in Liturgia

Problemanalyse

Alfred fragt:

Also, was ist in Kürze deine Problemanalyse?

Und: Worüber bist du erschrocken, was im letzten Jahrhundert geschehen ist?

Und wo bleibt von dir die Analyse über die Probleme des Gottesdienstes vor dem II. Vat.? Sonst hätte man doch die alte Messe nicht zu reformieren versucht, wäre alles in Ordnung gewesen.

ad 1.: Ich habe noch keine vollständige Problemanalyse, schon gar keine kurze. Im Oktober habe ich mit dem Versuch begonnen, die Liturgiereform nicht als eine ominöse Ereigniseinheit zu begreifen, sondern sie in (damals vier) verschiedene Aspekte zu gliedern. Ich musste lernen, dass diese Unterscheidungen nicht ausreichen. Derzeit sieht mein liturgiereformhistorisches Forschungsprogramm (wenn ich das mal so nennen darf) so aus.

ad 2.: Ich bin erschrocken über die zahllosen Details, die mir bis jetzt begegnet sind. Über die Rücksichtslosigkeit, mit der die Liturgiereformer dem Gegenstand ihrer Bemühungen gegenübertraten. Über die Wissenschaftsgläubigkeit, mit der sie das Missale Romanum auf den Seziertisch legten, in kleinste Einzelteile zerschnitten und das Puzzle nach ihrem eigenen Plan neu zusammensetzten. Über die Überheblichkeit gegenüber einer weit über 1.000 Jahre währenden liturgischen Tradition. Und vieles mehr.

ad 3.: Kommt Zeit, kommt Analyse. Erst einmal werde ich versuchen, mein Programm abzuarbeiten. Ich möchte zuerst verstehen, was überhaupt geschehen ist, wie es geschah und in welcher Reihenfolge die einzelnen Schritte unternommen wurden. Das Zweite Vaticanum stand ja keinesfalls am Anfang der Reformen, sondern war allenfalls ein Meilenstein in einem bereits andauernden Prozess. Wahrscheinlich wird es nötig sein, zu den Anfängen der liturgischen Bewegung im 19. Jahrhundert zurückzugehen. Ein traditionalistisch motivierter Aufsatz, auf den ich neulich schon einmal verwiesen hatte, spannt den Bogen noch weiter in die Vergangenheit. Und auch Georg wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass die liturgische Krise im Westen kein Phänomen erst des XX. Jahrhunderts ist, sondern weit zurückreicht.

Deshalb tue ich mich schwer mit kurzen und schnellen Analysen. Und noch viel schwerer mit ebensolchen Lösungsvorschlägen. Keinen Zweifel habe ich allerdings, dass in der Tat endlich die Ächtung der bis 1970 gültigen Form von Liturgie aufhören muss. Wenn das geschehen ist, sind keineswegs alle Probleme gelöst. Aber erst dann ist überhaupt der Weg frei, ernsthaft an einer Lösung zu arbeiten.

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Kommentar

  1. @Alfred:
    Und wo bleibt von dir die Analyse über die Probleme des Gottesdienstes vor dem II. Vat.? Sonst hätte man doch die alte Messe nicht zu reformieren versucht, wäre alles in Ordnung gewesen.

    Nun, oft genug wird nicht deshalb reformiert, weil etwas nicht „in Ordnung ist“ (Beispiel: war etwa die Ehe zwischen Mann und Frau nicht mehr hinreichend „in Ordnung“, daß man sie unbedingt durch die Einführung einer Schwulenehe „bereichern“ mußte?), sondern weil man eine Agenda hat, der eben diese Sache hinderlich im Wege steht. Und, keine Frage (wer wüßte das besser als ich 😉 — die Feier der Alten Römischen Messe war zweifellos ein wesentlicher Hinderungspunkt in allen „ökumenisch“ angehauchten Bestrebungen (und derer gab und gibt es unzählige). Undenkbar, daß ein Lutheraner oder Calvinist ohne vorherige Konversion an „so etwas“ teilnehmen würde. Beim NOM tun sich diese Herrschaften schon wesentlich leichter. Die Kommemoration für den Papst unter den Teppich gekehrt, und los geht’s. Oder wie Paul VI. sagte (ich das das genaue Zitat nicht präsent, aber es läßt sich unschwer auftreiben): „Wir wollen eine Messe, die auch ein Protestant feiern könnte“. Und genau das ist ihm gelungen.

    Nicht, daß ich dieses Streben für prinzipiell verwerflich halten würde (wenn Sie in „meinen“ BLog schauen, werden Sie noch ganz andere Gedanken finden) — nur finde ich es halt gelinde gesagt heuchlerisch (oder aber eine naive Selbsttäuschung) wenn man so etwas beabsichtigt und dann so tut, als „hätte sich im wesentlichen doch ohnedies nichts geändert“.

    @mr94:
    Das Zweite Vaticanum stand ja keinesfalls am Anfang der Reformen, sondern war allenfalls ein Meilenstein in einem bereits andauernden Prozess.

    Bis darauf, daß ich V2 eher als Stolperstein bezeichnen würde, kann ich Ihnen zustimmen. Eine Krankheit kommt zumeist schleichend und wird dann plötzlich manifest …

    Keinen Zweifel habe ich allerdings, dass in der Tat endlich die Ächtung der bis 1970 gültigen Form von Liturgie aufhören muss. Wenn das geschehen ist, sind keineswegs alle Probleme gelöst. Aber erst dann ist überhaupt der Weg frei, ernsthaft an einer Lösung zu arbeiten.

    Goldene Worte!

  2. ich weiß nicht ob der Ausdruck „Ächtung der bis 1970 gültigen Liturgie“ nicht ein wenig zu polemisch und einseitig ist.
    Natürlich gibt es die militanten „NOM“‚ler, die borniert und ideologisch gesinnt argumentieren und so tun als sei mit der Liturgiereform ein jahrhundetelanger Irrweg endlich überwunden worden. Solche gibt es speziell unter lehrenden Liturgiewissenschaftern noch immer zu viele-kein Zweifel….

    Das „gros“ des Gottesvolkes , denke ich mal, ist aber weniger polemisch als vielmehr mittlerweile mit dieser reformierten Liturgie nicht nur groß geworden, sondern hat sie auch lieb gewonnen und- wie FingO so eindeutig schreibt, ja für viele ist sie auch der Bezugspunkt der persönlichen Bekehrung und des persönlichen Glaubenswegs geworden…für diese Gruppe geht es weniger um eine Ächtung der vorkonziliaren Liturgie als um eine Bewahrung der ihr vertrauten Tradition, wenn man so will geht es ihr darum, dass mit der einseitigen Begeisterung für die Liturgie vor 1970 eine Ächtung des NOM einhergeht….und das ist sicher nicht in deinem Sinn Martin, wenn ich dich richtig verstehe….

    Liturg. Defizite gibt und gab es zu allen Zeiten, sie entspringen meiner Meinung nach mehr einem defizienten Glauben und einer defizienten Glaubenspraxis von Volk und Klerus und ist weniger eine Frage von Stil oder Ausdrucksformen. So gesehen spiegeln die zutiefst bedauerlichen liturgischen Eskapaden und Verirrungen unserer Tage mehr dem allgemeinen Verlust an Glaubenssubstanz und -praxis, und haben nichts mit der liturg. Ordnung nach dem Vat II an sich zu tun.

  3. Den Ausdruck Ächtung habe ich, allerdings ohne das Zitat zu kennzeichnen, wörtlich von Papst Benedikt (aus seiner Zeit als Kardinal) übernommen. Was jedoch nicht heißen muss, dass er nicht trotzdem polemisch und einseitig ist.

  4. ich weiß schon, dass der Begriff vom Papst stammt; ich denke aber, dass seine Spitze gegen die erwähnten Liturgiewissenschafter(und ihre Gefolgschaft) geht;
    ihn über diesen (Akademiker)kreis hinaus zu verwenden, kann leicht zu Missverständnissen führen….

  5. In gewisser Hinsicht ist es aber auch eine Art Kritik am Heiligen Stuhl (mithin auch Selbstkritik), denn ohne diesen wäre ja erstmal eine „Ächtung“ nicht möglich gewesen. Klar ist aber auch, daß seit 20 Jahren vorsichtig dem entgegengewirkt wird.

  6. @str1977
    tut mir leid, aber ich kann dir weder im der ersten noch in der zweiten Bemerkung folgen. Woran machst Du „Selbstkritik am Hl. stuhl“ fest und wo siehst du ein Entgegenwirken in den letzten zwanzig Jahren????
    wenn ich richtig sehe, hatte die ganze Zeit über einzig der dztg. Papst die einzig pointierte und originelle Position dazu. Unter + Joh. Paul II feierte liturg. Wildwuchs z.T. fröhliche Urstände….

  7. Georg,

    naja, ohne die Mitwirkung Papst Pauls VI. wäre es ja nicht zu einer „Ächtung“ der Alten Messe gekommen, oder? Wenn also der jetzige Papst darüber spricht, ist das schon Selbstkritik.

    Johannes Paul hat zwar den liturgischen Wildwuchs toleriert (wobei natürlich hierfür eigentlich die Bischöfe zuständig sind, der Papst macht ja höchstens das Messbuch, kann aber nicht die Einhaltung überwachen), aber er zeichnet ja auch für die Möglichkeit der Indultmesse verantwortlich, worauf sich meine 20 Jahre bezogen.

    Damit endet eigentlich, der Intention nach die „Ächtung“, auch wenn die Umsetzung den eigentlich zuständigen, den Bischöfen, übertragen wurde. Weil diese aber meist nicht sehr enthusiastisch waren im bezug auf Indultmessen, deshalb sprechen wir nun von einem generellen Indult.