in Catholica, Liturgia

Was war noch gleich der Grund für die Liturgiereform?

Ein Thema hatte ich gestern ausgespart: die Hl. Messe. Die ersten drei Tage in Mariawald haben meinen Kontostand, was die Messe in der außerordentlichen Form angeht, glatt verdoppelt. Man sieht schon, ich bin noch Anfänger, auch wenn ich seit heute früh immerhin schon beide Hände zum Zählen brauche.


Seitenaltar in der Abteikirche Mariawald

Was ich aber immer weniger verstehe, ist der Sinn und Zweck der Liturgiereform, die ja um Haaresbreite zur Abschaffung der alten Messe geführt hätte. Ich könnte jetzt zwischen der vom Konzil intendierten Reform und der tatsächlich durchgeführten Revolution unterscheiden, aber das Thema erspare ich uns für heute.

Wie konnte man überhaupt auf die Idee kommen, etwas so wunderbares und geradezu überirdisch schönes wie die alte Messe reformieren oder gar abschaffen zu wollen? Und wozu sollte das gut sein? Warum nahezu alle Texte austauschen, alles kräftig umrühren und neu zusammenbauen? Wozu der Neubau auf der grünen Wiese? Hätte nicht eine anständige Renovierung genügt?

Ich werde wohl einschlägige Literatur hinzuziehen müssen, um das zu verstehen begreifen. Verstehen werde ich es wohl nicht mehr.

Wie der liturgische Kalender der Zisterzienser es so wollte, wurden alle drei Messen in weiß gefeiert, die vierte morgen früh dann auch. Gestern und heute kam zudem ein überaus wohlriechender Weihrauch zum nicht gerade kleinlichen Einsatz. Der Bruder Thuriferar legte sogar vor der Wandlung noch einmal in Eigeninitiative nach, auf dass sich die Abteikirche ordentlich in Nebel hülle. Der köstliche Duft hält sich trotz geöffneter Fenster den ganzen Tag.

Als kleine Konzession an den Zeitgeist oder auch um zu zeigen, dass hier keine Ideologen am Werk sind, werden Epistel und Evangelium auf Deutsch vorgetragen, während der zelebrierende Abt sie leise am Altar rezitiert. Das war es dann aber auch mit dem modernistischen Einschlag, soweit ich als blutiger Anfänger das erkennen kann.

Was soll ich sagen? Die Messe dauert, auch ohne Predigt, ungefähr eine Stunde. Ohne Weihrauch vielleicht etwas weniger. Hier lässt man sich Zeit. Dem Gebet ist nichts vorzuziehen. Der Messe erst recht nicht.

Möge sich der Chorraum in den nächsten Jahren stetig mit neuen Mönchen füllen und der Liturgie zu neuem Glanz verhelfen, ad majorem Dei gloriam.

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Kommentar

  1. >>Wie konnte man überhaupt auf die Idee kommen, etwas so wunderbares und geradezu überirdisch schönes wie die alte Messe reformieren oder gar abschaffen zu wollen?<<

    Das habe ich bereits nach meiner allerersten außerordentl. Messe -okay, es war Pfingsten und gab Rosenweihrauch noch dazu und überhaupt – nicht begreifen können.
    Je nach Tagesform, und ob ich gerade eine schöne NO-Messe oder eine lausig zelebrierte mitgefeiert habe, habe ich auch verschieden geartete Erklärungsmodelle dazu 🙂

  2. Je mehr ich in die alte Messe eingetauchte, desto mehr ging es mir wie Dir jetzt. Ich habe mich in die alte Messe und den Choral verliebt.

    Etwas beneide ich Dich schon um die Möglichkeit, an den Messen und am Chorgebet der Mönche in Mariawald teilnehmen zu können.

    Vale!

  3. Ja. Bin auch ein bißchen neidisch. Aber nach Erklärungen für die „Abschaffung“ der Alten Messe hab ich auch lange gesucht, und keine Erklärung gefunden außer der, daß der revolutionäre Geist der 60er eben auch die Kirche erfasste. Während ich draußen Scheiben einwarf, beförderte man drinnen die mehr als tausend Jahre alten Gebete und Gesänge in den Schredder. In Sacrosanctum concilium finden sich dann für die Abschaffung der Prim und die faktische Abschaffung der Matutin (ein bissel refomiert hat das Konzil dann doch, den Rest erledigte der Bugninismus) folgende Erklärungen :
    88. Da die Heiligung des Tages Ziel des Stundengebetes ist, soll die überlieferte Folge der Gebetsstunden so neugeordnet werden, daß die Horen soweit wie möglich ihren zeitgerechten Ansatz wiedererhalten. Dabei soll zugleich den heutigen Lebensverhältnissen Rechnung getragen werden, in denen vor allem jene leben, die apostolisch tätig sind.
    Was sind denn nun die „heutigen Lebensverhältnisse“?
    „Die sogenannte Matutin soll zwar im Chor den Charakter als nächtliches Gotteslob beibehalten, aber so eingerichtet werden, daß sie sinnvoll zu jeder Tageszeit gebetet werden kann. Sie soll aus weniger Psalmen und längeren Lesungen bestehen.“
    Liturgische Schizophrenie. Während man wenige Sätze zuvor erklärt, daß die Stundengebete wieder (?) ihren ursprünglichen Ort einnehmen sollten, verlegt man nun die Matutin, die vor Morgengrauen zu beten war, als „Lesehore“ in die Tagesstunden. Nach Sinn in diesen verwirrten Beschlüssen zu suchen ist sinnlos.
    Also doch der Zeitgeist, verklausuliert als die „heutigen Lebensverhältnisse“

  4. Die Gründe für die Entscheidung kenne ich auch nicht, aber ich ein bisschen was zur damaligen Wirkung erzählen.

    So wie ich mich heute erinnere, dass ich damals empfunden habe. Der objektive Erkenntniswert ist also historisch-kritisch zu bewerten.

    Kurz zusammengefasst ist die Entwicklung die : damals war ich begeistert, heute sehe ich das kritisch.

    Nun die Details. Ich bin Jahrgang 55, war also 1965 10 Jahre alt und im 2ten Jahr Meßdiener. Rheinisch-katholisches Milieu. Abendgebet war üblich, Sonntagsmesse sowieso. Wir hatten den alten Ritus als Messdiener soweit gelernt, es gab gelegentliche Abstürze, wenn wir das Buch (Evangeliar ?) von der Lesungs- auf die Evangelienseite getragen haben. Das Latein war natürlich auswendiggelernt, aber wir kannten die Bedeutung der Texte.

    Dann kam die Liturgiereform und alles wurde anders. Und wir waren ziemlich begeistert. Wir haben Jugendmessen gestaltet usw. usf. Es ist schwer, aus heutiger Sicht aufzudröseln, worüber wir eigentlich begeistert waren. Ich nehme an, ein grosser Teil war Erleichterung. Es wurde plötzlich so einfach, Messen zu halten und – hey – wir konnten es selber machen, bis auf das bisschen Wandlung natürlich. Das hat schon was, besonders für einen Jugendlichen. Erleichterung und Einflussmöglichkeiten, also Macht. Wenn man das geschenkt kriegt, dann nimmt man das. Und unser Jahrgang hat es geschenkt gekriegt. Als 8-10-jährige hatten wir keine Forderungen an 2. Vatikanum gestellt, wir wussten nicht mal, dass es das gab. Gleichzeitig hatten wir am Anfang – glaube ich – noch das Gefühl dafür, dass wir mit den Messen etwas wirklich wichtiges gestalteten. Die alte Form war ja noch in unserern Erininerungen lebendig, sie schimmerte durch. Das galt umsomehr für die damals Erwachsenen. Das Durchschimmern der alten Form verlieh den neuen Formen einen Bedeutungsgehalt, den sie aus sich heraus nicht haben. Das zeigt sich jetzt, wo die alten Formen verblasst sind.

    Das ist ein ähnlicher Effekt wie beim Regietheater. Es ist ganz witzig und bis zu einem gewissen Punkt auch sinnvoll, sich kritisch an Klassikern abzuarbeiten. Das funktioniert aber nur, wenn alle die Klassiker kennen, sonst wird es banal.

    Wenn ich mich frage, warum die Oberen uns das Geschenk der Erleichterung gemacht haben, muss ich raten. Ich vermute : Angst. Angst, als Kirche nicht mehr in die Zeit zu passen und zu wenig Kraft, um der Zeit zu sagen, dass das ihr Problem ist.

  5. Ich glaube, ich habe eben etwas hart geurteilt.

    Die Angst, dass die Kirsche nicht in die Zeit passt und deshalb ihre Aufgaben nicht erfüllen könnte, ist ja nachvollziehbar und sollte nicht mit Feigheit verwechselt werden.

    Aus dieser Sorge heraus den Gläubigen Marscherleichterung zu geben, war wahrscheinlich gut durchdacht und sollte helfen.

    Mittlerweile hat sich allerdings gezeigt, dass die Ergebnisse nicht sehr vorteilhaft für unsere Kirche sind, nicht nur im Hinblick auf ihre gestaltende Rolle in der Welt, sondern auch in spiritueller Hinsicht.

    Ich glaube hier zeigt sich auch die Begrenztheit menschlichen Handelns überhaupt und insbesondere die Gefahr großer Würfe. Die Seiteneffekte sind nicht überschaubar.

    Der Gerechtigkeit halber muss man sich auch fragen, was die Alternative zur Liturgiereform war (und ist). Kein Mensch kann wissen, welche Entwicklung die Kirche genommen hätte, wenn man sich damals anders entschieden hätte.

  6. Das Durchschimmern der alten Form verlieh den neuen Formen einen Bedeutungsgehalt, den sie aus sich heraus nicht haben.

    Das ist ein wichtiger Punkt und gilt dank Summorum Pontificum nun auch umgekehrt: Die alte Form kann nun wieder durchschimmern und den neuen Formen einen Bedeutungsgehalt verleihen, den sie aus sich heraus nicht haben.

    Vielleicht der mittelfristig wichtigste Aspekt des Motu proprio.

  7. Ich komme aus der Hamburger Diaspora und bin Mitte der siebziger Jahren geboren. Nach meiner Firmung habe ich der Kirche für lange Jahre den Rücken zugekehrt. Ich fühlte mich einfach zu erwachsen für die Kirche

    Für mich ist das Durchschimmern der alten Form ein wichtiger Aspekt, denn erst nach dem Besuch der alten Messe – so kann ich für mich sagen – habe ich das Beten und die Messe überhaupt erst verstanden.

    Ich habe erkennen müssen, daß die Kirche immer älter und stärker sein wird als ich es bin. Das gibt mir ein gutes Gefühl.

  8. Ich komme aus der Hamburger Diaspora und bin Mitte der siebziger Jahren geboren. Nach meiner Firmung fühlte ich mich einfach zu erwachsen für die Kirche – und habe ihr den Rücke gekehrt.

    Für mich ist das Durchschimmern der alten Form ein wichtiger Aspekt, denn erst nach dem Besuch der alten Messe – so kann ich für mich sagen – habe ich das Beten und die Messe überhaupt erst viele Jahre später verstanden.

    Ich habe erfahren, daß die Kirche immer älter und stärker sein wird als ich es bin. Das gibt mir ein gutes Gefühl.

  9. Ich will jetzt nicht alles kommentieren, insbesondere die üblichen Schlagworte mit denen hier manche Kommentatoren um sich schmeißen (Bugninismus z.B.), aber ich beschränke michs auch wesentliche:

    „Das Durchschimmern der alten Form verlieh den neuen Formen einen Bedeutungsgehalt, den sie aus sich heraus nicht haben.“

    Das stimmt doch gar nicht. Ich bin zweieinhalb Jahrzehnte ohne auch nur geringste Kenntnis des „alten Ritus“ aufgewachsen und habe, zumindest ab dem Zeitpunkt, da ich mich bewußt damit befasste, die Formen des „neuen Ritus“ durchaus als bedeutungsvoll erlebt und Schritt für Schritt Bedeutung in der Messe entdeckt (damals ohne irgendwie liturgisch etwas mir anzulesen).

    Ich will meinerseits nicht polemisieren, aber eine Messeform, in der weitgehend Schweigen herrscht, da wäre das nicht möglich gewesen, abgesehen davon, daß viele der (sicherlich organisch gewachsenen) Formen des „alten Ritus“ gar keine Bedeutung haben, etwa das Wiederholen des Agnus Dei oder das Hin- und hertragen von Büchern.

    Vergleich man beide Meßformen in ihren Texten kommt man doch nicht umhin, ihre übergroße Ähnlichkeit zuzugeben.

    Ach ja, a propos Durchschimmern. In gewisser Weise ist es doch so: es ist der Glaube, der durch Durchschimmer der neuen wie der alten Form Bedeutungsgehalt verlieht, den sie aus sich heraus nicht hätten. (Sieht man z.B. wenn sich glaubenslose Ästheten über Klampfenmessen ereifern.)

Webmentions

  • Commentarium Catholicum – Vom Bedeutungsgehalt liturgischer Formen 12. August 2010

    […] sechziger Jahre den neuen Formen einen Bedeutungsgehalt, den sie aus sich heraus nicht haben? Diese These hat Widerspruch hervorgerufen: Ich bin zweieinhalb Jahrzehnte ohne auch nur geringste Kenntnis des […]