Hasenhüttl in der taz. O tempora, o mores! [via Perlentaucher]
Dezember 2004
Die Frankfurter Rundschau über religiö...
Die Frankfurter Rundschau über religiös motivierte Konfliktlagen in Neukölln: „Wir haben hier ein Problem.“ Eines, das ganz unmittelbar mit einem Thema zusammen hängt, das noch vor wenigen Jahren auch im Rollberg keines war: dem Glauben.
Niemand in der Siedlung weiß genau, wie es dazu kam. Klar ist jedoch, das bei „Madonna“ vor wenigen Jahren plötzlich das Wort „haram“ – sündig – die Runde machte. Ein Mädchen ohne Kopftuch: haram. Gummibärchen mit Gelatine: haram. Die Regeln des Ramadan nicht befolgen: haram. Eine Entwicklung, die bizarre Blüten treibt: Vor einem Monat weigerten sich plötzlich zwei achtjährige arabische Mädchen, mit der letzten verbliebenen Blondine bei „Madonna“ zu spielen – Begründung: Die Deutsche sei sündig und somit der Hölle geweiht. Gabriele Heinemann wurde derweil schon mehrfach als „Nutte“ beschimpft – weil sie sich erdreistet, ihrer weiblichen Klientel die Selbständigkeit zu predigen.
„Religion wird für die Leute hier immer wichtiger“, sagt auch die Islamwissenschaftlerin Andrea Schwendner, die in der Diakonie-Beratungsstelle „Al-Muntada“ arbeitet. Noch Anfang der 90er Jahre habe kaum eine moslemische Frau in Neukölln ein Kopftuch getragen – heute ein fast undenkbarer Zustand. Mögliche Gründe dafür gebe es viele: die iranische Revolution, die palästinensische Intifada und natürlich der 11. September 2001, von der „Koalition der Willigen“ zum Auftakt eines weltweiten Glaubenskrieges stilisiert. Dazu komme die deutsche Dauerwirtschaftskrise mit fehlenden Lehrstellen, grassierender Arbeitslosigkeit, kollektiver Depression – ein Zustand, der sich in weiten Teilen Neuköllns, wo überdurchschnittlich viele von Sozialhilfe leben, trefflich beobachten lässt.
„Sie müssen verstehen“, sagt Andrea Schwendner, „für die Leute hier endet die Welt am Hermannplatz“. Die durchschnittliche deutsche Leitkultur, das sei aus Sicht des durchschnittlichen Zuwanderers im Rollberg: Perspektivlosigkeit, Arbeitslosigkeit, zerrüttete Familien, Gewalt, Alkoholismus. „Wenn dann gesagt wird: Nehmen die Ausländer auch unsere Werte an – dann kann ich nur fragen: Ja welche Werte denn?“ Insofern dürfe man sich nicht wundern, wenn ein Imam, wie kürzlich in der Kreuzberger Mevlana-Moschee, über „stinkende Deutsche“ lästere. „So was hört man hier öfter“, sagt auch „Madonna“-Leiterin Heinemann. Desillusionierung mache nun einmal „anfälliger für Ideologie“.
Deswegen sieht man seit geraumer Zeit auch immer wieder Werber aus den etlichen Neuköllner Moscheen durch den Rollberg laufen, wie Handelsvertreter, nur, dass ihre Ware Allah heißt. Deren Botschaft laute: Ihr habt keine Chance, die Deutschen wollen euch nicht haben, kommt zu uns. „Da sind sie wichtig, hier sind sie nix“, sagt Gabriele Heinemann, die mit Sorge betrachtet, wie ihre Mädchen zunehmend eingeschüchtert werden, wenn sie denn überhaupt noch die Türen des Sündenpfuhls „Madonna“ durchschreiten. Es drohe ein Staffellauf aus Frust, Radikalisierung und Gewalt. „Wir müssen aufpassen, dass wir uns hier keine Slumbevölkerung heranziehen.“
Nicht, dass es in Neukölln keine Versuche gäbe, den Trend zu stoppen und vor allem den jungen Muslimen neue Perspektiven zu bieten. Im Arabischen Kulturinstitut etwa sitzt Nazar Mahmood, ein untersetzter Herr mit rotem Karo-Pullover und erläutert detailreich die diversen Integrationsprojekte, die sein Verein in den vergangenen sechs Jahren angestoßen hat. Er wird dafür angefeindet, in einem anonymen Rundbrief ist er als Verweser der arabischen Kultur beschimpft worden. Mahmood aber sagt trotzig: „Ich gebe nicht auf.“ Ihn interessiert nicht das Kopftuch, er kämpft dafür, dass sich darunter etwas tut. „Das ist mein Land“, sagt der gebürtige Iraker, er will es nicht denen überlassen, die es zu spalten trachten – er meint damit gleichermaßen seine Glaubensbrüder und die Multi-Kulti-Verächter auf der deutscher Seite. [via Schockwellenreiter]
Das Schandmännchen passend zum gestrigen Gedenktag...
Das Schandmännchen passend zum gestrigen Gedenktag: „Der Heilige Nikolaus (ca. 280 bis ca. 350) war Metropolit von Myra, geboren in Patara (Lykien) und ist nach heutiger Auffassung Türke. Und wenn es nach der Union ginge, dürfte der Nikolaus erst dann in unser Haus kommen, wenn er zuvor bei seinen Eiern auf’s Grundgesetz geschworen hätte.“ [via IT&W]
Hinführung zum Gebet (aus Jürgen Kuhlmann...
Hinführung zum Gebet (aus Jürgen Kuhlmann: Heilswahrheit, nicht Begriffskunst): „Der Knabe schon betet zum Gott seiner Väter. Er hat von den Großtaten des geschichtsmächtigen Herrn gehört. Beim ersten Tempelbesuch mag ihm aufgegangen sein, wie strahlend herrlich Jahwe ist. Zusammen mit anderen Betern rezitiert er die alten Psalmen und erlebt, wie der gewaltige Jemand, zu dem er spricht, wirklich da ist, ihm zuhört, ja antwortet auf eine zugleich unverkennbare und unbeschreibliche Weise. In solchen Augenblicken weiß Johannes (wenngleich er es nicht so philosophisch ausgedrückt hätte): ich befinde mich der absoluten Wirklichkeit gegenüber.“
Jürgen Kuhlmann in seinem Christlichen Ideenkorb...
Jürgen Kuhlmann in seinem Christlichen Ideenkorb: „Seit ich als kleines Kind, in sonnigem Zimmer mit einem gläsernen Karaffen-Verschluß spielend, plötzlich einen fröhlich bunten Farbfleck an der Wand tanzen sah, ist die Idee einer verborgenen Beziehungsfülle im scheinbar rein weißen Sinnlicht mir vertraut. Wer die Dreifaltigkeit leugnet, hat insofern recht, als die Sonne nicht bunt strahlt sondern rein weiß. Und niemand ist verpflichtet, ein Prisma zu haben.“
Dan Brown hat mit einem antikatholischen Unterhaltungsroman...
Dan Brown hat mit einem antikatholischen Unterhaltungsroman eine ganze Industrie in Gang gebracht. Aber Muslime riskieren ihr Leben, wenn sie grundsätzliche Kritik an ihrer Religion üben. Ayaan Hirsi Ali bemerkte vor zwei Jahren, nach modernen Maßstäben sei Mohammed als pädophil zu bezeichnen, weil er ein neunjähriges Mädchen zur Frau nahm. Wohlgemerkt, sie sagte: „nach modernen Maßstäben“. Seither muß sie sich von Bodyguards schützen lassen. Ich bezweifle, daß Dan Brown untergetaucht ist und um sein Leben fürchten muß, weil orthodoxe Katholiken einen Preis auf seinen Kopf ausgesetzt haben. Anders gesagt: Es geht um die Freiheit der Religionskritik, und solange der Islam, so unterschiedlich er auch von Land zu Land praktiziert wird, sie nicht zugestehen kann, bleiben die Völker, deren Wertesystem auf dieser Religion gründet, von der Modernität ausgeklammert.
Leon de Winter in seinem in der Welt geführten Holländischen Tagebuch [via Perlentaucher]
Friedrich Wilhelm Graf heute im Feuilleton der NZZ...
Friedrich Wilhelm Graf heute im Feuilleton der NZZ unter der Überschrift Die Vervielfältigung Gottes über den Markt religiöser Möglichkeiten in Amerika: „Protestantische main line churches mit einem Wischiwaschigott haben in den letzten dreissig Jahren zunehmend an Glaubensmarktanteilen verloren. Auch bei den Katholiken sind die Harten, dogmatisch Entschiedenen die Gewinner. Auf die Pädophilie-Skandale hat die katholische Bischofskonferenz der USA soeben mit einer Moralisierungsoffensive reagiert. Angesichts der schnell wachsenden Zahl von Scheidungen bei kirchlich getrauten Katholiken werden demonstrativ die sakramentale Heiligkeit und Unauflöslichkeit der Ehe betont und Ehen gleichgeschlechtlicher Partner scharf verurteilt.
Man benötige wieder eine klare corporate identity, betonen die theologischen Marketingexperten eines neuen Kampfkatholizismus. In der Tat sind viele enttäuschte Katholiken zu charismatisch geprägten Pfingstkirchen übergewechselt, in denen harte Askese gelebt und innerweltlicher Erfolg prämiert wird. Über genaue Zahlen streiten die Experten. Aber immer mehr amerikanische Bürger gehören einer anderen Religionsgemeinschaft als bei ihrer Geburt an. Die ausgeprägte Konversionsbereitschaft verstärkt den Druck auf die konkurrierenden Anbieter, als effiziente, kundennahe Religionsdienstleister zu agieren.“
Jochen Scherzer ist der Meinung, dass jetzt kein...
Jochen Scherzer ist der Meinung, dass jetzt kein drittes Vaticanum nötig ist, sondern der Schuh ganz woanders drückt.
„Der Priestermangel ist nicht mehr das Problem der deutschsprachigen Kirche am Beginn des dritten Jahrtausends. Ihr Problem ist sicherlich zu einem großen Teil die mangelnde Identifikation der Gläubigen mit der Botschaft Jesu und der daraus erwachsenden alltäglichen Lebensgestaltung. Wer sich nur auf Strukturen und Konzepte verlässt, der wird bald vor leeren Kirchenbänken predigen, selbst wenn er verheiratet ist. Diese neue Innerlichkeit kann aber kein Konzil, keine Zölibatsabschaffung und kein neues Pastoralkonzept bringen. Nicht der akute Priestermangel, sondern der akuten Glaubensmangel zwingt zu einem Umdenkprozess.“
Der Vatikan macht sich wieder einmal unbeliebt....
Der Vatikan macht sich wieder einmal unbeliebt. Zum Weltaidstag erinnert ein Schreiben des Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst an die katholische Sexualethik. „Nur Keuschheit kann Aids verhindern“, fasst Spiegel Online das Papier zusammen. Und zitiert wie folgt: Eine „Immunschwäche der moralischen und spirituellen Werte“ sei an der Ausbreitung von Aids schuld. Pflichtschuldig gibt auch Guido Westerwelle seinen Dissens zu Protokoll.