ratloser Schwäche, Selbstlähmung, Feigheit.

Moderne Mythen

Gestern habe ich das erste Gespräch [MP3] aus der Reihe „Wiederkehr der Religion?“ im Deutschlandfunk gehört. Gesprächspartner war der agnostische Philosoph Kurt Flasch.

Irgendwie doch witzig, dass ein gebildeter Mann wie er, explizit interessiert an der Wahrheitsfrage, offensichtlich der Meinung ist, die Kirche habe bis zur Erfindung der historisch-kritischen Exegese ein wortwörtliches Verständnis der Bibel gelehrt. Dies sei dann „zusammengebrochen“, weshalb nun zum Beispiel allegorisch interpretiert werde (was ihn nun wiederum nicht überzeugen könne).

Da kennt er aber die Kirchenväter schlecht, und er scheint auch nicht zu wissen, dass der Bibelfundamentalismus erst eine (moderne, protestantische) Reaktion auf die diversen Exzesse der modernen (protestantischen) Exegese ist.

Wie wäre es denn, lieber Deutschlandfunk, jemanden zu fragen, der sich mit sowas auskennt?

Auch nett übrigens, wie Flasch den von Jochen Rack ins Feld geführten Gianni Vattimo und dessen mythologisches Credo-Verständnis abfertigt…