Seit zwei Tagen bin ich nun in Mariawald, zwei Nächte werden noch folgen. Es ist mein dritter Gastaufenthalt in einem Kloster, nach den beiden Benediktinerabteien Gerleve (2007) und Meschede (2009) nun also Trappisten. Bei denen ist alles etwas zisterziensisch-schlichter als bei den Benediktinern.
Es fängt beim Äußeren an. So hat die Abteikirche nur einen kleinen Dachreiter mit zwei Glocken, die per Hand und Seil aus dem Chorraum geläutet werden. Mariawald ist zwar eine große Klosteranlage, aber mit elf Mönchen nur eine sehr kleine Abtei, insbesondere im Vergleich zu Gerleve und Meschede. Das Chorgebet wird inzwischen fast vollständig im überlieferten zisterziensischen Ritus gesungen, nur die Vigilien (um 3.15 Uhr!) werden derzeit noch nach dem deutschen Mariawalder Psalter gefeiert.*
Allerdings tragen das Chorgebet in diesen Tagen im Wesentlichen nur vier Mönche, was keinen sehr mächtigen und prachtvollen Gesang ergibt, sondern eher ein stilles, inniges und zurückhaltendes Chorgebet. Ich brauchte etwas Zeit, mich einzuhören, doch inzwischen fühle ich mich darin schon fast zuhause. Zumal ich mit dem Breviarium Romanum ein eng verwandtes Stundengebet praktiziere.
Im Alltag fehlt mir die Zeit für ein vollständiges Breviergebet. So bleibt es meist bei Laudes und Vesper, an der Komplet arbeite ich noch. Umso mehr habe ich es mir aber angewöhnt, wenn ich denn mal im Kloster bin, dort möglichst keine Gebetszeit zu verpassen. Der Tag bekommt dadurch seinen ganz eigenen Rhythmus.
Mariawald ist nicht nur die einzige Trappistenabtei in Deutschland. Mariawald ist auch das erste und meines Wissens einzige Kloster hierzulande, dass sich entschieden hat, zur Liturgie und zur Observanz im Alten Usus zurückzukehren. Der junge Abt Josef Vollberg hat damit eine radikale Konsequenz aus dem Niedergang des Klosters und dem ausbleibenden Erfolg der nachkonziliaren Reformen gezogen.
Falls jemand einen großen Novizenansturm erwartet hatte, dann ist der bis jetzt ausgeblieben. Wie zu hören war, waren zwar schon eine Reihe Nachwuchskräfte im Kloster, von denen jedoch die wenigsten blieben. Mir scheint es aber für eine erste Bilanz noch reichlich früh, ist doch die Umstellung auf die tradierte Liturgie und Observanz nicht einmal abgeschlossen.
Der Nukleus für eine neue Blüte des Klosters ist ganz klar vorhanden. Mariawald hat jetzt ein einzigartiges Profil. Für neue Berufungen braucht es indes Zeit. Wie mit der Wiedereinbürgerung des Usus antiquior in der Universalkirche verhält es sich auch hier: Mit der überlieferten Liturgie steht nun eine kleine, aber wachsende Minderheit neben einer schrumpfenden Mehrheit.
Mittelfristig sind die Aussichten für wachsende Gruppen freilich besser als für schrumpfende. Schrumpfungsprozesse sind immer schmerzhaft und bergen die Gefahr einer Abwärtsdynamik, während Wachstumsprozesse eher mit positiver Dynamik und besserer Stimmung einhergehen. Beide Prozesse befeuern sich selbst, weshalb eine Schrumpfungsdynamik, einmal in Gang gekommen, nur schwer zu stoppen ist. Wachstum hingegen hat seine eigene Dynamik.
Mariawald ist ein denkbar starker Kontrast zu Meschede. Hier traditionelle Trappisten, dort moderne Benediktiner. Hier lateinische Liturgie im alten Usus, dort ein vorbildlich modernisiertes und entkerntes Stundengebet auf Deutsch. Hier eine 500 Jahre alte Klosteranlage, dort ein im vergangenen Jahrhundert erbautes Kloster mit einer in den sechziger Jahren errichteten Abteikirche.
Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich diese beiden Klöster in den kommenden Jahrzehnten fortentwickeln. Kann Meschede aus seiner Blütezeit in den achtziger Jahren genug Schwung und kritische Masse mitnehmen, um auch künftig zu bestehen? Wird Mariawald neuen Schwung bekommen und die kritische Masse aufbauen, die zum Überleben notwendig wäre? Zu wünschen wäre es beiden.
* Vgl. dazu auch Thomas sein Abendland (2008).
ich denke auch, dass es noch zu früh ist, eine Prognose abzugeben. Ich habe nur die Befürchtung, dass Abt Josef auch den „Erfolg“ der Abtei Heiligenkreuz, wo er einen guten Teil seiner Studienzeit verbracht hat bzw. der frankophonen benediktinischen Gemeinschaften die zum usus antiquior zurückgekehrt sind vor Augen hat. In Heiligenkreuz setzt man übrigens zwar auf Latein und monastische Formen, allerdings strikt im NO sowohl was Stundengebet als auch Eucharistiefeier angeht.
Da ich die monast. Szene im deutschen sprachraum und in seiner Nachbarschaft nun schon seit >25 Jahren sehr gut kenne bin ich recht vorsichtig geworden. Vieles was einige Jahre wie eine große Blüte aussieht, wird oft „über Nacht“ zum kahlen Baum. Persönlich freue ich mich über den Mut von Abt Josef, gegen den mainstream in seiner ordensgemeinschaft und in Deutschland diesen Versuch zu wagen und bete und hoffe, dass er sich bewährt und „Schule macht“–allzu euphorisch bin ich aber nicht. Und was Meschede usw. angeht: naja da sag ich lieber nicht allzuviel dazu. Bezeichnend ist nur, dass innerhalb kurzer Zeit zwei Abteien der Beuroner ongregation „den Laden dicht machen mussten“ und dass auch die Kongreg. von St. Ottilien auch schon mal blühender war; ist nicht zu übersehen.
Ich denke, es ist hier wie immer so, dass niemand Berufungen machen kann außer dem einen Herrn. Abt Josef und Mariawald können nur den Boden bereiten, mehr nicht.