Henscheid über Käßmann

Wer geht Ihnen im Moment von all den öffentlichen Figuren besonders auf die Nerven?

Henscheid: Unter den neuen und allerneuesten hat sich eine Gestalt hervorgetan, die „den Bürgern draußen im Lande“, wie Willy Brandt immer zu sagen pflegte, als ganz besonders tapfere kleine Frau gilt, nämlich die inzwischen sehr bekannte Bischöfin Margot Käßmann. Ich war nachweislich einer der ersten, der mit einer kritischen Käßmann-Einlassung vor sieben Jahren schon den richtigen Riecher hatte. Nicht weil sie betrunken durch Hannover fuhr und so Todesopfer riskierte. Aber dieses Gesamtkunstwerk an Bluff, Simulationskunst, Selbstbeschwörung und spätlutheranischer Frauenaufrechtheit ist zumindest mir, um es mit einem Wort zu sagen, zuwider.

Quelle: Mainpost

Zu viel Käßmann, zu wenig religiöse Themen

So lässt sich knapp die Summe aus zwei Medienthemen der letzten Tage ziehen. Die taz verspottet unter der Überschrift „die wahrheit“ (selbstverständlich wird die Wahrheit bei der taz kleingeschrieben) eine epd-Reportage über den USA-Aufenthalt der ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden.

Statt froh zu sein, dass die Labertasche Gottes nach Amerika ausgewandert ist, weint man der Ampelüberfahrerin Margot Käßmann in Hannover bittere Tränen nach – zumindest bei der christlichen Nachrichtenagentur epd. Deshalb hat sich die Chefredakteurin des Landesdienstes Niedersachsen, Ulrike Millhahn, kurzerhand eine Reise nach Atlanta gegönnt, wo die angebetete Exbischöfin bei einer Universität Unterschlupf gefunden hat.

„Ehemalige EKD-Ratsvorsitzende lebt vier Monate in den USA“, lautete der Titel der anlasslosen epd-Reportage am vergangenen Mittwoch. Vier Monate hat man es ohne Schwester Käßmann ausgehalten, nun wanzt man sich wieder an die gefallene Landestochter heran.

Wenn ich mich nicht täusche und meinen Wolf Schneider noch richtig im Kopf habe, hat diese seltsamen Kopplungen (epd-Reportage, USA-Aufenthalt, EKD-Ratsvorsitzende) übrigens einst der Spiegel erfunden. Dem Spiegel gab besagte Frau Käßmann, die in eigener Person mehr als genug in den Medien vorkommt, nun ein kurzes Interview, in dem sie den Mangel an religiöser Berichterstattung in den Medien anprangerte.

Es ist eine Verachtung der Realität, dass in den Medien solche Themen so wenig vorkommen. Ich finde diesen Traditionsverlust wirklich traurig.

Nüchtern betrachtet sehe ich das ähnlich. Allerdings kann ich auf den überwiegenden Teil der religiösen Medienberichterstattung der letzten Jahre auch noch ganz gut verzichten. Nicht zuletzt auf die Berichterstattung über Margot Käßmann. Und da Blogs irgendwie auch Medien sind, auch auf diese Notiz. Die löst sich damit in ein Logikwölkchen auf. Wo ist mein Blitzdings? Liebe Leser, Sie haben nicht das Geringste bemerkt.

Sie war Päpstin

Diese Frau ließ nichts aus. Sie gehörte zu den ersten protestantischen Bischöfinnen in Deutschland, war die erste Frau an der Spitze der EKD. Sie zog vier Töchter groß, hatte Krebs und ließ sich scheiden.

Für eine Schlagzeile verkaufte sie im Zweifel knapp 500 Jahre Protestantismus (von 2.000 Jahren Christentum ganz zu schweigen). Statt durch Fach- und Sachkenntnis fiel sie eher durch Soundbites auf und stellte darin den mit allen medialen Wassern gewaschenen Vorgänger im höchsten Amt der EKD noch in den Schatten.

Ökumene gab es mit ihr nur zu ihren Bedingungen. Sie profilierte sich gegen die katholische Kirche und schaffte es trotzdem, den schwarzen Peter der Ökumene Rom zuzuschieben. Sie attackierte gern und regelmäßig den Papst, predigte gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr, lavierte in den kritischen Fragen des Lebensschutzes wie Embryonenforschung und Sterbehilfe herum.

Sie war eine Karrieristin und wollte zu viel. Am Ende trat sie zurück, weil 1,54 Promille am Steuer eines Dienstwagens doch etwas viel sind. Das Maß an Eskapaden war einfach voll, die Unterstützung im Rat der EKD nur noch halbherzig. Der Rücktritt kam daher genau zur richtigen Zeit. Sie war Päpstin, jetzt ist sie heilig. Mehr geht nicht.

Drei der üblichen Verdächtigen über das gegenwärtige Pontifikat

The European lässt vier mehr oder weniger Prominente jeweils eine Zwischenbilanz des Pontifikats Benedikts XVI. ziehen, darunter die unvermeidliche Margot Käßmann und den ehemaligen Leiter des deutschen Programms von Radio Vatikan, Pater Eberhardt von Gemmingen. Den freundlichsten und sachkundigsten Beitrag liefert Volker Resing.

Als komplett ahnungslos steht allerdings Alan Posener da, den ich bis dato für sein früheres Blog Apocalypso durchaus geschätzt habe. Er hat sich in seiner Fehde mit dem Papst leider als nicht satisfaktionsfähig erwiesen. Schade.

Margot Käßmann und Angela Merkel werden sich gut verstehen

Die Süddeutsche bringt es auf den Punkt:

Margot Käßmann ist, wie immer mehr Pastoren, geschieden: Das Pfarrhaus verliert seine Funktion als kulturell-pädagogische Keimzelle. Und die neue Chefprotestantin stammt aus der evangelischen Weltverbesserungs-, aus der Kirchentagswelt. Sie wird den tagespolitischen Interventionismus ihrer Kirche fortsetzen und den Eigengehalt religiöser Rede in Talkshows zugunsten von sozialer Zeitgenossenschaft kaschieren. Zwar betont sie jetzt stärker das Geistlich-Pastorale, aber das wirkt eher wie eine Legitimation, ja eine Kompensation des politischen Engagements. Margot Käßmann und Angela Merkel, so scheint es, werden sich gut verstehen.