Europa

Im August hatte ich den Merkur-Essay von Walter Laqueur schon einmal lobend erwähnt. Seinerzeit bin ich allerdings beim Versuch, die wichtigsten Passagen zu zitieren, an der Fülle des Materials gescheitert. Nun hat mir Arnulf Baring (kann sich noch jemand an ihn erinnern?) in der Donnerstagsausgabe der FAZ die Arbeit abgenommen und ausführlich wörtlich zitiert. Hier seine Auswahl:

Nach Befunden der United Nations Population Division lebten im Jahre 1900 21 Prozent der Weltbevölkerung in Europa. Heute sind es weniger als 12 Prozent, 2050 werden es den Vorausschätzungen dieser UN-Behörde nach 7 Prozent und am Ende unseres Jahrhunderts weniger als 4 Prozent sein.

Diesen Projektionen zufolge wird die deutsche Bevölkerung von gegenwärtig 82 Millionen bis Ende des Jahrhunderts auf 32 Millionen sinken, die Einwohnerschaft Italiens wird von 57 auf 15 Millionen schrumpfen, die Spaniens von 40 auf 11,9. Noch dramatischer wird der Niedergang in Osteuropa sein. Bis 2050 wird die Einwohnerzahl der Ukraine um 43 Prozent abnehmen, in Bulgarien werden es 34 Prozent weniger sein, in den baltischen Staaten 25 Prozent, und nichts anderes wird auch in der Russischen Föderation erwartet. Am Ende unseres Jahrhunderts werden im Jemen mehr Menschen leben als in Rußland.

Eine Trendwende hält Laqueur für unwahrscheinlich, da die Geburtenrate in Europa seit 150 Jahren kontinuierlich gefallen sei.

Das Europa des Jahres 2050 wird ein vergreister Kontinent sein. Nehmen wir Deutschland als Beispiel. Hier leben heute 45 Millionen Menschen in der Altersgruppe zwischen 20 und 60 Jahren. Den Hochrechnungen zufolge werden es 2050 nur noch 30 und 2100 bloß 20 Millionen sein, selbst wenn der Zuzug im gegenwärtigen Tempo weitergeht. Um die Wirtschaft des Landes in Gang und den Sozialstaat funktionsfähig zu halten, wird Deutschland unbedingt Hilfe brauchen, und die kann nur von außen kommen. Es wird mehr Einwanderung als heute geben müssen – und dabei gibt es heute in allen europäischen Staaten einen stark wachsenden Widerstand gegen Immigration.

Nächste Frage: Woher sollen die Zuwanderer kommen? Aus Osteuropa wohl kaum, also aus Afrika, dem Nahen Osten und aus Südasien.

Wenn eines von vier Kindern, die heute in Deutschland geboren werden, ausländischen Ursprungs ist, dann wird es in zehn, fünfzehn Jahren eines von drei sein. […] Und die genannten Zahlen sind keine Projektionen, sondern gegenwärtige Realität; etwa 30 bis 40 Prozent der jungen Menschen unter 18 Jahren in westdeutschen Städten wie Köln und Duisburg, in großen Teilen Hamburgs und Frankfurts sind fremder Herkunft.

Und verwurzeln oder assimilieren sich nicht.

Viele der Immigranten von 2005 wollen keine Integration, sie leben in Gemeinschaften, die von der Mehrheitsgesellschaft des Gastlandes vollkommen abgesondert sind. Dies ist gleichermaßen in großen und kleinen Städten der Fall, diese Menschen haben keine deutschen, französischen oder britischen Freunde, sie treffen sich nicht mit ihnen, sehr häufig sprechen sie auch deren Sprache nicht. Ihre Prediger versichern ihnen, ihre Werte und Traditionen seien denen der Ungläubigen weit überlegen, und jeder enge Kontakt mit diesen, auch wenn es Nachbarn sind, gilt als unerwünscht. Die jüngeren Immigranten beklagen sich, zu Opfern gemacht und ausgeschlossen zu werden, aber ihre soziale und kulturelle Ghettoisierung geschieht größtenteils freiwillig.

Was ist mit dem Euro-Islam, der modernen und toleranten Brücke zwischen Orient und Okzident?

Es gibt nur wenige Befürworter des Euroislam, und manche von ihnen […] vertreten eine Version von Religion für ihre aggressiven Anhänger und eine andere, gemäßigte und aufpolierte für nichtmuslimische Europäer, die gern glauben, was sie zu hören bekommen – wenn es nur Hoffnung auf Dialog und friedliche Koexistenz in Aussicht stellt.

Rettung ist kaum von einer neuen multikulturellen Synthese zu erwarten […] Das Erbe der europäischen Linken und die Scharia, europäischer Feminismus und die orthodox-islamische Lebensweise, europäische Kultur und wahhabitischer Islam sind nicht zu versöhnen. Solange Muslime überzeugt sind, ihre Religion solle ihre Politik bestimmen, nicht die Mehrheit, sondern Gottes Wille (wie ihn die Prediger interpretieren) solle entscheiden, werden die Chancen für einen Konsens zum Thema Demokratie gering bleiben.

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Teilhard de Chardin

Heute im Deutschlandfunk:

„19:15 Uhr

Hintergrund Kultur

Gratwanderung zwischen
Naturwissenschaft und Mystik –
Pierre Teilhard de Chardin
und die Evolution
Von Burkhard Reinartz“

Absolut hörenswerte Sendung. Leider nichts davon im Web zu lesen oder zu hören.

Handy von Käßmann

Das alte Handy der evangelischen Landesbischöfin Margot Käßmann soll im Internet für einen guten Zweck versteigert werden. Der Erlös dieser so genannten „Charity-Auktion“ fließe zu hundert Prozent an das Netzwerk „Mirjam“, das Frauen in Schwangerschaftskonflikten berät, sagte Initiator Wilhelm Sonntag aus Osterode am Freitag dem epd. [evlka.de]

Hieronymus

Hieronymus, der gelehrteste der lateinischen Kirchenväter, wurde um 345 in Stridon (Dalmatien) geboren. Seine wohlhabenden christlichen Eltern schickten ihn 354 nach Rom zum Studium der Grammatik, Rhetorik und Philosophie. Nach einem Aufenthalt in Trier und Aquileja begab sich Hieronymus um 373 auf dem Landweg nach dem Orient. In Antiochien musste er die Reise abbrechen, weil er krank wurde. Er lebte dann zwei Jahre bei den Mönchen in der Nähe von Aleppo. Damals begann er außer Griechisch auch Hebräisch zu lernen. Um 379 ließ er sich in Antiochien zum Priester weihen. Einer Einladung des Papstes folgend reiste er 380 über Konstantinopel, wo er Gregor von Nazianz kennen lernte, nach Rom zu einer Synode. In Rom wurde er Sekretär des Papstes Damasus und Mittelpunkt eines Kreises von frommen Damen, zu denen die hl. Marcella und die hl. Paula gehörten. 385 verließ er Rom, nachdem er sich durch seine harte Kritik den Unwillen des dortigen Klerus zugezogen hatte. Er ließ sich jetzt in Betlehem nieder, wo er ein Männerkloster und drei Frauenklöster leitete, an seiner Bibelübersetzung arbeitete, zahlreiche Schriftkommentare schrieb und mit den Theologen seiner Zeit in Briefverkehr stand. Hieronymus war ein Mann mit einem heftigen Charakter, einem unersätt­lichen Wissensdrang und einer großen Liebe zu Christus und zur Kirche. Sein wichtigstes Werk ist die lateinische Bibelübersetzung (Vulgata). Seine Schriftkommentare sind theologisch nicht so bedeutend. Seine Briefe und Streitschriften sind wichtige Dokumente der Zeitgeschichte. Hieronymus starb am 30. September 420. [Schott]

„Christus

ist Gottes Kraft und Gottes Weisheit, und wer die Heilige Schrift nicht kennt, der kennt weder Gottes Kraft noch seine Weisheit: die Schrift nicht kennen heißt Christus nicht kennen.“ (Hieronymus, Prolog zum Jesaja-Kommentar)

„Denen, die lieben, ist nichts schwer; keine Mühe ist zu hart für den, den die Sehnsucht erfüllt.“ (Hieronymus, Brief 22)

Wortschwall

„Das große Problem des liturgischen Lebens in der heutigen Zeit kommt daher, dass die Feier zuweilen den Charakter des Mysteriums, der den Geist der Anbetung begünstigt, verloren hat. Oft wird man Zeuge eines Wortschwalls von Erklärungen und Kommentaren oder allzu langen und schlecht vorbereiteten Predigten, die wenig Raum lassen für die Kontemplation des gefeierten Mysteriums.“

Max Thurian, zit. von Christoph Haider [kath.net]

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André Glucksmann

„Der Hass ist eine fundamentale menschliche Gegebenheit, er nährt sich selbst, ohne notwendigerweise einen Grund zu brauchen. Für die Gläubigen ist er eine Folge der Erbsünde, für die Psychoanalytiker der Ausbruch des Todestriebes – Eros und Thanatos, Liebe und Tod, bestimmen in ihrer Dualität das menschliche Wesen.“

„Auch die Religion scheint mir nur ein Vorwand. Der französische Soziologe Raymond Aron, der bedeutende Gegenspieler von Jean-Paul Sartre, bezeichnete Hitlerismus und Marxismus als säkulare Religionen. Ich behaupte: Der islamische Fundamentalismus ist eine Säkularisierung der Religion, das heißt eine politische Benutzung der Theologie.“

„Über das Gute, politisch gesprochen das Allgemeinwohl, wurde schon immer gestritten, seit den Griechen im alten Athen. Das ist politischer Pluralismus, der prinzipiell keinen oder wenig Schaden stiftet. Neu ist, dass wir die Existenz des Bösen nicht mehr anerkennen wollen. Wenn es das Böse nicht gibt, ist alles erlaubt: Das ist das Phänomen des gegenwärtigen Nihilismus. Eine Zivilisation gründet sich nicht unbedingt auf das gemeinsam angestrebte Beste, sondern auf die Ausgrenzung, die Tabuisierung des Bösen. Ein Übermaß an Toleranz kann durchaus zur Verkennung des Bösen führen.“ [Spiegel via paxvobis]

André Glucksmann: Hass. Die Rückkehr einer elementaren Gewalt. Verlag Nagel & Kimche, 288 Seiten, 19,90 Euro

Für wen kommen Sie nun?

Und als er schon fertig geredet hatte, siehe, da kam einer von den Zeitungen und trat zu ihm hin und sprach: Seien Sie gegrüßt, Professor. Der Stifter des Weltethos aber sprach zu ihm: Aus Frankfurt seid ihr? Seid ihr nicht ausgezogen gegen mich wie gegen einen Räuber mit Schwertern und Stangen, mich zu fangen? Habt ihr nicht nur auf der sechsten Spalte der sechsten Seite über mein Gipfeltreffen mit dem Papst berichtet und meine Werke durch Gegenrede geschändet? Warum sucht ihr mich hier? Habe ich doch täglich in Tübingen gesessen undgelehrt, und ihr habt mich totgeschwiegen. Und also stellte er die Frage, und wir zitieren ihn wörtlich: „Für wen kommen Sie nun, lieber Freund?“

Prolog eines Artikels [0,85 EUR] von Malte Herwig im Feuilleton der FAZ über Hans Küng in der Frankfurter Paulskirche

Übrigens habe ich gerade eine halbe Stunde lang verschiedene Übersetzungen verglichen – es scheint, als ob der Autor mehrere kombiniert habe.

Apokalyptisch

Es führt kein Weg daran vorbei. Diese völlig zutreffende Feststellung muss ich einfach aus dem Zusammenhang reißen:

„Nun ist man bei Protestanten, jedenfalls diesseits des Atlantiks, nicht weiter verwundert, wenn ihnen nichts mehr heilig ist, schon gar nicht der eigene Glaube.“ [via credo ut intelligam]

Aussterben

Gerald Augustinus bringt die Dinge auf den Punkt:

„Russia currently has 143 million people. If current trends continue, then its population would be cut in half by mid-century.

Russia is the most extreme case of dying out among European states (technically, Russia belongs to Asia east of the Ural mountains). All countries of Europe suffer from drastic reductions of birth rates combined with longer life spans. Thus, the social systems are slowly collapsing, since less and less people have to finance the pensions of more and more retired people. Not surprisingly, the percentage of married people is going down and the divorce rate is going up. So much for yesterday’s ’study‘ of secularism being good for the world.

On the bright side – religious people procreate more, secular ones procreate less and abort more – in the USA that’s called the Roe effect. Liberals extinguish themselves.“

(Hab ich’s Euch nicht gesagt?)

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