Spätestens mit dem Artikel von Paul Badde in der Welt hat das Thema eine gewisse Verbreitung in Deutschland gefunden – die (wahrscheinlich? womöglich?) bevorstehende Freigabe der Alten Messe durch ein päpstliches Dekret. Im fonolog zum Beispiel wird bereits diskutiert. Wenn ich richtig sehe, fasst Georg die Bedenken gegen diesen Schritt hier einigermaßen vollständig zusammen:
Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so weit gehen wird, die eigentlichen Vorsteher der Eucharistie in den Ortskirchen, die Bischöfe nämlich, (vgl. Ignatius von Antiochien) einfach zu desavouieren und ihre Letztverantwortung für diese Genehmigung zu übergehen;
aber er wird den bürokratischen Aufwand, der z.Z. dafür noch nötig ist sicher deutlich entschärfen;
Zu befürchten ist, dass manche „Elitetruppen“ innerhalb der Kirche nun meinen, „ihre Zeit“ sei gekommen. Allerdings glaube ich, dass diese Gruppen sehr bald erkennen werden, dass der Zulauf und die Begeisterung für den alten Ritus letztlich doch auf eine Minderheit beschränkt bleibt.
Nun war es gerade ein Problem der bisherigen Regelung, dass sie den Bischöfen einen Einfluss auf die Gestalt des römischen Ritus gab, der ihnen nicht zukommt. Denn – und das weiß Benedikt XVI. – es kann nur einen römischen Ritus geben, und über dessen konkrete Gestalt haben weder einzelne Bischöfe noch Bischofskonferenzen zu befinden. Fragen des Ritus gehen die ganze römische Kirche an. (Und deshalb ist es auch umso absurder, dass heute praktisch einzelne Priester oder auch Laien über die konkrete Gestalt des Ritus entscheiden.)
Das seit vierzig Jahren bestehende Problem, dass es de facto zwei solcher Riten gibt, von denen der eine nur unter fast grotesk zu nennenden Schwierigkeiten gefeiert werden kann, würde mit der nun diskutierten Regelung auf geradezu salomonische Weise gelöst: ein Ritus in zwei Formen, der gewöhnlichen (Missale 1970ff.) und der außergewöhnlichen (Missale 1962). Das scheint mir eine zugleich praktikable und liturgisch korrekte Lösung für ein schwerwiegendes Problem zu sein.
Sie macht auch den Weg frei für eine – horribile dictu! – längst überfällige Reformvision des Missale von 1962 und der übrigen vorkonziliaren liturgischen Bücher, um zum Beispiel einen einheitlichen liturgischen Kalender wiederherzustellen. Fragen wie diese können überhaupt erst wieder gestellt werden, wenn die Alte Messe (und mit ihr die gesamte Alte Liturgie) aus ihrem Schattendasein befreit werden.
Ob der Zulauf zur traditionellen lateinischen Messe tatsächlich ein Minderheitenphänomen bleiben wird, daran sind doch einige Zweifel erlaubt. Ein Berliner Beispiel spricht eine andere Sprache. Entscheidend dürfte mittelfristig sein, welchen Weg die junge Generation rechtgläubiger und liturgisch wohlinformierter Kapläne (die es zweifelsfrei gibt) gehen wird. Werden sie die außergewöhnliche Form des lateinischen Ritus erlernen? Werden sie sie zelebrieren?
Den Rest regeln dann, ganz marktwirtschaftlich, Angebot und Nachfrage. Die Alte Messe hat sich in ihrem vierzigjährigen Exil als erstaunlich vital erwiesen. Wer weiß, ob sie nicht sogar neue Bewegung in erstarrte und schrumpfende Gemeinden bringt? Auf jeden Fall würde mit einer Freigabe die Absonderung in randständige Traditionalistenclübchen aufgebrochen, und allein das ist eine gute Sache.
Na, und ich habe gut reden – von hier aus sind es über 150 Kilometer zur nächsten traditionellen lateinischen Messe… Ich muss ergänzen: …die in Einheit mit dem Papst gefeiert wird. Denn nach Hamburg ist es nicht so weit.