Gottesknecht

In dieser Stunde tritt die Hoffnung auf den „Neuen Bund“ hervor, der nicht mehr auf der immer brüchigen Treue menschlichen Wollens gegründet, sondern unzerstörbar in die Herzen selbst eingeschrieben ist (vgl. Jer 31,33). Der Neue Bund muss, mit anderen Worten, auf einen Gehorsam gegründet sein, der unwiderruflich und unverletzlich ist. Dieser nun in der Wurzel des Menschseins gründenden Gehorsam ist der Gehorsam des Sohnes, der sich zum Knecht gemacht hat und allen menschlichen Ungehorsam in seinem bis in den Tod gehenden Gehorsam aufnimmt, durchleidet und überwindet.

Gott kann den Ungehorsam der Menschen, all das Böse der Geschichte nicht einfach ignorieren, nicht als belanglos und bedeutungslos behandeln. Eine solche Art von „Barmherzigkeit“, von „bedingungsloser Vergebung“ wäre jene „billige Gnade“, gegen die sich Dietrich Bonhoeffer vor dem Abgrund des Bösen in seiner Zeit mit Recht gewandt hat. Das Unrecht, das Böse als Realität kann nicht einfach ignoriert, nicht einfach stehengelassen werden. Es muss aufgearbeitet, besiegt werden. Nur das ist die wahre Barmherzigkeit. Und dass Gott nun, weil die Menschen es nicht zustande bringen, es selber tut – das ist die „bedingungslose“ Güte Gottes, die nie gegen die Wahrheit und die ihr zugehörige Gerechtigkeit stehen kann. „Wenn wir untreu sind, bleibt er doch treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen“, schreibt Paulus an Timotheus (2 Tim 2,13).

Diese seine Treue besteht darin, dass er nun nicht nur als Gott gegenüber den Menschen handelt, sondern auch als Mensch gegenüber Gott, und den Bund so unwiderruflich fest gründet. Deshalb gehört die Figur des Gottesknechtes, der die Sünden vieler trägt (Jes 53,12), mit der Verheißung des unzerstörbar gegründeten Neuen Bundes zusammen. Diese nicht mehr zu zerstörende Eingründung des Bundes im Herzen des Menschen, der Menschheit selbst, geschieht im stellvertretenden Leiden des Sohnes, der Knecht geworden ist. Von da an steht der ganzen schmutzigen Flut des Bösen der Gehorsam des Sohnes entgegen, in dem Gott selbst gelitten hat und dessen Gehorsam daher immer unendlich größer ist als die wachsende Masse des Bösen (vgl. Röm 5,16-20).

Joseph Ratzinger, Benedikt XVI.: Jesus von Nazareth, Band II, S. 152f.