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Als Katholik in der Diaspora

Als Katholik in der Diaspora konnte ich mich an das Gefühl gewöhnen, Angehöriger einer Minderheit zu sein. Und wie das so ist mit Minderheiten – sie werden wohl in den meisten Gesellschaften benachteiligt. Um es vorsichtig auszudrücken. Wir Katholiken können und sollten uns schon einmal darauf einstellen, dass es uns auch in Deutschland so ergehen wird.

Und ist das Futur überhaupt noch angebracht? Katholische Positionen offen zu vertreten kann im Deutschland des Jahres 2015 bereits den Job kosten. Das hat das Westfalen-Blatt erst in den vergangenen Tagen unter Beweis gestellt.

In diesem Fall ging es nur um eine verunglückte Kolumne, nicht einmal um eine pointiert katholische Position. Hätte die Kolumnistin zum Beispiel geschrieben, dass sie sich durch die Inszenierung einer homosexuellen Partnerschaft als Eheschließung verhöhnt fühle – ich weiß nicht, was geschehen wäre.

Die meisten westlichen Gesellschaften haben das über Jahrtausende bewährte Konzept einer christlichen Ehe in nur wenigen Jahrzehnten fast vollständig ausgehöhlt und nahezu alle Elemente eliminiert, die eine Ehe ausmachen. Aus dem Bund fürs Leben wurde ein Bündnis auf Zeit, der Bezug auf Nachkommenschaft und damit der Bund zwischen den Generationen wurde praktisch aufgelöst, Sexualität hat nur noch wenig mit Nachkommenschaft zu tun, hat daher ihren Platz nicht länger nur in der Ehe und ist allgegenwärtig geworden. Zivilisatorisch ein klarer Rückschritt.

Selbstverständlich ist eine Ehe im klassischen, christlichen Verständnis ein Ideal und niemals eine Beschreibung eines flächendeckend verwirklichten Zustands gewesen. Aber was ist das, was heute wahrscheinlich eine Mehrheit in Deutschland als Ehe bezeichnet, anderes als eine Änderung im Personenstandsregister? Wozu eigentlich heiraten, wenn keines der konstitutiven Elemente einer Ehe mehr gegeben ist? Wegen der Steuervorteile?

Und warum an der Ehe als Bund zwischen Mann und Frau festhalten, wenn Nachkommenschaft nicht mehr zur Ehe gehört? So gesehen ist die Entscheidung in Irland konsequent. Irland hört damit auf, ein katholisches Land zu sein. Auch in Irland werden Katholiken nun zur Minderheit, die entsprechende Nachteile zu erwarten hat.

Ich bin sicher, dass es Leute gibt, die darauf höhnen werden: Geschieht euch recht, so seht ihr einmal, was ihr anderen angetan habt. Partiell ist das sicher wahr (wenn auch nicht gut und schon gar nicht schön). Doch schwerer wiegt der Verlust der Unterscheidungsfähigkeit, der jede Ungleichbehandlung pauschal zu einer Ungerechtigkeit erklärt. Dabei ist es nicht gerecht, Ungleiches gleich zu behandeln, sondern Gleiches. Wo Unterscheidungen angebracht sind, muss unterschieden werden, um der Gerechtigkeit willen. Das hat mit Diskriminierung nichts zu tun.

In gewisser Weise kehrt das europäische Christentum mit dem Schrumpfen zur Minderheit an seinen Ausgangspunkt vor der Konstantinischen Wende zurück. Wir Christen werden uns wieder auf Verfolgungen einstellen müssen. Das ist nicht weiter schlimm und in vielen Teilen der Welt längst Normalität.

Aber bevor es ans Leben geht, ist noch etwas Zeit. Vorerst sollten wir nur damit rechnen, unsere Arbeit und unsere Freiheit zu verlieren. Der kürzlich verstorbene Kardinal und emeritierte Erzbischof von Chicago Francis Eugene George sagte 2010 in einer Ansprache:

„I expect to die in bed, my successor will die in prison and his successor will die a martyr in the public square. His successor will pick up the shards of a ruined society and slowly help rebuild civilization, as the church has done so often in human history.“

Das ist unser Job als Katholiken. Willkommen in der Diaspora.

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Kommentar

  1. Wenn ein Journalist ein entsprechendes Pamphlet, das gegen die römisch-katholische Doktrin gerichtet ist, in einem katholischen Blatt veröffentlichen würde, wie lange würde der oberste Verantwortliche, das ist meist der Ortsordinarius oder sein Generalvikar, zögern, jede weitere Zusammenarbeit mit ihm für immer zu beenden (wenn das Geschreibsel es überhaupt bis ins Blatt schafft!)? Nach drei bis vier weiteren Ausgaben des Blattes? Oder doch eher sofort fristlos? Und wäre das dann Zensur? Oder doch eher die Durchsetzung katholischer „Werte“?

    Fragen über Fragen. Und die Antwortet lautet: JA! In einem Tendenzbetrieb wie der römisch katholischen Kirche (oder dem Westfalen-Blatt mit seiner Sonntagszeitung) kann es den Job kosten, vom Mainstream abweichende politically incorrecte Meinungen zu vertreten.
    Wird aber meist von der römisch-katholischen Kirche bei Krankenschwestern, Kindergärtnerinnen und Ärzten in katholischen Kliniken praktiziert; weniger beim SPIEGEL oder bei der ZEIT.

    Und zu Ihrer Beruhigung, nur weil gleichgeschlechtlich Liebende jetzt auch die Privilegien für Ihre Liebe bekommen, die die römisch katholische Kirche nach ihrer Lehre seit Jahrtausenden beansprucht, heisst das ja nicht, dass die Ehe von Katholikinnen jetzt irgendwie schlechter gestellt wird.

    Wenn ich einem meiner Enkel ein bestimmtes Spielzeug schenke und dem zweiten Enkel das gleiche Spielzeug, heisst das ja nicht, dass der erste Beschenkte mit seinem Geschenk jetzt weniger anfangen kann.
    Wenn er aber an dem Geschenk jetzt weniger Freude haben sollte, dann nennt man das Missgunst und NEID! Und so weit ich mich erinnere, ist das laut römisch-katholischer Lehre eine HAUPTSÜNDE!

  2. Tendenzschutz muss es geben, wenn es Tendenzbetriebe als solche geben darf oder soll. Insofern ist dagegen nichts einzuwenden.

    Im vorliegenden Fall geht es allerdings nicht um Tendenzschutz, denn das Westfalen-Blatt hat seine Autorin einem anonymen Mob zum Fraß vorgeworfen. Tendenzschutz wäre gewesen, sie zu halten.

    Das zweite Argument ist wohlfeil, aber falsch. Wenn die Definition von Ehe geändert wird, dann wird es schwierig bis unmöglich, eine Ehe nach hergebrachter Definition einzugehen.

    Denn wie soll ich wissen, ob mein Partner unter Ehe das Gleiche versteht wie ich? Oder, noch schwieriger, ob er sein Verständnis von Ehe unter dem Druck der öffentlichen oder veröffentlichten Meinung ändert?

    Mit Missgunst und Neid hat das nichts zu tun.

  3. Im vorliegenden Fall geht es allerdings nicht um Tendenzschutz, denn das Westfalen-Blatt hat seine Autorin einem anonymen Mob zum Fraß vorgeworfen. Tendenzschutz wäre gewesen, sie zu halten.

    Wirklich? Wollen wir Ihre Behauptung einmal von der anderen Seite, der katholischen her betrachten?

    Im L’osservatore Romano wird, aus welchen Gründen auch immer, ein Artikel veröffentlicht, in dem der Autor für eine völlige Aufgabe des „katholischen Lebensschutzes“ plädiert. Also für eine völlige Freigabe von Schwangerschaftsabbrüchen, auch im dritten Trimenon, ohne das irgendeine Begründung angeführt werden müsste und für das Recht auf den ärztlich assistierten Freitod, die „milde Spritze“, wie sie von Dr. Lütz genannt wird, auch für Minderjährige und Kinder, auch ohne Begründung und jederzeit.
    Dann wäre Ihrer Behauptung nach der Tendezschutz gewahrt, wenn der Autor völlig ohne weiteres in der Redaktion angestellt bleiben würde.
    Das glauben Sie doch selbst nicht. Das ist doch so weit von der Wirklichkeit entfernt, wie die gesamte katholische Sexualmoral höchstselbst.

    Wenn die Definition von Ehe geändert wird, dann wird es schwierig bis unmöglich, eine Ehe nach hergebrachter Definition einzugehen.

    Die Menschen gehen Ehen ein, weil sie sich lieben.

    Die katholischen Definitionen von Liebe, Ehe und Sexualität haben sich inzwischen so weit von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt, dass sie völlig unglaubwürdig geworden sind.

    Das hat nicht erst mit Casti Connubii begonnen und hört sicher nicht mit der „Theologie des Leibes“ auf. Dazu kommen noch die sehr, sehr „menschlichen“ Verhaltensweisen der Kirchenoberen in den vielen, vielen Skandalen, die in den letzten Jahren ans Tageslicht gekommen sind; von den Regensburger Domspatzen, über das Canisius Kolleg, bis zur Jauchegrube des Magdalenenheimes für gefallene Mädchen in Tuam in Irland.

    Denn wie soll ich wissen, ob mein Partner unter Ehe das Gleiche versteht wie ich?

    Ein Paar, das dazu die katholische Doktrin benötigt, sollte sowieso nicht heiraten. Die lieben sich nämlich nicht. Die wollen ein Zweckbündnis schliessen, aus welchen Gründen auch immer (Sex? Geld? Ansehen?). Liebende wissen, was sie voneinander wollen und was sie beabsichtigen. Glaubens Sie einem alten Ehemann, der immer noch mit seiner Jugendliebe glücklich ist. Und wenn wir auf unsere katholischen Pfarrer gehört hätten, wären wir längst auseinander.

  4. Es lohnt sich nicht, konstruierte Beispiele zu betrachten, die zudem keine geeignete Parallele bieten. Im vorliegenden Fall ist es definitiv so, dass die Autorin nicht gegen die Linie des Blattes verstoßen hat, sondern einem gut organisierten und kampagnenfähigen Mob geopfert wurde, der die Redaktion und den Verlag massiv unter Druck gesetzt hat. Siehe dazu auch das Interview, dass die Autorin der Süddeutschen Zeitung gegeben hat.

    Zum zweiten Punkt: Nicht die katholischen Definitionen haben sich geändert, sondern die Lebenswirklichkeit der Menschen. Das ist an sich kein ungewöhnlicher Vorgang. Neu ist nur, dass nun daraus die Forderung abgeleitet wird, die katholische Lehre zu ändern.

    Die Menschen sündigen. Das kennen wir schon. Die modernen Menschen nun wollen in ihrer Sünde verharren und erwarten von der Kirche trotzdem die Absolution (ohne zu bereuen, ohne zu beichten und ohne den Vorsatz zur Umkehr). Ja, die Kirche soll sogar aufhören, die Sünde als solche zu bezeichnen, und das sündige Verhalten gutheißen.

    Da Sie ja abstruse Vergleiche mögen: Dann hätte Mose die Steintafeln wegwerfen und den Kult des goldenen Kalbes gutheißen müssen. Ok, die Tafeln hat er weggeworfen, woraufhin er allerdings neue bekam…

    Und zum letzten Punkt: Ich ahnte schon nach Ihrem ersten Kommentar, dass es hier auch um persönliche Verletzungen geht. Das tut mir leid. Da wir hier aber nicht bei der Internetseelsorge sind, halte ich mich da besser zurück.

    Ein fehlender Ehekonsens ist jedenfalls heute ein massives Problem für katholische Ehen. Sprich: Es kann nicht mehr vorausgesetzt werden, dass beide Ehepartner wirklich das katholische Verständnis einer Ehe teilen und die Absicht haben, eine katholische Ehe einzugehen. Das hat massive und fatale Folgen.

    Ihr Verweis auf Liebe allein greift hier zu kurz. Es gibt auch Liebe zwischen Eltern und Kindern, oder selbstlose Liebe zu den Armen, die gar nichts mit Sexualität zu tun haben.

  5. Ach ja, und dass die Liebesheirat eine Erfindung der Romantik und des Bürgertums ist, dürfte Ihnen ja sicher bekannt sein.

  6. Sie konstruieren ein Beispiel, bei dem eine Journalistin nach einem der Redaktion widersprechenden Artikel nicht gemassregelt wird und behaupten dann das sei der wahre Tendenzschutz und werfen mir konstruierte Beispiele vor?
    Willkommen im Land der katholischen Doppelmoral! Adieu.

  7. Das Thema Tendenzschutz haben Sie in die Debatte eingeführt – wie sich jetzt gezeigt hat, als Strohmann. Ich versuche Ihnen die ganze Zeit zu erklären, dass es im konkreten Fall gar nicht um Tendenzschutz ging.

    Um Ihr Beispiel vom Kopf auf die Füße zu stellen: Angenommen, in einer deutschen Kirchenzeitung erschiene ein Artikel, in dem eine Autorin die katholische Lehre zum Thema Homosexualität darlegt. Sie verwende vielleicht eine missverständliche Formulierung, oder argumentiere nicht sonderlich brillant, und der Beitrag werde dann von der Redaktion noch leicht gekürzt.

    Daraufhin träten einschlägig bekannte Pressure Groups eine Kampagne gegen die Autorin und die Redaktion los, woraufhin die Kirchenzeitung zunächst eine Erklärung veröffentlichte und sich kurze Zeit darauf von der Autorin trennte. Nicht, weil sie der Linie der Kirchenzeitung widersprochen hätte, sondern unter dem Druck dieser lautstarken Teilöffentlichkeit.

    Tendenzschutz ist hier höchstens der Vorwand für die Trennung. Und formal wird sich die Redaktion immer auf Tendenzschutz berufen, auch wenn sie tatsächlich eher vor dem öffentlichen Druck eingeknickt ist. Für die journalistische Unabhängigkeit und die Meinungsfreiheit ist das allerdings fatal.

    Im Übrigen freut es mich, dass ich Ihnen wenigstens als Projektionsfläche dienen konnte. Es hat Sie niemand gezwungen, hier zu kommentieren. Bitte sehen Sie von weiteren Beleidigungen ab.