Am Ende, wenn die Debattenmaschine einmal stillsteht, bleibt eine ganz einfache Frage: Was ist höher zu bewerten – Familie oder Beruf? Vermutlich ist es ein Zeichen für den sicheren Niedergang einer Gesellschaft, wenn sie Beruf höher bewertet als Familie. Denn nur die Familie kann ihren eigenen Fortbestand und damit den jeder Gesellschaft sichern.
Der Beruf kann der Familie gegenüber nur den zweiten Rang haben. Er trägt durch das damit erwirtschaftete Einkommen zum Fortbestand der Familie bei, aber mehr eben auch nicht. Kein Beruf bringt Kinder hervor. Jedes Berufsleben ist irgendwann zuende, eine Familie besteht fort. Berufliche Positionen können wechseln, Familie braucht Stabilität. Es ist kein Zufall, dass die Geburtenrate unter die Schwelle von 2,1 Kindern pro Frau sinkt, wenn der Beruf höher bewertet wird und die Familie nicht mehr stabil ist.
Die CDU/CSU steht am Scheideweg. Seit ihrer Gründung hatten die Unionsparteien eine klare Wertehierarchie: Die Familie ging vor. Davon ist nicht mehr viel übrig. Gleichen Rang können Familie und Beruf nicht gut haben. Denn Werte sind ja gerade dann wichtig, wenn eine freie, nicht durch Zwänge bestimmte Entscheidung ansteht. Wer zwischen zwei Alternativen wählen kann, wählt die höherwertige.
Insofern ist die Wahlfreiheit, die jetzt allenthalben beschworen wird, nicht viel mehr als ein Popanz. Denn die Doppelverdiener-Ehe mit (kleinen) Kindern ist ein fragiles Modell. Soll ein nennenswertes Familienleben übrigbleiben, dann ist sie allenfalls auf Teilzeitbasis möglich. Zwei Teilzeitjobs reichen indes in den seltensten Fällen aus, um eine Familie zu ernähren (und die höheren Kosten einer doppelten Berufstätigkeit zu bestreiten) – womit das Dilemma hinreichend beschrieben ist.
Es bleibt eine Wertentscheidung zwischen Familie und Beruf, und wer dem Beruf den Vorzug gibt, legt die Lunte an die Familie. Scheidungsquoten und Abtreibungszahlen schreien zum Himmel. Die Einverdiener-Ehe ist hingegen besser als ihr Ruf. Sie verteilt die Lasten zwar nicht gleich, aber jedenfalls nicht ungerecht. Sie ist unter den heutigen Bedingungen des Berufslebens praktikabel und überfordert niemanden. (Und nein, es ist nicht zwingend der Mann, der das Geld nach Hause bringt.)
Kinderkrippen sind ein Notbehelf für jenes Drittel junger Mütter (oder Väter), die schon in den ersten drei Lebensjahren ihrer Kinder zur Arbeit gezwungen sind oder sich frei dafür entscheiden, weil sie den Beruf höher bewerten als die Familie. Der aktuelle Streit, reduziert um allerlei ideologisch motiviertes Getöse, tobt um die Finanzierung dieser im Wesentlichen unumstrittenen gesellschaftlichen Aufgabe.
Bischof Mixa hat mit scharfen Worten die Pläne gegeißelt, zu dieser Finanzierung einseitig die Familien selbst heranzuziehen. Der Präzedenzfall dafür war das Elterngeld, das zu großen Teilen durch die Streichung des Erziehungsgeldes und die Kürzung der Kindergeldbezugsdauer finanziert wird. Die aktuellen Vorschläge der SPD für den Krippenausbau sehen genau das vor: Das Kindergeld soll nicht erhöht und die dadurch freiwerdenden Mittel umgeschichtet werden. Das lehnt Ministerin von der Leyen zwar ab, hat aber keine anderen Vorschläge.
Nun zahlen Normalverdienerfamilien das seit Jahren nicht mehr erhöhte Kindergeld ohnehin schon aus eigener Tasche. Der Fiskus nimmt uns das Geld zunächst über die Steuer weg, um es anschließend durch das Arbeitsamt wieder auszahlen zu lassen. Einfacher wäre es, gleich den Steuerabzug um die Höhe des Kindergeldes zu kürzen.
Aber statt die Familien tatsächlich nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu besteuern, nimmt der Staat mehr, als viele Familien entbehren können – nur um das Geld anschließend auf verschlungenen Wegen als Sozialleistung zurückzuzahlen.
Der Hort, den mein schulpflichtiger Sohn besucht, wird von einer Elterninitiative getragen und aus öffentlichen Kassen kaum unterstützt. Für den kirchlichen Kindergarten zahlen wir happige Beiträge. Wahrscheinlich reichen unsere Steuern auch noch, um damit die Schule und öffentliche Zuschüsse für den Kindergarten zu bestreiten.
Uns jetzt noch mehr Geld zu nehmen, um damit Kinderkrippen zu bezahlen, ist weder recht noch billig. Diese Aufgabe muss aus dem allgemeinen Steueraufkommen (plus Beiträgen der Eltern von Krippenkindern) bezahlt werden. Dann tragen auch wir gern unseren Anteil.
Es geht eben nicht um ein paar Grenzfälle, sondern um die gerechte Verteilung der Lasten. Und es geht um Werte (Familie oder Beruf?) und Normen: Ein- oder Doppelverdiener? Fremdbetreuung oder Familie?