Abtei Mariawald und Muck Abbey

Ein kleines Fazit am Tag nach meiner Rückkehr.

In gewisser Weise ist Mariawald das passgenaue Gegenstück zu Muck Abbey, jener Abtei im fernen Irland, von der die hier schon erwähnte Erzählung von Brian Moore handelt. Die irischen Mönche halten als letzte an der alten, lateinischen Messe fest, bis sie schließlich ein Verbot aus Rom bekommen. Die Trappisten hingegen sind die ersten im deutschen Sprachraum, die wieder zur alten Messe zurückkehren, weil sie die entsprechende Erlaubnis aus Rom bekommen haben.

Abtei Mariawald

Die Realität dieser Abtei in der Eifel ist zum Glück erfreulicher als die Fiktion jener Abtei auf der irischen Insel. Dennoch ist die mutige Reform alles andere als ein Selbstläufer. Die Mönche von Mariawald brauchen unsere Unterstützung durch Gebet, durch Einkauf im Onlineshop oder auch durch direkte Spenden. Die Arbeit der Mitbrüder und die Einnahmen aus den klostereigenen Betrieben reichen nicht aus, um den Erhalt der Abtei zu sichern.

Wenn ich nach bis jetzt drei Klosteraufenthalten meine persönlichen Favoriten nennen sollte, dann wäre die Reihenfolge klar:

  1. Mariawald
  2. Gerleve
  3. Meschede

Nun ist die Reihe an Euch, liebe Leser. Welches Kloster sollte ich als nächstes besuchen? Vorschläge bitte in die Kommentare.

Ich harre der Vorschläge, die da kommen, und nehme jetzt noch einen kleinen Original Trappisten-Abtei-Tropfen (sehr zu empfehlen und hier zu erwerben!).

Abtei Mariawald kurz nach der Wende

Seit zwei Tagen bin ich nun in Mariawald, zwei Nächte werden noch folgen. Es ist mein dritter Gastaufenthalt in einem Kloster, nach den beiden Benediktinerabteien Gerleve (2007) und Meschede (2009) nun also Trappisten. Bei denen ist alles etwas zisterziensisch-schlichter als bei den Benediktinern.

Es fängt beim Äußeren an. So hat die Abteikirche nur einen kleinen Dachreiter mit zwei Glocken, die per Hand und Seil aus dem Chorraum geläutet werden. Mariawald ist zwar eine große Klosteranlage, aber mit elf Mönchen nur eine sehr kleine Abtei, insbesondere im Vergleich zu Gerleve und Meschede. Das Chorgebet wird inzwischen fast vollständig im überlieferten zisterziensischen Ritus gesungen, nur die Vigilien (um 3.15 Uhr!) werden derzeit noch nach dem deutschen Mariawalder Psalter gefeiert.*

Allerdings tragen das Chorgebet in diesen Tagen im Wesentlichen nur vier Mönche, was keinen sehr mächtigen und prachtvollen Gesang ergibt, sondern eher ein stilles, inniges und zurückhaltendes Chorgebet. Ich brauchte etwas Zeit, mich einzuhören, doch inzwischen fühle ich mich darin schon fast zuhause. Zumal ich mit dem Breviarium Romanum ein eng verwandtes Stundengebet praktiziere.

Im Alltag fehlt mir die Zeit für ein vollständiges Breviergebet. So bleibt es meist bei Laudes und Vesper, an der Komplet arbeite ich noch. Umso mehr habe ich es mir aber angewöhnt, wenn ich denn mal im Kloster bin, dort möglichst keine Gebetszeit zu verpassen. Der Tag bekommt dadurch seinen ganz eigenen Rhythmus.

Mariawald ist nicht nur die einzige Trappistenabtei in Deutschland. Mariawald ist auch das erste und meines Wissens einzige Kloster hierzulande, dass sich entschieden hat, zur Liturgie und zur Observanz im Alten Usus zurückzukehren. Der junge Abt Josef Vollberg hat damit eine radikale Konsequenz aus dem Niedergang des Klosters und dem ausbleibenden Erfolg der nachkonziliaren Reformen gezogen.

Falls jemand einen großen Novizenansturm erwartet hatte, dann ist der bis jetzt ausgeblieben. Wie zu hören war, waren zwar schon eine Reihe Nachwuchskräfte im Kloster, von denen jedoch die wenigsten blieben. Mir scheint es aber für eine erste Bilanz noch reichlich früh, ist doch die Umstellung auf die tradierte Liturgie und Observanz nicht einmal abgeschlossen.

Der Nukleus für eine neue Blüte des Klosters ist ganz klar vorhanden. Mariawald hat jetzt ein einzigartiges Profil. Für neue Berufungen braucht es indes Zeit. Wie mit der Wiedereinbürgerung des Usus antiquior in der Universalkirche verhält es sich auch hier: Mit der überlieferten Liturgie steht nun eine kleine, aber wachsende Minderheit neben einer schrumpfenden Mehrheit.

Mittelfristig sind die Aussichten für wachsende Gruppen freilich besser als für schrumpfende. Schrumpfungsprozesse sind immer schmerzhaft und bergen die Gefahr einer Abwärtsdynamik, während Wachstumsprozesse eher mit positiver Dynamik und besserer Stimmung einhergehen. Beide Prozesse befeuern sich selbst, weshalb eine Schrumpfungsdynamik, einmal in Gang gekommen, nur schwer zu stoppen ist. Wachstum hingegen hat seine eigene Dynamik.

Mariawald ist ein denkbar starker Kontrast zu Meschede. Hier traditionelle Trappisten, dort moderne Benediktiner. Hier lateinische Liturgie im alten Usus, dort ein vorbildlich modernisiertes und entkerntes Stundengebet auf Deutsch. Hier eine 500 Jahre alte Klosteranlage, dort ein im vergangenen Jahrhundert erbautes Kloster mit einer in den sechziger Jahren errichteten Abteikirche.

Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich diese beiden Klöster in den kommenden Jahrzehnten fortentwickeln. Kann Meschede aus seiner Blütezeit in den achtziger Jahren genug Schwung und kritische Masse mitnehmen, um auch künftig zu bestehen? Wird Mariawald neuen Schwung bekommen und die kritische Masse aufbauen, die zum Überleben notwendig wäre? Zu wünschen wäre es beiden.

* Vgl. dazu auch Thomas sein Abendland (2008).

Die Liturgie in Königsmünster

Das Stundengebet in der Abtei Königsmünster wird auf Deutsch nach dem Benediktinischen Antiphonale von 1996 gehalten. Nach meinem Eindruck aus knapp vier Tagen hält sich der Konvent relativ eng an die Bücher. Insbesondere feiern die Mönche jene fünf Horen, die das Antiphonale vorgibt: Vigil, Laudes, Mittagshore, Vesper und Komplet. Und zwar jeweils als eigenständige Feiern. Nur sonntags finden Vigil und Laudes direkt hintereinander statt. Die Vigil hat dann, anders als werktags, nur eine Nokturn, heute wurde die zweite genommen. Laudes, Mittagshore und Vesper begleitet die Orgel, die Vigil wird größtenteils rezitiert und die Komplet ohne Orgel gesungen.

Der Tag beginnt mit der Vigil um 5.30 Uhr. Nach dem dreifachen Herr, öffne meine Lippen folgt ein täglich wechselnder Psalm zum Invitatorium, der gesungen wird. Danach wird die Tür zur Klausur geschlossen, die Mönche im Chor rücken zur Mitte hin auf, sodass zwischen ihnen keine freien Plätze bleiben. Genauso verfahren sie zur Mittagshore. Die übrigen Horen beginnen mit einem Einzug.

In der Vigil werden dann die Psalmen der beiden Nokturnen rezitiert, den jeweils längeren mittleren Psalm liest der Tischleser vor. Der Versikel entfällt, auf den Segensspruch folgt eine Lesung. In diesen Tagen wurden Dietrich Bonhoeffer und Karl Rahner gelesen. Als Responsorium sieht das Antiphonale jeweils einen Abschnitt aus Psalm 119 vor, responsorial vorgetragen. Danach folgt die zweite Nokturn. Ohne Lesung und Responsorium. Den Abschluss der Vigil, wie ihn die Mescheder Mönche singen, konnte ich im Buch bis jetzt nicht finden: Hymnus, Te Decet Laus oder noch etwas anderes? Die Vigil endet mit der Oration, ohne Segensspruch.

Interessanterweise hält das Antiphonale sonntags im Gegensatz zu den übrigen Tagen einen Hymnus gleich nach dem Invitatorium bereit. Die dritte Nokturn am Sonntag besteht aus einem Canticum. Weder Hymnus noch Canticum wurden jedoch gesungen. Sonntags beginnt die Vigil in Königsmünster erst um 6.15 Uhr, die Laudes schließen sich direkt an. An den übrigen Tagen ist zwischen Vigil und Laudes, die um 6.45 Uhr beginnen, eine stille Zeit. Zu den Laudes werden vier Psalmen gesungen. Auf die Kurzlesung folgt eine lange Pause, bevor die Mönche das Responsorium und den Hymnus singen.

Übrigens lassen sie einige, in eckigen Klammern angegebene Psalmverse weg. Das Vorwort zum Antiphonale schreibt dazu:

Auch sogenannte „schwer vollziehbare“ Stellen sind nicht eliminiert (wie in der Liturgia Horarum), sondern lediglich durch eckige Klammern gekennzeichnet, für jene, die den „Mut zur ganzen Schrift“ nicht aufbringen können und sie übergehen wollen.

Als Cantica in den Laudes wie auch in der Vesper sieht das Antiphonale nicht etwa täglich Benedictus und Magnificat (und Nunc Dimittis in der Komplet) vor. Das Benedictus wird am Sonnabend gesungen, das Magnificat in der Ersten Vesper vom Sonntag. Das schon erwähnte, wortreiche und streckenweise leicht apologetisch gehaltene Vorwort merkt dazu an:

Obwohl die „klassischen“ Cantica de Evangelio durch ihren bevorzugten Einsatz an Festtagen auch im vorliegenden Antiphonale ihren traditionellen Rang erkennen lassen, sind sie hier nicht täglich vorgesehen. Dieser gewiß hohe Preis ist unseres Erachtens zu zahlen, wenn die anderen Cantica aus dem Neuen Testament – deren Aufnahme ins Stundengebet vielen als die bedeutendste Frucht seiner Reform gilt! – an einem ihrer Herkunft und ihrer Aussage angemessenen Platz innerhalb der Hore gesungen werden sollen. Sie werden hier also nicht der Psalmodie angehängt (oder gar ganz eliminiert), sondern es ist ihnen der prominente Platz eingeräumt, den vor der Reform einzig Magnificat und Benedictus innehatten. (Bei einer Umfrage in sechs Klöstern votierten für diese Praxis – nach mehreren Jahren der lebendigen Erfahrung mit ihr – von 307 Konventualen nicht weniger als 253!)

Wer wie ich die Liturgia Horarum betet, für den ist das zuerst verblüffend und dann ungewohnt, aber auch nicht ohne Reiz. So wird in den Laudes am Sonntag der Johannesprolog gesungen, einer der faszinierendsten Texte der Bibel. Das Nunc Dimittis, nach römischen Brauch das Canticum der Komplet, beschließt die Vesper am Mittwoch.

Die Mittagshore um 12.45 Uhr (sonntags schon um 11.45 Uhr) ist mit einem längeren Psalm, Kurzlesung und Responsorien sowie einem oder mehreren weiteren Psalmen versehen. In Königsmünster wurde während meiner Anwesenheit nur der erste Psalm gesungen. Daher nehme ich an, dass die übrigen Psalmen in der zweiten Woche genommen werden. Das Antiphonale sieht zudem die Möglichkeit vor, statt einer Mittagshore bei Terz, Sext und Non zu bleiben, mit der zweiten Psalmenreihe sowie dem sonst als Responsorium der Vigil verwendeten Psalm 119.

Im Konventamt um 17.45 Uhr finden sich die (außer dem Salve Regina am Schluss der Komplet) einzigen lateinischen Gesänge. Proprium und Ordinarium werden aus dem Graduale Triplex gesungen, allerdings während meiner Anwesenheit ohne Graduale (nur Alleluia vor dem Evangelium) und ohne Offertorium. Die Vesper schließt sich in Königsmünster direkt an das Konventamt an, nur sonntags findet das Konventamt um 9.30 Uhr statt und die Vesper um 17.45 Uhr. Die Komplet wird um 20.15 Uhr gesungen, freitags schon um 19.40 Uhr.

Das nüchterne, relativ schlichte Stundengebet nach dem Benediktinischen Antiphonale passt gut zur Architektur der Abteikirche wie der gesamten Abtei. Die gesamte Anlage und auch das Leben in ihr, soweit ich das einschätzen kann, sind geradezu ein Musterbeispiel nachkonziliarer Reform.

Mir persönlich erscheint das alles sehr nüchtern. Auch melodisch erinnert vieles im Antiphonale an die eher drögen Gottesloblieder aus den 50er bis 70er Jahren. Das fällt hier besonders im Vergleich mit dem Graduale Triplex auf.

Der Münsterschwarzacher Psalter ist schön, aber nach gut zwei Jahren mit der lateinischen Liturgia Horarum ist mir ein deutscher Psalter zu transparent und zu anstrengend. Ich kann der Textflut kaum folgen. Das Latein bietet da mehr Freiräume. Und die nahezu vollständige Eliminierung des Latein aus der Liturgie hinterlässt einen faden Beigeschmack.

Mir erschließt sich immer weniger, worin der Gewinn einer rein muttersprachlichen Liturgie besteht. Nach vierzig Jahren ist diese zum Normalfall geworden, die früheren Verhältnisse haben sich praktisch umgekehrt – und damit auch die liturgischen Probleme und Schwierigkeiten. Jetzt ist das Alte das Neue. Und das Neue sieht schon ganz schön alt aus.