Selbst auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise haben wir in Deutschland noch fast eine Rekordbeschäftigung. Jeder zweite Bürger, vom Kleinkind bis zum Greis, geht einer Erwerbstätigkeit nach. Arbeitslosigkeit existiert nur, weil die Erwerbsneigung noch höher ist. Und die Erwerbsneigung ist höher, weil die früher stabilen Familien als Lebens- und Erwerbsgemeinschaften mehr und mehr aufgelöst werden. Diese Auflösung ist überhaupt nur möglich, weil sie staatlich subventioniert wird. Diese Subvention heißt Hartz IV. Man kann das gut finden oder schlecht, aber der Zusammenhang ist offensichtlich.
Vor der Erfindung des modernen Sozialstaats gab es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu bestreiten: Erwerbsarbeit oder Leben in einer Familie, deren Auskommen durch Erwerbsarbeit oder Besitz gesichert ist. Der moderne Sozialstaat ist als dritte Möglichkeit hinzugekommen. Nun gibt es Menschen, und ihre Zahl wächst, die ohne Erwerbsarbeit und ohne Familie leben können. Ob sie das wollen oder nicht, ist erst einmal unerheblich. Sie können es, und sie tun es.
Laut einer Studie des DGB aus dem Jahr 2008 bekommen 42 Prozent der Alleinerziehenden Hartz IV. Anders als die klassische Familie, unter denen der Anteil der Hartz-IV-Empfänger deutlich geringer ist, ist das Modell der Alleinerziehenden also offensichtlich auf die Finanzierung durch den Staat angewiesen. Nur diese Finanzierung macht es (in 42 Prozent aller Fälle) überhaupt möglich. Wie ich oben schon schrieb, kann man das gut oder schlecht finden, aber der Zusammenhang lässt sich nicht leugnen.
Je kleiner die familiären Einheiten, desto größer die Erwerbsneigung in der Gesamtbevölkerung. Denn in jeder familiären Einheit muss oder will tendenziell mindestens eine Person einer Erwerbsarbeit nachgehen. Deshalb haben wir trotz annähernder Rekordbeschäftigung immer noch Arbeitslosigkeit. Das Angebot an Arbeitskräften ist dauerhaft größer als die Nachfrage.
In einer solchen Situation wird das Kapital strukturell knapper als die Arbeitskraft. Der Preis des Kapitals steigt, der Preis der Arbeitskraft fällt. Sinkende oder stagnierende Reallöhne führen am Arbeitsmarkt aber nur begrenzt zu sinkendem Arbeitskräfteangebot, da tendenziell nur die untersten Lohngruppen als Nachfrager ausfallen und zu Hartz IV wechseln. Für sie lohnt es sich nicht mehr zu arbeiten.
Der Arbeitsmarkt funktioniert also nicht wie ein Gütermarkt. Sinkende Löhne verringern die Erwerbsneigung kaum, im Gegenteil: Sie fördern den Trend zum Zusatzeinkommen. Familien sind auf ein zweites Einkommen angewiesen, wollen sie ihren Lebensstandard halten. So erhöhen sinkende Löhne sogar noch das Arbeitskräfteangebot. Das Ergebnis ist strukturelle Arbeitslosigkeit mit einem Sockel aus Hartz-IV-Empfängern.