Motu Proprio von der Brandstwiete

Der Spiegel 14/2007 (Ausriss)

Eine trivialisierte, auf den Leisten des Hamburger Nachrichtenmagazins gespannte Version der developing story vom Motu Proprio zur Freigabe der alten Messe. Im Spiegel 14/2007. Warum im Deutschland-Teil? Des deutschen Papstes wegen?

Lætáre

Dominia IV in Quadragesima [zit. nach Missale Romanum 2002]

Collecta
Deus, qui per Verbum tuum
humáni géneris reconciliatiónem mirabíliter operáris,
præsta, quǽsumus, ut pópulus christiánus
prompta devotióne et álacri fide
ad ventúra sollémnia váleat festináre.
Per Dóminum.

Fr. John Zuhlsdorf übersetzt:

O God, who by your Word
marvelously effects the reconciliation of the human race,
grant, we beg, that the Christian people
may be able to hasten toward the upcoming solemnities
with ready devotion and eager faith.

ICEL [zit. nach Zuhlsdorf, a.a.O.]

Father of peace,
we are joyful in your Word,
your Son Jesus Christ,
who reconciles us to you.
Let us hasten toward Easter
with the eagerness of faith and love.

Vierter Fastensonntag [zit. nach Schott]

Tagesgebet
Herr, unser Gott,
du hast in deinem Sohn
die Menschheit auf wunderbare Weise mit dir versöhnt.
Gib deinem Volk einen hochherzigen Glauben,
damit es mit froher Hingabe dem Osterfest entgegeneilt.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.

Dominica Quarta in Quadragesima [zit. nach Missale Romanum ca. 1950]

Oratio.
Concéde, quǽsumus, omnípotens
Deus: ut, qui ex merito
nostræ actiónis afflígimur,
tuæ grátiæ consolatióne respirémus.
Per Dóminum nostrum.

Ungerechtigkeit

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) ist die Geschichte einer riesengroßen Ungerechtigkeit. Es war schon mindestens unhöflich, dass der jüngere Sohn vorzeitig um sein Erbe bat, um sich damit ein schönes Leben zu machen. Es war verantwortungslos, das ganze Geld in kürzester Zeit auf den Kopf zu hauen. Doch es ist in höchstem Maße ungerecht, dass der Vater den zurückgekehrten Sohn, der gerade ein Großteil seines Vermögens verschleudert hat, auch noch mit einem Fest belohnt.

Der Zorn des älteren Bruders ist da nur allzu verständlich. Er arbeitet jahrelang fleißig auf dem Hof seines Vaters und bekommt nicht einmal einen Ziegenbock, den er mit seinen Kumpels hätte verspeisen können. Für den Jüngeren dagegen, der gerade einen riesengroßen Bock geschossen hat, lässt der Vater sogar das Mastkalb schlachten. Im Zorn spricht der große Bruder aus, wo der kleine Bruder das Geld gelassen hat: bei Dirnen, bei Frauen also, die für Geld mit fremden Männern ins Bett gehen.

Und nun wird er nicht bestraft für seine Verfehlungen, sondern auch noch belohnt? Ja, schlimmer noch: Offensichtlich hat das Fest begonnen, ohne dass der große Bruder dabei sein konnte, denn er war ja noch auf dem Feld bei der Arbeit. Niemand hat ihn gerufen. Hat ihn überhaupt einer vermisst?

Doch wenn das Fest ungerecht ist, was wäre die Alternative? Der Vater könnte sagen: Was willst Du eigentlich? Du hast bekommen, was Du wolltest. Geh weg, ich will Dich nie wieder sehen. Wäre das gerecht? Vielleicht. Wäre es auch gut? Ganz sicher nicht. An der Oberfläche wäre vielleicht der Gerechtigkeit Genüge getan. Die Chance aber, alles wieder gut zu machen, die wäre vertan. Dieses Gutsein, diese Güte des Vaters ist völlig unverdient. Die hat sich der jüngere Sohn nicht verdient, ganz im Gegenteil. Die bekommt er einfach so.

Aber war es nicht sein gutes Recht gewesen, seinen Teil des väterlichen Erbes einzufordern und damit zu machen, was er wollte? „Fight For Your Right To Party“, singen die Beastie Boys. Kämpft für Euer Recht auf Party! Macht das Beste aus Eurem Leben. Feiert, bis der Arzt kommt oder das Geld alle ist. Oder beides. Was dagegen? Und weiter: Wenn es schief geht, wenn das Geld alle ist und ihr ganz unten angekommen seid, dann ist doch immer noch Zeit genug, zum Vater zurückzukehren. Ihr könnt Euch sicher sein: Euer Vater wird Euch nicht zurückweisen, sondern umarmen – und ein Fest mit Euch feiern.

Hat der jüngere Sohn vielleicht von Anfang an so kalkuliert? War das sein Plan, sich zwar von seinem Vater zu trennen und eigene Wege zu gehen, aber früher oder später zurückzukehren, im sicheren Wissen, jederzeit willkommen zu sein? Wenn wir genauer hinschauen, sieht es nicht so aus. Denn erst als sein Geld alle ist und die wirtschaftliche Lage im Land sich so verschlechtert hat, dass er auch keine Arbeit findet, als er weniger zu essen hat als die Schweine, die er hüten muss – da fällt ihm auf, dass selbst die Tagelöhner seines Vaters mehr zu essen haben als er. Die Tagelöhner sind Arbeiter, die immer nur für einen einzigen Tag beschäftigt werden, die am Abend ihren Lohn bekommen und am nächsten Tag sehen müssen, ob sie wieder Arbeit bekommen oder nicht.

Erst am absoluten Tiefpunkt beginnt der jüngere Sohn zu kalkulieren: Ein Tagelöhner seines Vaters zu sein wäre besser als Schweinehirt zu bleiben und weiterhin zu hungern. Er hat nichts mehr zu verlieren, sein Weg hat ihn in die Sackgasse geführt. Jetzt erst bereut er, was er getan hat. Jetzt kehrt er um und geht zu seinem Vater zurück. Er ist bereit, als Tagelöhner für ihn zu arbeiten. „Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.“ Doch schon bevor er das überhaupt sagen kann, fällt ihm der Vater um den Hals. Der Vater kommt ihm mit seiner Liebe zuvor. Die Tatsache, dass sein Sohn umgekehrt ist, dass er zurückgekommen ist, ist ihm Freude genug. Der Vater weiß vermutlich schon, was er sagen will, bevor er es aussprechen kann.

Stellen wir uns eine andere Wendung dieser kleinen Geschichte vor: Was wäre geschehen, wenn der Sohn zurückgekommen wäre, ohne Reue zu zeigen? Wenn er nicht eingestanden hätte, dass es falsch war, das väterliche Erbe zu verschleudern und schließlich buchstäblich im Dreck zu enden?

Vor einigen Wochen gab es eine breite Diskussion darüber, ob Terroristen, die zu lebenslanger Haft verurteilt worden waren, vorzeitig freigelassen werden dürfen. Es ging um Verbrecher, die seit ungefähr 25 Jahren im Gefängnis sitzen und nun demnächst auf ihre Freilassung hoffen können.

Eine der großen Fragen in dieser Debatte war, ob diese Leute jetzt eigentlich Reue zeigen müssen für ihre einstigen Untaten. Müssen sie vielleicht die Angehörigen ihrer Opfer um Vergebung bitten? Müssen sie den Ideen abschwören, die sie damals zu Attentaten veranlasst hatten?

Wenn die Diskussion ein Ergebnis hatte, dann war es, dass der Rechtsstaat und die Justiz mit Reue und Vergebung nicht viel anfangen können. Ob ein verurteilter Straftäter aus seiner Haft entlassen wird, hängt von anderen, leichter greifbaren Kriterien ab. Zum Beispiel davon, wie er sich in der Haft verhalten hat und ob zu befürchten ist, dass er in Freiheit erneut Verbrechen begehen würde. Zeichen der Reue und die Bitte um Vergebung mögen für eine Freilassung sprechen – eine zwingende Voraussetzung sind sie nicht.

Das wäre nämlich zu viel verlangt. Das Böse hat seine eigene Logik. Es verschleiert die klare Sicht auf die Dinge. Wäre es anders, dann hätte der Sohn schon viel früher erkennen müssen, dass er auf dem falschen Weg ist. Doch erst als er ganz unten ist, merkt er, was los ist. Jetzt bereut er seine Sünden und bemüht sich um Schadensbegrenzung. Der Sohn wagt es nicht einmal, um Vergebung zu bitten – er ist bereit, auf seinen Platz als Sohn des Hauses zu verzichten und wie ein einfacher Tagelöhner für seinen Vater zu arbeiten.

Doch dies lässt die Gnade des Vaters nicht zu. Mit der Reue und dem Eingeständnis seines Scheiterns ist der Weg zur Versöhnung frei. Weil der Sohn seine Sünden bereut, kann der Vater auf die gerechte Strafe verzichten und ein rauschendes Fest feiern. „Auch im Himmel wird mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren“, heißt es bei Lukas (15,7) unmittelbar vor unserem Gleichnis. Und man bemerkt vielleicht den etwas herablassenden Ton, mit dem von den „neunundneunzig Gerechten“ die Rede ist. Es geht um mehr als nur um Gerechtigkeit – es geht um Güte, es geht um Gnade, es geht um die Liebe des Vaters zum Sohn.

Aus Güte, aus Gnade und aus Liebe ruft der Vater uns zur Umkehr. Reue, Umkehr, Buße und Vergebung sind die Themen der Fastenzeit, mit der sich die ganze Kirche auf Ostern vorbereitet. Ostern ist der Sieg der Liebe über den Tod. Der heutige vierte Fastensonntag gibt schon einen Ausblick auf dieses Ziel. Der Eröffnungsvers der Messe heißt:

Freue dich, Stadt Jerusalem!
Seid fröhlich zusammen mit ihr, alle, die ihr traurig wart.
Freut euch und trinkt euch satt an der Quelle göttlicher Tröstung.

Hier klingt die festliche Freude an über die Rückkehr des verlorenen Sohns. Die Freude des heutigen Sonntags ist die Freude Gottes über den Sünder, der umkehrt. Gott freut sich, wenn er einem Sünder vergeben kann. Gott liebt die Menschen auch dann, wenn sie schuldig geworden sind. „Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete“, schreibt Paulus im zweiten Korintherbrief (5,19). Und er fordert uns auf: „Lasst euch mit Gott versöhnen!“ (5,20) Gott tut dazu den ersten Schritt. Er ist mehr als einfach nur gerecht. Gott ist Liebe (1 Joh 4,16).

Eine Note von Kalkül

Die Worte rational und vernünftig unterscheiden sich durch eine Nuance. Rational, da klingt immer so ein bisschen der Gedanke des Kalküls mit. Vernünftiger Gehorsam, das kann man schon sagen, weil es nicht unvernünftig ist, einer solchen personalen Evidenz zu folgen. Vernunftprinzipien sind nicht das absolut Erste – Vernunft setzt voraus: Vertrauen in die Vernunft. Vertrauen aber ist etwas Personales. Es gilt einem Gesicht, einer Stimme.

Sie sagten, im rationalen Gehorsam schwingt eine Note von Kalkül mit. Das könnte zum Beispiel der Verlorene Sohn sein, der eben jetzt doch zum Vater zurückgeht, weil es ihm da objektiv besser geht? Aber Glaube wäre noch mehr, zum Beispiel der Glaube der Märtyrer, die auf Christi Wort hin sein Wort verkünden, obwohl sie genau wissen, dass sie dafür ihr Leben verlieren?

Ja. Und beim Verlorenen Sohn ist es wohl auch so, dass in dem Augenblick, wo der Vater ihn in seine Arme schließt, der Kalkül bedeutungslos wird und er einfach froh ist, wieder bei diesem Vater zu sein. Jesus lehrt uns oft, unseren Vorteil klug zu kalkulieren. Ich sehe darin immer ein Zeichen der göttlichen Barmherzigkeit. Gott könnte sich ja zu schade sein, uns mit Drohungen und Versprechungen zu sich zu locken. Er ist sich nicht zu schade. Die Wunder Jesu sind ja auch von dieser Art. Er tadelt die Juden, dass sie „Zeichen“ sehen wollen, ehe sie ihm glauben. Aber dann gibt er diese Zeichen.

Robert Spaemann im Interview der Tagespost

Oculi

Dominica III in Quadragesima [zit. nach Missale Romanum 2002]

Collecta
Deus, ómnium misericordiárum et totíus bonitátis auctor,
qui peccatórum remédia in ieiúniis,
oratiónibus et eleemósynis demonstrásti,
hanc humilitátis nostræ confessiónem propítius intuére,
ut, qui inclinámur consciéntia nostra,
tua semper misericórdia sublevémur.
Per Dóminum.

Fr. John Zuhlsdorf übersetzt:

O God, author of all merciful gestures and all goodness,
who pointed out the remedies of sins in fasts, prayers, and acts of almsgiving,
look propitiously on this testimony of our humility,
so that we who are flagging in our conscience
may be sustained by your mercy always.

ICEL [zit. nach Zuhlsdorf, a.a.O.]

Father,
you have taught us to overcome our sins
by prayer, fasting and works of mercy.
When we are discouraged by our weakness,
give us confidence in your love.

Dritter Fastensonntag [zit. nach Schott]

Tagesgebet
Gott, unser Vater,
du bist der Quell des Erbarmens und der Güte,
wir stehen als Sünder vor dir,
und unser Gewissen klagt uns an.
Sieh auf unsere Not und lass uns Vergebung finden
durch Fasten, Gebet und Werke der Liebe.
Darum bitten wir durch Jesus Christus.

Dominica Tertia in Quadragesima [zit. nach Missale Romanum ca. 1950]

Oratio.
Quǽsumus, omnípotens Deus,
vota humílium réspice:
atque, ad defensiónem nostram,
déxteram tuæ majestátis exténde.
Per Dóminum nostrum.

Nicht unmittelbar zu Gott

Die Meinung, der Einzelne stehe unmittelbar zu Gott, irrt. So konnte man erst denken, als man vergessen hatte, was es heißt, unter der unmittelbaren Wucht des Heiligen Gottes zu stehen, und an Stelle dieser Erschütterung das „religiöse Erlebnis“ getreten war. Da begann man zu behaupten, jeder könne und müsse es haben. In Wahrheit ist es dem Menschen nicht gemäß, unmittelbar zu Gott zu stehen. Gott ist heilig und redet durch seine Boten. Wer nicht bereit ist, den Boten anzunehmen, sondern den Herrn selbst hören will, zeigt damit, daß er nicht weiß – oder nicht wahr haben will – wer Gott ist, und wer er selbst. . Wir können das Gemeinte auch so ausdrücken: Gott hat das Wesen und das Heil des Menschen auf den Glauben gestellt. Dieser Glaube aber scheint mit seiner Reinheit und Härte erst herauszukommen, wenn er dem Boten gegenüber geleistet wird. Wer also Gott selbst zu hören verlangt, würde damit zeigen, daß er im Grunde nicht glauben, sondern wissen; nicht gehorchen, sondern auf eigener Erfahrung stehen will.

Romano Guardini: Der Herr, 4. VI.

Ein typischer Tag

Stöckchen und dergleichen Brauchtum sind normalerweise meine Sache nicht. Bruder Bernd wünscht sich nun eine Beschreibung meines typischen Tages. Dem Wunsch komme ich gern nach.

5.50
Der Wecker klingelt. Wenn ich es schaffe, stehe ich sofort auf.

6.00
Laudes am großen Tisch in der um diese Jahreszeit noch dunklen Küche.

6.30
Bis Sommer 2006 bin ich um diese Zeit meistens eine halbe Stunde gelaufen, meine Runde über die Deiche. Im August hatte ich mir dann das rechte Sprunggelenk gebrochen und durfte monatelang nicht mehr laufen. Gehen schon, aber laufen nicht.

Außerdem beginnt die Schule für meinen Ältesten seit diesem Schuljahr schon um 8.00 Uhr. Das hat unseren familiären Zeitplan um eine halbe Stunde vorverlegt.

Also Frühstück machen für die Familie, die nach und nach verschlafen eintrudelt. Im Radio läuft der Deutschlandfunk. Zur Morgenandacht rauscht meist gerade das Kaffeewasser.

7.10
Ins Bad. Rasieren, Duschen, Zähneputzen. Sachen packen, Frühstückstisch abräumen (falls das nicht meine Frau macht). An drei Tagen bringe ich meinen Jüngsten in den Kindergarten. Dort können wir frühestens um

8.00
eintreffen. Danach ins Auto und ab zur Arbeit. Auf dem Weg zwei bis drei Gesätze vom Rosenkranz. Je nach Verkehrslage sitze ich ab

9.00 bis 9.30
am Schreibtisch. Arbeit.

13.00
Mittagessen mit den Kollegen oder geschäftlich.

14.00
Arbeit.

18.30 bis 19.00
Feierabend. Ab nach Hause, wo ich etwa um

19.30 bis 20.00
eintreffe. Selten früher. Im Auto die übrigen Gesätze des Rosenkranzes. Früher war ich regelmäßig um 19.00 in der Messe der Karmeliterinnen auf Finkenwerder. Schon länger nicht mehr.

Kinder ins Bett bringen, Geschichte vorlesen, beten. Abendessen, falls nicht schon vorher geschehen.

20.00
Theoretisch Tagesschau. Davon bleibt oft nicht viel übrig. Mittwochs fängt um diese Zeit die Chorprobe an. Oder andere Abendtermine, an anderen Wochentagen: Firmkatecheten, Taufelternabend, Scholaprobe, Berufliches.

20.15
Falls nichts dergleichen ist, dann Küche aufräumen. Spülmaschine aus- und einräumen.

20.30
Vesper, meistens im Arbeitszimmer. Wenn Abendtermine anstehen, dann erst entsprechend später, selten auch gar nicht.

20.45
Am heimischen Schreibtisch. Irgendwas ist immer: Papierkram, Bloggen, Lesen, Zeit für mich.

22.45
Mittwochs und donnerstags gern Harald Schmidt.

23.15
Zähneputzen, Lesehore, noch etwas Lesen und dann Komplet (die fällt in letzter Zeit häufiger aus).

24.00
Licht aus. An Müdigkeit mangelt es mir nicht.

Irgendwo im Morgenprogramm werde ich demnächst wieder mein Laufpensum installieren. Ich kann ohnehin nur mit zehn Minuten anfangen und es dann langsam steigern.

Familienleben findet praktisch nur sonnabends und sonntags statt.

Lebenslügen

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – wie eine tibetanische Gebetsmühle klappern die Beschwörungen aus dem Munde von Politikern aller Parteien. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine der großen Lebenslügen der meisten westlichen Gesellschaften.

Familie und Beruf sind unter den Bedingungen der spätkapitalistischen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft eher ein Antagonismus als eine Symbiose. Sie sind nicht miteinander vereinbar. Berufstätigkeit geht auf Kosten der Familie und umgekehrt.

Daran kann auch verbesserte außerhäusliche Kinderbetreuung nichts ändern. Denn die steht genauso im Gegensatz zur Familie wie der Beruf. Sie macht Berufstätigkeit möglich, nicht Familie. Eine Familie ist nur dann auf zusätzliche Kinderbetreuung angewiesen, wenn alle Bezugspersonen gleichzeitig einem Beruf nachgehen oder aus anderen Gründen abwesend sind.

Es ist kein Zufall, dass seit Anfang der siebziger Jahre gleichzeitig die Geburtenrate gesunken ist und die Erwerbstätigkeit zugenommen hat. 1970 waren in Westdeutschland 26,589 Millionen Menschen erwerbstätig und leisteten durchschnittlich 1.966,4 Arbeitsstunden pro Jahr. Das entspricht bei 46 Arbeitswochen pro Jahr genau 42,75 Stunden pro Woche und Arbeitnehmer.

1991 leisteten 31,261 Millionen Erwerbstätige in Westdeutschland durchschnittlich 1.558,8 Stunden, also 33,9 Stunden pro Woche. Die Gesamtsumme der Arbeitsstunden sank von 52,285 (1970) auf 48,730 Milliarden (1991). Immer mehr Menschen leisten immer weniger Stunden. Im vierten Quartal 2006 waren in Deutschland 39,716 Millionen Menschen erwerbstätig, 1991 waren es 38,621.

Die zunehmende Erwerbstätigkeit wird seit den 70er Jahren von kontinuierlich angewachsener Arbeitslosigkeit begleitet. Arbeitslos ist, wer arbeitswillig ist, aber keine Stelle findet. Demnach würde in Deutschland sogar mehr als jeder zweite Bürger, vom Säugling bis zum Greis, einem Beruf nachgehen, wenn es dafür nur Beschäftigung genug gäbe.

Vor die freie Wahl zwischen Familie und Beruf gestellt, entscheiden sich also seit mehr als einer Generation immer mehr Menschen für den Beruf und damit gegen eine Familie. Tendenziell steigt so das Arbeitskräfteangebot auf dem Arbeitsmarkt, und sofern die Nachfrage dem nicht Schritt hält, sinkt tendenziell der Preis – die Reallöhne schrumpfen.

Die gesamte Lohnsumme, ein erheblicher Teil des Bruttosozialprodukts, wird zudem unter immer mehr Köpfen aufgeteilt. Der einzelne Arbeitnehmer erhält einen kleineren Teil der Lohnsumme als zuvor. Solange die Wirtschaft wächst und die Löhne steigen, fällt dieser Prozess der schleichenden Umverteilung nicht ins Gewicht.

Kritisch wird es, wenn die Wirtschaft stagniert und mit ihr die Löhne. Denn die Lebenshaltungskosten steigen weiter, mithin schrumpft das ohnehin geringe frei verfügbare (also nicht durch laufende Verpflichtungen und Fixkosten gebundene) Monatseinkommen der meisten Familien oder wird gar negativ – Schulden laufen auf.

Diese säkularen Trends verschlechtern die Situation der Familien. In immer mehr Fällen reicht ein Einkommen nicht aus, um davon eine Familie zu ernähren. Was als höhere Erwerbsneigung begann, wird zum Zwang zur Erwerbstätigkeit.

Auch im Berufsleben entstehen neue Ungleichheiten. Wer keine familiären Rücksichten nehmen muss, kann sich vollständig dem Beruf widmen. Ein neuer Typus des Arbeitnehmers tritt auf: der kinderlose, immer verfügbare Arbeitnehmer, der seine Erfüllung allein im Beruf findet.

Dieser Typus wird immer häufiger. Noch vor zwei Generationen gab es ihn so gut wie gar nicht. Evolutionär betrachtet ist er zwar ein Auslaufmodell, da er keine Nachkommen hat. Doch er beeinträchtigt die Karrierechancen für Eltern.

Gegen die DINKs, Doppelverdiener ohne Kinder, haben Familien wirtschaftlich keine Chance. Selbst wenn beide Eltern in Vollzeit arbeiten, fressen bei Normalverdienern die Kosten der Kinderbetreuung große Teile des zweiten Einkommens auf.

Daran würde sich nur dann etwas ändern, wenn die Kinderbetreuung komplett vom Staat finanziert würde. Doch auch dann müssten diese Kosten aus dem Bruttosozialprodukt bestritten werden, und es ist wenig wahrscheinlich, dass Familien dann keine höhere Steuern zahlen oder nicht auf andere staatliche Leistungen verzichten müssten.

Die höhere Erwerbsneigung untergräbt so die wirtschaftliche Basis der Familie. Familien geraten gegenüber der übrigen Bevölkerung ins Hintertreffen. Die freie Wahl zwischen Familie und Beruf mag frei sein für den, der sie ausübt – sie schafft Unfreiheit für andere.

Historisch gesehen ist diese freie Wahl zwischen Familie und Beruf für breite Bevölkerungsschichten ein neuartiges Phänomen. Erst die Adenauersche Rentenreform vor 50 Jahren hat die wirtschaftliche Abhängigkeit von eigenen Nachkommen gelockert – und damit die Möglichkeit geschaffen, auf Nachkommen zu verzichten.

Und erst die breite Verfügbarkeit von künstlichen Verhütungsmitteln seit den 60er Jahren hat es möglich gemacht, diesen Verzichtswunsch in die Tat umzusetzen und trotzdem nicht ehelos oder enthaltsam zu leben. Beides zusammen hat seit dem Pillenknick eine immer stärkere Unwucht in der Lastenverteilung zwischen den Generationen und innerhalb der einzelnen Generationen geschaffen.

Mit Rentenbeiträgen beteiligen sich alle Erwerbstätigen am Unterhalt für die Eltern- und Großelterngeneration. Der Unterhalt der Kinder bleibt hingegen allein den Eltern überlassen. Eltern verzichten dafür nicht nur auf Erwerbseinkommen, sondern auch auf Rentenansprüche.

Kinderlose erwerben in dieser Zeit Rentenansprüche, die später von den Kindern anderer Leute bedient werden müssen – die selbst meist geringere Rentenansprüche haben, obwohl sie die Kosten jener Kinder überwiegend allein getragen haben.

Dem wäre allenfalls durch massive Umverteilung von Kinderlosen zu Familien entgegenzuwirken. Das jedoch kehrte die heutige Lage vollständig um. Seit fünfzig Jahren wird massiv von Familien zu Kinderlosen umverteilt.

Mit der diskutierten Kürzung von Familienleistungen zugunsten der staatlichen Finanzierung von Kinderkrippen würde sich an diesem Ungleichgewicht überhaupt nichts ändern. Es würde im Gegenteil weiter verschärft.

Die Umverteilung von Familien zu Berufstätigen tritt damit in eine neue Phase: Genommen wird den Eltern, die ihre Kinder selbst betreuen (und dafür auf Erwerbseinkommen verzichten), gegeben den Eltern, die Betreuungsleistungen in Anspruch nehmen, um Erwerbseinkommen zu erzielen.

Eine gerechte Lösung wäre zum Beispiel ein erheblich höheres Kindergeld, das die Kosten von Krippen, Kindergärten, Horten und Berufsausbildung ausgleichen könnte. Es wäre das fehlende Gegenstück zur Rente und müsste wie die Rente aus Sozialbeiträgen oder aus Steuermitteln finanziert werden. Die Höhe müsste sich am Ziel orientieren, die heutige Umverteilung von Familien zu Kinderlosen zu kompensieren.

Von solchen Zielen allerdings ist die gegenwärtige Familienpolitik weit entfernt. Sie suggeriert das Unmögliche – die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – und vergrößert die wirtschaftliche Benachteiligung von Familien, statt sie zu verringern.

Lakonisch referiert Rudolf Maresch in Telepolis einige Thesen von Norbert Bolz:

Während die Kluft zwischen dem Lebensstil von Eltern und dem von Kinderlosen stetig wächst, schreitet der Zerfallsprozess, den Funktionalisten beschreiben, munter voran. Sein Ende ist am Horizont schon zu beobachten. Ganz nüchtern müsse man daher feststellen, dass Kinderaufzucht und Erziehung nicht mit der modernen Wirtschaft kompatibel sind. Mit Kindern kann der moderne Kapitalismus, außer sie konsumieren, wenig anfangen. Eine Familie zu gründen, ist mittlerweile eine törichte Entscheidung mit ungewissem Ausgang. Wer sich dazu bekennt, handelt ökonomisch dumm, weil er sich unnötige Kosten aufbürdet, die er besser anderweitig ausgibt, aber auch kulturell fahrlässig, weil er sich freiwillig eigener Chancen und persönlicher Bewegungsfreiheit beraubt.

Kinder haben keinen Wert, in sie zu investieren, macht keinen Sinn, sie bleiben unkalkulierbare Fixkosten hinsichtlich Ausbildung, Sozialisation und Beruf. […] Der „Vorsorgestaat“ (Francois Ewald) oder „vorsorgende Sozialstaat“, wie es im SPD-Programm jetzt heißt, lügt sich in die Tasche, und mit ihm all jene Kohorten rotgrüner Besserverdiener, die glauben, den „Kinderschwund“ durch eine „Verstaatlichung der Kinder“ beikommen zu können. Sie in soziale Bewahranstalten zu sperren, wird kaum für Abhilfe sorgen. Sie bieten vielleicht Betreuung, aber keine Hingabe und liebevolle Zuwendung. Und sie bieten Kompensation, um das schlechte Gewissen und Schuldgefühle von Eltern zu betäuben. Was die Gesellschaft im innersten zusammenhält: Handlungen zu begehen ohne Gegenleistung zu erwarten, kann weder vom Markt noch vom Staat organisiert werden.

Dem ist wenig hinzuzufügen.

Liturgisches Suchspiel

Zweiter Fastensonntag. Das Hirtenwort des Bischofs liegt als Broschüre am Eingang aus. Ich nehme ein Exemplar mit.

Der Pfarrer zieht zum feierlichen Orgelvorspiel ein. Er trägt ein Gewand in bräunlich-rötlichen Farben, das von fern einem Teppich aus den siebziger Jahren gleicht. Vor ihm tragen zwei Ministranten den Weihrauch. Der Altar ist mit Blumen geschmückt, die vom Weltgebetstag der Frauen stammen, wie sich später herausstellen wird.

Nach der Eröffnung tritt der Diakonatsanwärter ans Ambo und ruft die Gemeinde zur Besinnung. Auf Kyrie und Vergebungsbitte folgt ein vom Pfarrer frei formuliertes Gebet. Nach der ersten Lesung singt die Gemeinde „Du bist da, wo Menschen leben“.

Der Pfarrer verkündet das Evangelium. Anschließend fragt er die Kinder, was sie auf dem aus China stammenden Hungertuch sehen, mit dem die Kreuzigungsgruppe über dem Tabernakel verhängt ist. Daran schließt sich eine Predigt an.

Danach wird das Apostolische Glaubensbekenntnis gesprochen. Es folgen die Fürbitten und die Kollekte. Den Gesang zur Gabenbereitung singt der Pfarrer kräftig mit, während er die Gaben bereitet. Zur Händewaschung treten die beiden Kommunionhelfer zum Pfarrer an den Altar.

Nach dem Gesang trägt der Pfarrer die Antiphon „Mein Beten steige zu dir auf, wie Weihrauch, Herr, vor deinem Angesicht“ vor. Die Gemeinde wiederholt sie. Der Pfarrer beginnt die Präfation. Nach Sanctus und Wandlung folgen die Akklamation „Wir preisen deinen Tod“ und ein nicht identifzierbares (Kinder[?]-)Hochgebet mit weiteren Akklamationen.

Zum Vater unser bilden die Kinder einen großen Kreis um den Altar. Das Vater unser wird nach einer anderen Melodie gesungen und mit Gebärden begleitet. Der Embolismus entfällt, ein frei formuliertes Friedensgebet und der Friedensgruß schließen sich an. Der Pfarrer geht mit der Hostienschale einmal den Kreis um den Altar entlang, reicht Ministranten und Kommunionhelfern die Kommunion und bezeichnet die Kinder mit einem Kreuzzeichen.

Danach folgen das dreifach gesprochene Lamm Gottes und die Kommunionausteilung. Dazu spielt die Orgel. Nach einem Danklied trägt der Pfarrer ein frei formuliertes Gebet vor, lädt zum Kirchenkaffee und und erteilt den Segen. Ite missa est. Deo gratias. Zum Schlusslied zieht der Priester mit den Ministranten und Kommunionhelfern aus. Es folgt ein kräftiges Orgelnachspiel.

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